Besuch meiner ersten Oper

Text

von  lugarex

Meine erste Op(f)er war mit meiner Mutter, als ich sie zwang, die  Puccini’s "Tosca" zu besuchen. Ich habe nämlich auf einem Plakat gesehen, dass der Cavaradossi die gleiche Palette in der Hand hatte, wie ich sie zu meinen ersten Malversuchen probierte. Von der Oper hatte ich damals keine Ahnung, war nur auf die Palette neugierig.


Meine Mutter – eine hundert Kilogramm schwere Würde – nahm es auf die eigene Schulter, diese schwere Prüfung zu tragen. Feierlich angezogen zogen wir in die Oper, ich neugierig und die Opfer, meine Mutter. Die Opfer trug noch sicherheitshalber eine Tüte mit Lutschbonbons, sollte ich eventuell einschlafen wollen. Ich blieb jedoch hellwach, als ich die “meine” Palette gesehen habe und wartete, was mit dem Maler weiter passiert.


Nach der “E lucevan le stelle” war es um mich geschehen. Seitdem schleppe ich jetzt auch noch meine Enkel an die Tosca. Kinder von den  beiden Töchtern, die Tosca gesungen haben, eine von ihnen sogar ganz professionell, auf grossen Bühnen…


Wenn die Szene naht, wo die unglückliche Tosca sich von der Engelsburg in den Tod stürzt mit dem „O Scarpia, avanti a Dio!“, stehen wir alle auf, um zu klatschen und "Bravo" zu rufen.


Nur einmal habe ich lachen müssen, als die Darstellerin etwas voluminöser war und der Sturz irgendwie missriet und es wurden schöne, mollige Beine mit dem vollen Hintern präsentiert. Zur Ehrenrettung der Sängerin muss ich sagen, dass dies wohl fast niemand gesehen hatte, weil ich bei jener Vorstellung ganz auf der Seite des Zuschauerraumes sass, in sogenannter Direktors Loge, weil ich zur Vorstellung durch Hintereingang als sozusagen Mitglied kam.




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Kommentare zu diesem Text


 Quoth (20.05.24, 11:43)
Schöne Premierengeschichte. Puccinis Musik, vor allem die der Tosca, hat hohes Suchtpotenzial. Er hat die menschliche Stimme auf seit Bellini nie wieder erreichte Höhen und Schönheiten getrieben.

 Mondscheinsonate (20.05.24, 11:55)
Wie witzig. Mein erstes Opernerlebnis war durch das "Theater der Jugend", ein Kinder-Abo. "Schwanensee", das war so reizend, ich war entzückt. Dann bildete ich mir ein, spontan, mit 14, mir eine Oper anzusehen, Stehplatz Wagners "Das Rheingold". Ich wusste gar nichts davon, auch nicht, dass es fünf Stunden dauert. Es war ganz schrecklich für mich und die Aufführung statisch. Ich wollte nicht mehr in die Oper. 
Zehn Jahre später ging ich wieder, sah auch "Tosca", da war es um mich geschehen und irgendwann sah ich den gesamten "Ring", da war es aus, ich begann Wagner leidenschaftlich zu lieben.

 niemand (20.05.24, 18:29)
Das mit den "molligen Beinen" und dem "vollen Hintern" einer Tosca, ist ja nicht so schlimm. Sie ist ja gesund und wer sagt denn, dass liebende Frauen immer wie ein Strich in der Landschaft stehen müssen.  8-)  Viel unpassender ist es aber, wenn die Mimi aus "La Boheme" zwei Zentner wiegt und ihr Liebhaber aussieht als ob ihn und nicht sie die Schwindsucht dahinraffen würde ...
Aber was sollt, die Oper hat den Vorteil, dass die Musik so einiges rausreißt.
LG niemand

 Graeculus meinte dazu am 20.05.24 um 23:32:
die Oper hat den Vorteil, dass die Musik so einiges rausreißt.

Aber manchmal hat sie hart zu kämpfen 1. mit den schauspielerischen Fähigkeiten der Sänger und 2. mit der literarischen Qualität der Libretti.

Antwort geändert am 20.05.2024 um 23:45 Uhr

 Mondscheinsonate antwortete darauf am 20.05.24 um 23:37:
Du hörst Oper und wann warst du das letzte Mal dort?

 Graeculus schrieb daraufhin am 20.05.24 um 23:43:
Das wird zwei oder drei Jahre her sein, war allerdings in Pforzheim - nicht gerade A-Klasse, weshalb ich es aufgegeben habe. Früher, als ich noch im Rheinland gewohnt habe, öfter in der Deutschen Oper am Rhein. Einmal sogar in Wien: Donizetti.

 Graeculus äußerte darauf am 20.05.24 um 23:45:
Wir haben uns übrigens schonmal über Opern unterhalten. Mit meinen Lieblingsopern konntest Du nichts anfangen, falls ich mich recht erinnere.

 Mondscheinsonate ergänzte dazu am 20.05.24 um 23:48:
Ah ja! Na, da musst du in die Oper nach Wien oder Mailand oder New York, da wird richtig gestorben.

 Graeculus meinte dazu am 20.05.24 um 23:52:
Wien - das war in meinem Falle die Volksoper, über die Du sicher die Nase rümpfst. Wie soll ich denn nach Mailand oder New York kommen? Höchstens via arte oder 3sat.

 Graeculus meinte dazu am 20.05.24 um 23:53:
P.S.: Die Deutsche Oper am Rhein ist nicht schlecht! Nur jetzt auch zu weit weg.

 Mondscheinsonate meinte dazu am 20.05.24 um 23:56:
Meine beste Freundin ist Inspizientin an der VOP, ich wage doch nichts über Trallala zu sagen! :D

 Graeculus meinte dazu am 21.05.24 um 00:01:
Das wußte ich nicht. Ich hätte es aber auch vertraulich behandelt.

Ich glaube, ich bin empfindlich bei schlechten Liebesgeschichten: Junger, toll aussehender Graf liebt Aschenputtel, wogegen der Vater strikte Einwände hat usw.

 Mondscheinsonate meinte dazu am 21.05.24 um 00:07:
Nicht denken in der Oper, reinkippen in die Musik! Oder ist es realistisch, dass Carmen mit einem Messer im Bauch noch eine ganze Arie singt?
Im Übrigen, ich sah die Zugabe in Tosca, sie stürzte bei mir zweimal und es war auch beim zweiten Mal hochemotional, ich heulte wie ein Schlosshund. 
Nein, denken darfst du nicht, du musst fühlen, sonst hat die Oper keinen Sinn.

 Graeculus meinte dazu am 21.05.24 um 00:08:
(Ich vermisse Düsseldorf mit seinen kulturellen Möglichkeiten, auch Konzerte und Theater. Dagegen ist Pforzheim Provinz.)

 Mondscheinsonate meinte dazu am 21.05.24 um 00:11:
Ein Grund, warum ich in der Weltstadt wohne. Alles gibt es da😍

 Graeculus meinte dazu am 21.05.24 um 00:14:
Nicht denken in der Oper, reinkippen in die Musik!

Sowas meinte ich mit dem harten Kampf, den die Musik oft mit dem Libretto zu führen hat. Ich kann den Leser und Autor nicht einfach zu Hause lassen.
Das Libretto muß - ähnlich wie die Texte bei anderer Vokalmusik - nicht hochliterarisch sein, aber es darf meinen Geschmack nicht beleidigen.

Wenn jemand mit dem Messer im Bauch noch eine halbe Stunde singt, kann ich immerhin die Augen schließen. Der Text hingegen erreicht mich über die unvermeidlichen Ohren.

 Graeculus meinte dazu am 21.05.24 um 00:20:
Ein Grund, warum ich in der Weltstadt wohne.

Das ist gut für Dich. Ich jedoch kann nicht Freunde in der Nähe und günstigen Wohnraum und kulturelles Angebot unter einen Hut bringen. Es geht nicht. I can't have it all.

 Mondscheinsonate meinte dazu am 21.05.24 um 00:21:
Jetzt habe ich, ehrlich gesagt, ein wenig Mitleid. Du hast die Oper noch nicht verstanden. 
Aber hier... etwas "Intelligentes" aus Carmen.

L’amour est un oiseau rebelle
Que nul ne peut apprivoiser
Et c’est bien en vain qu’on l’appelle
S’il lui convient de refuser
Rien n’y fait, menaces ou prières
L’un parle bien, l’autre se tait :
Et c’est l’autre que je préfère
Il n’a rien dit mais il me plaît

L’amour ! L’amour ! L’amour ! L’amour !
L’amour est enfant de Bohême
Il n’a jamais, jamais connu de loi
Si tu ne m’aimes pas, je t’aime
Si je t’aime, prends garde à toi !
Si tu ne m’aimes pas
Si tu ne m’aimes pas, je t’aime !
Mais, si je t’aime
Si je t’aime, prends garde à toi !

L’oiseau que tu croyais surprendre
Battit de l’aile et s’envola …
L’amour est loin, tu peux l’attendre
Tu ne l’attends plus, il est là !
Tout autour de toi, vite, vite
Il vient, s’en va, puis il revient…
Tu crois le tenir, il t’évite
Tu crois l’éviter, il te tient

L’amour ! L’amour ! L’amour ! L’amour !
L’amour est enfant de Bohême
Il n’a jamais, jamais connu de loi
Si tu ne m’aimes pas, je t’aime
Si je t’aime, prends garde à toi !
Si tu ne m’aimes pas
Si tu ne m’aimes pas, je t’aime !
Mais, si je t’aime
Si je t’aime, prends garde à toi ! 

 Graeculus meinte dazu am 21.05.24 um 00:23:
Außerdem ... ich erinnere mich: Wo für mich große Musik (Mussorgskij!) und große Literatur (Puschkin!) glückvoll zusammentrafen, da war Dir das fremd: "Boris Godunow".
Da kommt also noch etwas hinzu.

 Mondscheinsonate meinte dazu am 21.05.24 um 00:24:
Trotzdem, das Herz soll spüren, nicht der Kopf.

 Graeculus meinte dazu am 21.05.24 um 00:25:
Bei "Carmen" könnten wir uns treffen - wobei die Geschichte ja auf einem guten literarischen Werk beruht.

 Graeculus meinte dazu am 21.05.24 um 00:28:
Bei "Boris Godunow" ist mein Herz. Aber sowas von!
Und wieso nimmst Du an, daß Literatur bei mir primär über den Kopf geht? Mein Herz ist nur nicht so leicht ... erreichbar, nicht für jede hausbackene Geschichte.

 Graeculus meinte dazu am 21.05.24 um 00:29:
(lugarex wird nicht schlecht staunen, wenn er später den Kommentarstrang zu seinem Text liest.)

 Mondscheinsonate meinte dazu am 21.05.24 um 00:29:
Au weia...

 Graeculus meinte dazu am 21.05.24 um 00:29:
?

 Mondscheinsonate meinte dazu am 21.05.24 um 00:30:
MUSIK, Graeculus, MUSIK!

 Graeculus meinte dazu am 21.05.24 um 00:39:
Es wird in der Oper ja gesungen, und beim Singen kommen Worte aus dem Mund. Und wenn diese Worte lauten: "Love, love me do / You know I love you / I'll always be true / So please love me do" (um ein Beispiel zu nennen, das flott zur Hand ist), dann ist das für mich disharmonisch, zu welcher Musik auch immer.
Ich glaube, Du wirst der Vokalmusik nicht gerecht.

Deshalb war Bob Dylan solch eine Offenbarung für mich: Die Texte haben auf mich ebenso emotional gewirkt wie die Musik: "My love, she speaks like silence / With no ideals of violence / She doesn't have to say she's faithfull / She's true like ice like fire."

 Mondscheinsonate meinte dazu am 21.05.24 um 00:42:
Hast du schon mal Kinder beobachtet, die verschiedene Sprachen haben? Sich trotzdem wunderbar verstehen? Das ist Oper.

 Graeculus meinte dazu am 21.05.24 um 00:48:
Anscheinend ist Für Dich in der Oper das, was die Menschen mit Worten sagen, nebensächlich, und die Musik selbst wird zur Sprache.

Bei konzertanter/instrumentaler Musik stimme ich Dir da uneingeschränkt zu. Bei Vokalmusik kann ich es nicht.

Gute Nacht, Mondscheinsonate.

 Graeculus meinte dazu am 21.05.24 um 00:49:
Entschuldige, lugarex. Hier sind zwei Leute ins Diskutieren geraten.

 lugarex meinte dazu am 21.05.24 um 08:09:
mir hat es gefallen -- meine Reaktion schläft noch, aber...
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