Aufgespießt

Unverschämtheiten aus Politik, Promiszene und Alltag


Die Kolumne des Teams " Aufgespießt"

Montag, 02. März 2009, 22:56
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Fleiß und Treue -als Belohnung der Fußtritt

von  AlmaMarieSchneider


Angesichts millionenschwerer Steuerhinterziehung und Schmiergeldaffären mutet das Vergehen von Barbara E, einer Supermarktkassiererin, fast unwirklich an.

Sie soll einen Pfandbon im Wert von 1,30 €, den ein Kunde liegen ließ, für sich eingelöst haben. Dafür erhielt sie, nach 31 Jahren Fleiß und Treue, die fristlose Kündigung. Diese fristlose Kündigung wurde vom Gericht in zweiter Instanz bestätigt.

Wäre die Schuld von Barbara E. zweifelsfrei erwiesen, könnte man einem derartigen Urteil noch den Charakter von Recht aber nicht gerecht zuweisen. So aber hinterlässt dieses Urteil ein schlechtes Geschmäckle. Unwillkürlich fragt man sich ob Barbara E. im Namen des Volkes oder im Wohlwollen der Wirtschaft bestraft wurde. Ach ja, kommt nun der Blitz. Es handelt sich ja nicht um Strafrecht sondern um Arbeitsrecht. Hier gilt nicht im Zweifel für den Angeklagten, denn Barbara E. war gar nicht angeklagt. Im Gegenteil, sie hat es gewagt zu klagen und das schon allein genügt um als zerrüttetes Vertrauensverhältnis zu ihren Ungunsten ausgelegt zu werden. Im Strafrecht wäre wohl mangels Beweise ein Freispruch erfolgt.
Die Vermutung liegt nahe, dass Barbara E. die gewerkschaftlich tätig war, der Geschäftsleitung ein Dorn im Auge war und aus dem Weg geräumt werden sollte.
Wäre dies anders, hätte wohl eine Abmahnung genügt. Im Prinzip ist dem Supermarkt kein Schaden entstanden, sondern einem Kunden, der nie gefunden wurde.
Bei Mitarbeitern mit derartig langer Betriebszugehörigkeit ist „Loswerden“ kein leichtes Unterfangen und oft mit unliebsamen Abfindungen verbunden, die wiederum Umsatz und damit Chef-Prämien schmälern. Doch es gibt fertig ausgearbeitete Strategien, wie man langjährige Mitarbeiter mit gutem Ruf billig los wird.

Ein Vorfall wird „geschaffen“ und die fristlose Kündigung ausgestellt. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die angebliche Verfehlung nachgewiesen wird, sondern dass der gute Ruf der Mitarbeiterin angegriffen und das Vertrauensverhältnis, sowie das Verhältnis der Kollegen zu ihr zerrüttet werden.
Selbst wenn ein Gericht die Unrechtmäßigkeit der Kündigung erklärt, hätte Barbara E. keine Chance, ihr Recht auf ihren Arbeitsplatz einzuklagen. Ihr Arbeitgeber würde einfach weitere Kündigungen ausstellen und gegen jede einzelne müsste sie klagen und das durch mehrere Instanzen. Ihr würde schlichtweg die finanzielle Luft ausgehen. Nur als reiche Person kann man im Arbeitsrecht gewinnen.
An die Unabhängigkeit der Richter im Arbeitsrecht mag ich allerdings nicht glauben. Wie kämen sonst derartig unverhältnismäßige Urteile zustande, aber vielleicht wissen sie auch, dass die arme Frau sowieso keine Chance auf ihren Arbeitsplatz hat.
Sie hätte um eine Abfindung klagen sollen. Die wäre vermutlich der Supermarktkette billiger gekommen, als dass jetzt viele Kunden aus Protest einen Bogen um diese Läden machen.

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Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag

wortverdreher (36)
(03.03.09)
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 AlmaMarieSchneider (03.03.09)
Ich bin froh, daß es noch jemand gibt, der in diesem Lande tatsächlich glaubt, daß dies hier noch ein Rechtsstaat ist, aber das behaupten ja viele Diktaturen auch von sich. Wobei geltendes Recht nichts mit "gerecht" oder gar Menschlichkeit zu tun haben muß. Auch Mord wurde schon legalisiert.

 AndreasG (03.03.09)
Selbstverständlich ist Deutschland "noch" ein Rechtsstaat, denn das bedeutet ja eben nicht nach Gerechtigkeit zu urteilen, sondern nach definierten Gesetzen. Sobald die Gerechtigkeit ins Spiel kommt, ist die Willkür und die Diktatur nicht weit.
Das Problem ist, dass es gegen so manches "Vergehen" keine Gesetze gibt (oder zumindest keine angemessenen) und manch ein Grundsatz noch aus dem Mittelalter stammt. Darum werden Eigentumsdelikte härter verfolgt als Körperverletzungen (Ausnahme: Mord). Deswegen jetzt aber Äpfel mit Birnen zu vergleichen, darf auch nicht sein. Die Mentalität "was die da oben dürfen, das darf ich auch" richtete schon immensen Schaden an und beißt sich in den eigenen Schwanz. - Um in einem Rechtsstaat zu leben, müssen die Menschen sich an die Gesetze halten oder sie ändern, nicht aber nach eigenem Gutdünken mal ignorieren und mal befolgen.
Es tut mir leid um die Kassiererin, leid, dass sie wegen einem dummen Fehler in so einen Schlamassel geriet. Und es tut mir leid, dass die Verantwortlichen für Steuerhinterziehung und Schmiergeldbewegungen nicht angemessenen weg kommen. Nach meinem Gerechtigkeitsempfinden ist das bodenlos unfair, denn bestraft gehört beides.
wupperzeit (58)
(03.03.09)
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