Aufgespießt

Unverschämtheiten aus Politik, Promiszene und Alltag


Die Kolumne des Teams " Aufgespießt"

Dienstag, 27. Dezember 2011, 00:18
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Vom Mitgehen und Abhängen

von  Matthias_B


Im ruhigen öffentlich- rechtlichen Fernsehen der 80er Jahre lief u.a. die Sendung "Souvenirs, Souvenirs" mit dem ehemaligen Schauspieler und Sänger Chris "Heinrick Pumpernickel" Howland. In jener wurden Musikvideos aus den Fünfziger und Sechziger Jahren in voller Länge gezeigt. Zumeist waren diese derart arrangiert, dass die Interpreten im Fokus "in die Kamera sangen". Allerdings gab es ebenfalls Videos mit zum Songinhalt passenden "kleinen Geschichten", vor allem bei Liedern des Hazy Osterwald Sextetts*. Mittels dieser Kolumne wird dessen "Konjunktur- Cha- Cha", der in struktu-greller Hinsicht wohl wenig an Aktualität eingebüßt hat, ins Gedächtnis gerufen.

In die am 17.10.1960 im Kongresssaal im Messegelände von Köln- Deutz aufgenommene Nummer wird unvermittelt imperativisch eingestiegen. Im Video fährt zur Aufforderung "Gehn Sie mit!" eine noble Karosse vor, aus der fünf Mitglieder des Sextetts als Wirtschaftswettermacher im edlen Zwirn mit Regenschirm und Hut aussteigen (der Sechste im Bunde mimt - wie in vielen anderen Clips - den kommentierenden Spaßkeks) und zu anderen Gewinnlern am großen Konferenztisch stoßen.
Die für ein materiell abgesichtertes Dasein nahezu alternativlose Partizipation wird sodann teleologisch begründet, dass "die andern schon dort st[ünd]en und [...] die Creme schon fort[nähmen]", was ebenso mit dem "free lunch" vor zwei Jahren schlamassoziiert werden kann. Auf gleiche Weise "kriegt" man "den inneren Wert" - nämlich "gratis, wenn man Straßenkreuzer fährt". Und die Verantwortung? Gibt´s nur als "Selbsterhaltungstrieb[ s ]"-Ausgabe. Sodann begibt man sich zum Roulette, das zunächst von oben gezeigt wird. Nachdem man von der hohen Warte der Ökonomie Kenntnis genommen hat, werden die einzelnen Akteure als fieberfröhliche Spieler in kosmopolitscher "Hojojoho!"- Laune gezeigt. Der Komiker der Truppe räumt als Croupier hinterher mit einem pampigen "Pinke! Pinke! Pinke!"- Gegiggel die Jetons vom Feld. Sodann wird im Lied die Maxime des Handelns unter der Prämisse der durch ökonomische Frackzwänge evozierten Kurzfristigkeit, mit welcher diverse aktuelle Ankerschnüre scheinbar ebengleich geknüpft werden, betont. Man solle rasch "[seinen] Teil schöpfen", da "die anderen [einen] sonst später ohnehin [schröpfen würden]". Somit lohne es sich trotzdem, "an dieser Uhr [zu] drehen" - das Zeitgeschehen wird in bestimmter Weise beeinflusst, keine Frage. Als erfolgreicher Spekulant beherzt man sicherlich sowieso, "[zu] laufen, wenn´s sein muss, [zu] raufen [...]und dann [zu] verkaufen [...] -mit Konjunkturgewinn". Kurt Feltz, der Texter des Songs, hat ebenso die zündende Idee einer bohlig warmen Anspielung auf die Geschäftigkeit vor, in und nach dem Krieg mit eingewoben. In der zweite Strophe wird trotz Alkoholischem nur so vor Gesundheit gestrotzt, denn sie enthält inhaltlich reichlich Vitamin B. Am Ende bekommt jeder der player fast wie an der Drehtür eines Kaufhauses eine schöne Frau an die Seite gestellt. Das funktioniert in der Epoche der gewollten Gleichberücksichtigung natürlich in den (groß)bürgerlichen Schichten nicht mehr, da heutzutage Frauen Männer aufgrund ihres habituellen "Marktwertes" bezüglich der partnerschaftlichen (In)kompatibilität taxieren. Der hübsch metaphorisch verleimten conclusio des Songs jedoch kann weiterführende Zeitlosigkeit attestiert werden: "Geld, das ist auf dieser Welt der einzge Kitt, der hält - wenn man davon genügend hat."


* Im "Panoptikum" ließen sie u.a. einen Fidel Castro und einen Herrn Nasser "am Wasserhahn" als "Große[ ] [ihrer] Zeit" auftreten. "Folgen Sie mir" und der größte Hit "Kriminaltango" reichen vom Ambiente her an den typischen Edgar- Wallace- Film der späten Fünfziger heran.

Zitiert aus: Hazy Osterwald Sextett - "Konjunktur Cha-Cha"

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Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag


 Dieter_Rotmund (27.12.11)
Es ist unklar, Matthias, was du sagen willst. Dass es schon in dem 1960er so etwas wie "Videoclips" gegeben hat oder dass man in einer albernen Sendung mit seherischen Qualtäten das Verhalten heutiger Manager und Banker vorausgesehen hat? Oder ganz was anderes?
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