Flucht von Zwerghase Hopsi

Fabel zum Thema Märchen

von  franky

Der verschollene Zwerghase Hopsi.
*
Enkelkind Elisabet geht bei jedem Besuch bei Oma als erstes in den Stall und
begrüßt ihre Lieblingshenne Lotte. Es gibt da sonst ja keine mehr, die andern
sind alle gestorben oder im Suppentopf gelandet. Als letzter Gockel ist noch Flatterich.
Elisabet wird von Lotte schon von weitem begrüßt. Elisabet nimmt Lotte zu sich
auf den Arm und hält ihre roten Wangen an Lottes Schnabel und weichen
Federnkopf. Die Henne wollte Elisabet schon lange was erzählen, doch die
Hühnersprache ist für Menschen nicht verständlich.
Lotte gluckst Lisi ins Ohr, dass der Zwerghase schon längere Zeit eine Flucht
planet.
Elisabet kann mit bestem Willen nichts verstehen.
Zwerghase Hopsi kann so kunstvolle Haken schlagen und über Sträucher hopsen
oder unter Zäune hindurch schlüpfen.
Oma hat da keine Chance, den kleinen geschwinden Spring- ins-Feld zu fangen, um
ihn abends in den schützenden Stall zu sperren. Die Füchse aus dem nahem Wald
hätten viel zu gerne so einen zarten Hasenbraten zwischen ihren scharfen Zähnen
und in ihren hungrigen Mägen gestopft. Schließlich gelingt es Oma Trude doch
den flinken Schlingel zu fangen und in den Stall in das weiche Heu zu schupsen!
Wenn Hopsi und Lotte am Abend vorm Einschlafen alleine im Stall sich im Heu
noch ihre Nachtgeschichtchen erzählen, muss Hopsi immer wieder seinen
Fluchtplan austüfteln und von Lotte begutachten lassen.
Lotte hatte da ihre Bedenken:
„Wie kannst du über so viele Zäune und Sträucher und über so viele Flüsse und
vor den Autos unbeschädigt durch die fremde Welt hopsen, ohne verletzt zu werden?
Ich hätte da viel zu viel Angst!“ Hopsi wackelt nur stolz mit seinem
flauschigen Köpfchen, dass seine langen Ohren nur so durch die Luft fliegen.
Angst kennt der junge spritzige Hase überhaupt nicht, er ist doch kein „Angsthase“.
Lotte gibt auch zu bedenken: „Wer wird dir jeden Tag die Milch und das
Futter bringen, wenn du auf weiter Wiese und Wald mutterseelenallein
herumirrst?“ Darüber macht Hopsi sich nicht die mindesten Sorgen - die Freiheit
ist ihm viel wichtiger als Essen und Trinken. Hühnchen Lotte ist darüber sehr
traurig, weil ihre Sorgen bei Hopsi nicht ernst genommen werden. Die Augen
von Hopsi sprühten vor Unternehmungslust! Lotte will es nun ihrer Freundin
Elisabet erzählen, doch die kann ihre Sprache nicht verstehen und das bringt
Lotte in eine tiefe Depression. Enkelkind Elisabet kommt in den Stall und sieht, wie
Lotte ganz traurig in einer Ecke hockt und keinen Pieps machen will.
Elisabet hebt sie auf und streichelt Lotte über ihre seidigen Federn, sie schmiegt ihre
Wangen an Lottes Köpfchen. Das Huhn gackert ein paar Worte, doch Elisabet
kann sie mit bestem Willen nicht verstehen. Lotte aber versteht Elisabet gut,
wenn diese zu ihr liebe Worte spricht.
So nimmt das Unglück seinen Lauf.
Oma öffnet am Morgen die Türe des Stalles und stellt, wie jeden Tag, Milch und
Körner für Hopsi und Lotte hin. Hopsi sieht sich den schönen blauen Himmel an und
zwinkert zu Lotte: „Heute werde ich es wagen!“ Lotte bleibt ein Körnchen vor
Schreck im Halse stecken, dabei rennen ihr zwei Hühnertränlein aus den kleinen
Hühneräuglein. Hopsi klopft schon nervös mit seinen
Hinterläufen.
Lotte verkriecht sich im Stall, sie will nicht zusehen, wie Hopsi für immer von ihr
Abschied nehmen will.
Hopsi hockt noch ein paar Minuten ruhig und überlegt, wo er seine Reise
beginnen soll. Der nahe Waldrand scheint ihm nicht so interessant, da wäre die
grüne Wiese mit den vielen Bäumen, Zäunen und Schafen von Onkel Franz schon
viel einladender. Erst hopst er ein paar unauffällige Runden vor dem Haus von
Oma Trude, bis er den Weg über die Wiese in`s Tal einschlägt. Vor Hunden,
Menschen und Katzen hatte der pfiffige Zwerghase überhaupt keine Angst, da ist
er mit seinen blitzschnellen Haken im Vorteil, damit hat er Oma in der Vergangenheit
auch schon zur Verzweiflung gebracht. Hopsi macht eine kleine Pause
und sieht sich um, ob da niemand hinter ihm her ist. Er kann jedoch weit und breit
nichts Auffälliges erkennen. Der Weg führt ihn weiter über Strassen und Wege.
Dann hopste er unerwartet zwischen die vielen Schafen von Onkel Franz.
Die kennt er aber auch schon zur Genüge. Diese wolligen weichen Tiere haben
nicht viel Interesse für seine kunstvollen Haken und die anderen Sprünge.
So zieht er sorglos weiter. Dazwischen frißt Hopsi von saftigen Gräsern und Blättern.
„Was wird wohl Hühnchen Lotte machen? Wird sie sehr traurig sein?“ Gute Freunde
sind immer traurig, wenn sie einen Freund verlieren, davon war Lotte überzeugt.
Und, dass sie Hopsi nie wieder sehen würde. Der aber streicht flink über Wiesen
und Felder. Ein riesiger Hund hat Hopsi erblickt und stürmt mit Höllengebelle auf ihn los.
Doch für Hopsi ist dies überhaupt kein Problem! Hopsi hüpft vor dem heranstürmenden
Hund ein Weilchen her und als der Hund zuschnappen will,
schlägt Hopsi seine berümten Haken und der Hund rennt ins Leere.
Als der Hund seine Geschwindigkeit auf Null herunterbremst, ist Hopsi schon längst
aus seinem Gesichtsfeld und über alle Hügel.
Mißmutig kehrt der Hund zu seinem Herrchen zurück. Der schimpft laut, warum
er so unfolgsam einfach davon gerannt sei. Den Grund kann der Hund nicht erklären,
so blieb Hopsi unentdeckt. Die Sonne scheint immer noch und Hopsi kann das Haus von
Oma Trude oben am Berg, ganz klein in der Entfernung
erkennen. Dorthin will er sowieso nicht mehr zurück! Da versperrte Hopsi ein
nicht einkalkuliertes Hindernis den Weg. Es ist der
unscheinbare Wasserkanal
für das Elektrizitätswerk. Hopsi überlegt:  „Hinüberhüpfen wäre zu weit und zu
gefährlich. Schwimmen ist nicht so mein Lieblingssport!“ Die alte Holzbrücke aber
macht Hopsi das Überqueren möglich.
Inzwischen ist Elisabet zur Oma auf einen kurzen Besuch gekommen und stellt
fest, dass Hopsi nirgends zu finden ist. Sie sucht die nähere Umgebung des Hauses
ab und stellt dann die Suche ein. Lotte hat sie im Stall besucht, die Henne will
nicht aus dem Stall! Elisabet trägt sie in's Freie. Traurig läßt
Lotte ihren Kopf hängen. Elisabet spricht mit ihr und fragt, was sie denn habe?
Lotte könnte ihr alles erzählen, doch die Hühnersprache kann Elisabet ja nicht
verstehen. Als es Abend wird und Hopsi immer noch nicht zum Vorschein kommt,
machten sich Oma, Elisabet und Opa auf eine verzweifelte Suche. Das Wetter
verschlechtert sich und Regen setzt ein. Dazu bläst ein kalter Wind.
Die drei Personen suchen alle Wiesen und Büsche ab. Am Wegesrand suchen
sie zwischen Stauden und Steinen, wo sich Hopsi vielleicht verkrochen haben
könnte. Dabei rufen sie immer wieder seinen Namen: Hopsi! Hopsi! Aber nichts
rührt sich auf den Wiesen und zwischen den Sträuchern.

Als die Dunkelheit hereinbricht stellten sie traurig die Suche ein.
Hopsi ist aber immer noch auf dem Weg, erst als er vor lauter Dunkelheit seine Pfoten
nicht mehr vor den Augen sehen kann, beginnt er sich nach einen Schlafplatz
umzusehen. Da sehnt er sich zum ersten Mal nach seinem Stall bei Oma zurück.
Milch hat er auch den ganzen Tag über keine bekommen. Hasenmüde verkriecht er
sich unter einem Holzstapel, der schützt ihn vor Regen und Kälte. Dort
schliäft er tief und fest. Er träumt von Hühnchen Lotte und Elisabet und Oma
Trude. Doch die sind unverrichteter Dinge tief betrübt zu ihrem Haus an dem
Waldrand zurückgekehrt und haben sich zu Bett begeben, um Morgen wieder weiter nach
Hopsi zu suchen.
Hopsi wurde am nächsten Tag von einem seltsamen Geräusch geweckt.
Ein lauter Motor und laute Stimmen von Männern, die den Holzstapel auf ein Lastauto
laden wollen. Da muß sich Hopsi rasch aus dem Staub machen. Ohne Frühstück,
ohne Milch und Körner, mit knurrendem Magen setzt Hopsi seinen Weg fort. Heute
ist seine Laune nicht mehr so euphorisch wie gestern, als er sich auf den
abenteuerlichen Weg gemacht hatte. Heute sind seine Sprünge nicht mehr so hoch und
seine Haken nicht mehr so eckig, da hätte ihn ein Hund vielleicht rascher
erwischen können.

Plötzlich steht er vor einer breiten Strasse! Die Autos
flitzen mit hohem Tempo an Hopsi vorbei. „Wie komme ich da hinüber?“ Wegen
Hopsi bleibt niemand stehen, da muß er eine Lücke finden, um zwischen den Autos
auf die andere Straßenseite zu kommen. Das Wetter ist immer noch schlecht, der
Regen spritzt Hopsi in die Augen, er kann nicht gut sehen. Das ist sein Pech!
Hopsi denkt: „Jetzt hüpfe ich über diese Straße!“
Das waren seine letzten Gedanken, denn Augenblicke später fliegt Hopsi, von einem
Auto gestreift, im hohem Bogen auf eine Wiese, wo er leblos liegen bleibg. Der
Fahrer wollte noch ausweichen, es war jedoch zu spät!
Solche tote Tiere findet man sehr oft am Strassenrand, es muß nicht immer ein
Hopsi sein, es kann auch ein verlaufenes Kätzchen oder ein verirrter Igel sein.
Oma, Opa und Elisabet setzen nächsten Morgen die Suche fort, doch von Hopsi
ist weit und breit nichts zu sehen, keine Spur. Sie suchen nochmals alle
näheren un weiteren Wege und Wiesen ab, auch bei den Schafen von Onkel Franz
ist Hopsi nicht zu finden. So bleibt der Zwerghase Hopsi nur mehr in der
Erinnerung von Elisabet und Oma vorhanden. Aber am traurigsten ist Hühnchen
Lotte. Sie hätte Hopsi retten können, doch dafür müssten die Menschen die
Sprache der Hühner erlernen. Wie soll das geschehen, wo sie sich nicht mal
untereinander verstehen und sich täglich gegenseitig vor Hass ins Unglück stürzen?
Hopsi wird im Zwerghasenhimmel auf unsere Welt niederschauen.
Er hat dort schöne weite Wiesen, um seine Haken schlagen zu können.
Wenn das Christkind in den nächsten Tagen unterwegs sein wird, dann könnte es
ja fragen, ob es ihn nicht auf eine Fahrt zu Oma Trude mitnehmen könnte...

© by F. J. Puschnik

*


Anmerkung von franky:

Es ist was Wahres an dieser Geschichte.

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Kommentare zu diesem Text

Nunny (73)
(24.11.06)
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 franky meinte dazu am 24.11.06:
Hallo liebe Gisela
rasch noch vielen dank für deinen engagierten kommentar.
durch die übertriebene verbauung, wird den tieren jeder beweggungsraum genommen und sie geraten oft unter die räder.
liebe grüsse und schönes wochenende Franky:-)
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