Schattenmädchen

Gedicht zum Thema Alltag

von  unangepasste

Da ist er wieder, einer dieser Momente,
in denen rechts das Licht brennt
und sie nach links rennt,
an den Ort, wo Dunkelheit
Kommoden und Stühle und Bücher verschluckt,
wo sie allein ist und nichts sieht
und dennoch verbissen sucht.
Wie ein Nachtfalter an die Glühbirne prallt,
immer und immer wieder,
verzweifelt flattert
und sich am Ende die Flügel verbrennt,
erschaudert sie in der klammen Kälte der Nacht.

Nichts ist Vergangenheit. Alles ruht in ihr.
Vergangenheit ist Gegenwart,
wie der Mond über der Erde
immer anwesend ist,
wacht,
manchmal verschleiert hinter Wolken,
unscheinbar verblasst.

Doch immer wieder bricht er hell hervor.
Ihr Puppenspieler ist er,
sie die Marionette.

In diesen Momenten,
rennt sie in die Dunkelheit,
die auch sie verschluckt.

Schattenmädchen wird sie dann.

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Kommentare zu diesem Text


 Alpha (20.11.04)
Es lässt sich sehr prosaisch lesen, weswegen ich es vielleicht als "Prosagedicht" umändern würde. Aber ok, abgesehen davon - der Text übt eine besondere Wirkung aus. Ich kann es schlecht erklären. Er überzeugt mich nicht lyrisch, aber gedanklich.
urbinia (49)
(20.11.04)
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 Mondsichel (21.11.04)
Dieses Gedicht gefällt mir doch sehr... es erinnert mich an die verletzliche Seele die nicht zu viel Licht an sich heranlassen will. Die ihren inneren Schmerz lieber verdrängt und im Dunkel den Schutz sucht, den ihr blanke Seele längt verloren hat... Ein sehr schönes Gedicht, wundervoll! :)
DerAutor (42)
(17.01.11)
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 Dieter Wal (20.08.13)
In Pinocchio wird eine Marionette zunächst lebendig, später ein richtiger Junge. Hoffentlich kann ich das Buch bald unserer Tochter vorlesen. Momentan noch etwas zu hochsprachlich für sie. Und wie erging es dem lyrI mittlerweile in Sachen Puppenspielerempanzipation? :)

 unangepasste meinte dazu am 21.08.13:
Da muss ich mal nachfragen. Vielleicht antwortet es mir in einem Gedicht. Ich denke, so ähnlich wie Pinocchio, allerdings entdeckt es manchmal noch Fäden an den Gliedmaßen, die so durchsichtig sind, dass es sie kaum wahrnimmt - das könnte die erste Strophe ergeben.

 unangepasste antwortete darauf am 17.09.13:
Das lyrische Ich hat jetzt eine Antwort geschrieben:-) Ist in ein paar Tagen online.

 Dieter Wal schrieb daraufhin am 22.12.13:
Anbetungswürdig. :)

 Dieter Wal äußerte darauf am 04.01.14:
"Doch immer wieder bricht er hell hervor.
Ein Puppenspieler von ihr,
der Marionette.

Das sind Momente,
in denen sie dorthin rennt,
wo die Dunkelheit auch sie verschluckt.

Schattenmädchen wird sie dann."

Fremdgesteuertheit dürfte sich unangenehm anfühlen. Nach allem, das ich bisher vom lyrI darüber las, ist es ihr Grundmotiv im Leben. Zwar schreibt sie wirklich beknienswürdige Gedichte darüber, das Phänomen wirkt tragisch. Die Tragik wäre keine, wenn die richtigen Spezialisten eine faktisch zutreffende Diagnose erstellten und wissen ließen, was daran unbehandelbar, und was in welcher Form therapiefähig wäre. Es steht dahinter die Frage, ob das lyrI trotz ihrer Ängste von Fremdgesteuertsein die Einsicht findet, sich von berufenen Experten helfen zu lassen oder nicht. Auch Mundhygiene würde unwahrscheinlicherweise von selbst ideal, wenn kein Zahnarzt beteiligt wäre.
Apollonia (31)
(22.12.13)
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BellisParennis (49)
(30.12.13)
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managarm (57)
(29.03.15)
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 unangepasste ergänzte dazu am 29.03.15:
Danke für deinen Kommentar zu diesem alten Text. Er war mein erster Versuch auf KV - dass das schon 11 Jahre her ist, kann ich kaum glauben. Freut mich, dass er dir gefällt.

 Xenia (21.12.16)
so zart und verletzend.

 unangepasste meinte dazu am 21.12.16:
Vielen Dank! So lange her, dieser Text - erstaunlich, dass er noch gelesen wird.
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