Drei Schwestern

Naturgedicht zum Thema Meer

von  Erebus

Seit Stunden flaut der Wind. Vom Himmel drückt
der starre Grind, die Buckelhaut der Wolken.
Die See aus Tran ist ausgegossen, glatt.
Es hat ein dumpfer Wahn die Welt entrückt
und alle Gunst vertan und ausgemolken.

Aus einem Schlot quält sich der fette Rauch,
er legt sich ölig über Kran und Sprosse.
Die Rose dräut, der Ozean ist matt,
er schläft ganz sanft, er hebt und senkt den Bauch
und wie im Traume zuckt er mit der Flosse.

Da teilen sich die Fluten zum Geschick
des Frachters und der Mannschaft herzueilen;
drei Schwestern ruhten tief, doch nimmer satt,
im Meer, die jagen nun mit grauem Blick
daher und nichts kann ihr Verlangen heilen.

Die erste hebt das Haupt und wölbt zum Kuss
die Lippen, muss, um sich begehrt zu fühlen,
die Seelen rühren, die an ihrer statt
ein Ende spüren, muss im Speichelfluss
der kalten Zunge in den Wanten wühlen.

Die zweite eilt mit nackter Brust herbei,
von schaumbeflockten Zähnen tropft der Geifer.
Sie speit auf Süll und Schanz, durch jedes Gatt,
sie presst den feuchten Busen ins Geschrei
von Mann und Maat, und maßlos ist ihr Eifer.

Die dritte steht, bis an die Hüfte bloß,
sie weitet - um dem Schiff das Los zu wählen -
im kalten Fleisch die letzte Ruhestatt:
dem stählernen Gekreisch den nassen Schoß.
Und zwingt den alten Kahn, sich zu vermählen.

Seit Tagen flaut der Wind. Die See ist leer,
der Himmel hohl und schwer und ohne Zeichen.
Doch gestern war ein guter Tag im Watt.
Es kamen Schwestern, brachten übers Meer
den Krabben reiche Fracht und frische Leichen.

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Kommentare zu diesem Text

scalidoro (58)
(08.01.08)
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 Erebus meinte dazu am 22.01.08:
Hallo Scalidoro - danke schön! LG Ulrich

 Isaban (15.02.08)
Gut ist es und grauenhaft ist es, hat den Grusel, den kein Horrorfilm erreichen kann, erzählt in Bildern, die sich im Kopf des Lesers ausbreiten, bis er sich jedes Detail ausmalen kann. Interessant hierbei, dass es sich wie die Rache der Meeresbewohner liest, die gefangen werden, um uns zur Nahrung zu dienen und die in diesem Falle am Ende den Krabben Mahlzeit sind.

Das Reimschema ist kunstvoll und gelungen, a-b-c-a-b, wobei sich die C-Verse strophenübergreifend reimen, gefällt mir. Nicht ganz so geschickt an dieser Stelle wirkt vielleicht der Reim statt/Ruhestatt.

"Die Rose dräut", damit kann ich jetzt nicht ganz so viel anfangen, mir fehlt die Assoziation zur Bedrohung durch die (welche?) Rose.

"sie speit...durch jedes Gatt" Hm, wieso durch jedes Gatt? Ich kenne diesen Ausdruck nur als Bezeichnung für ein Handelsabkommen, in diesem Falle würde ich da anstelle des "durch" auch lieber ein "auf" lesen, selbst wenn sich das Wörtchen dann aufzählend doppelt.

von Mann und Maat, und maßlos ist ihr Eifer. hier (rein subjektiv und nur zur Anregung) würde mir eventuell, wegen der durch den feuchten Busen entstehenden Assoziation einer "Stillbrust" , ein "erstickend ist ihr Eifer" besser gefallen.

Wie gesagt, es gefällt mir sehr gut, Uli.
Ein Gedicht, das man im Kopf behält.

Liebe Grüße,
Sabine
kyl (57) antwortete darauf am 15.02.08:
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 Erebus schrieb daraufhin am 16.02.08:
Liebe Sabine,

herzlichen Dank für Deinen wohlwollenden Kommentar. Solche Erzählgedichte mache ich ja nicht all zu oft, da freut es mich um so mehr, wenn es gelingt.

statt/Ruhestatt ist gewiß nicht originell, aber da die Brücke über fünf Verse geht, fand ich es nicht allzu auffällig. Schwerer wog aber noch, das es nach meiner Recherche nicht all zu viele "att" - Reime gibt.

Kyl erläutert ganz treffend, im einen Fall sollte es die KompassRose/WindRose sein, mir gefiel es sehr an dieser Stelle mit der "Rose" zu arbeiten. Zum anderen ist "Gatt" im norddeutschen, kann sein auch skandinavischen die Bezeichnung für Loch, und am Schiff gibt es die "Speigatte", wenn es anstelle einer Reling eine geschlossene Brustwehr hat. Das sind dann die Löcher, durch die das Wasser bei schwerer See von Bord abfließen soll.

Den maßlosen Eifer belasse ich, auch wenn ich Deinen Vorschlag für absolut überlegenswert halt und mit dem Gedanken spielte, ihm zu folgen. Denn so erhalte ich mir die gedankliche Zäsur im Vers, was etwas mehr Wellengang hat. "erstickend ist ihr Eifer" bringt für mein Empfinden mehr Ruhe.
___________________

Hallo kay ,
danke für die Aufklärung!



liebe Grüße
Uli
kyl (57) äußerte darauf am 16.02.08:
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