Gleis 2

Kurzgedicht zum Thema Bahnhof

von  Isaban

Gleich nach dem Abschied
fing es an zu regnen.
Du weißt,
dass jedes Ende so beginnt.
Das Himmlische verrinnt, verrinnt
und auf dem Rückweg liegen
Stoppelfelder, die dir zuvor
nie aufgefallen sind.

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Kommentare zu diesem Text


 Ingmar (24.09.08)
was wäre, wenn
"Das Himmlische verrinnt, verrinnt
und"
fehlte?

wenn, dann gefiele es mir noch besser.
und es gefällt mir sehr, was du da geschrieben hast, sabine: einen eindringlichen, dabei dennoch schön coolen tonfall hat diese stimme.

gruss,
ingmar
kontext (32) meinte dazu am 24.09.08:
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 Ingmar antwortete darauf am 24.09.08:
meinst, meike?

Gleis 2

Gleich nach dem Abschied
fing es an zu regnen.
Du weißt,
dass jedes Ende so beginnt.
Auf dem Rückweg liegen
Stoppelfelder, die dir zuvor
nie aufgefallen sind.

Also, ich höre da den Zug sehr wohl rauschen, weit ins Ferne...

ingmar
kontext (32) schrieb daraufhin am 24.09.08:
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 Isaban äußerte darauf am 24.09.08:
Hallo, ihr beiden!
Meike hat recht. Würde ich dem Gedicht diesen Vers nehmen, würde ich ihm nicht nur die i-Regentropfenklangmalerei und das innnnnnnt-Verrauschen des Zuges nehmen, ich würde ihm auch Melodie nehmen, das Getragene, das Klagende, den durch diese Wortwiederholung und den verrinnt/sind -Reim eingebauten Blues, eben das, was phonetisch im Kopf nachhallt und verbleibt, wenn die Worte schon gesprochen sind, wenn der Zug bildlich schon abgefahren ist.
Bei deinem Vorschlag, Ingmar, steht V5 im Trochäus, Metrik und Satzmelodie werden so vorzeitig gebrochen, was sich zwar dann inhaltlich durch den "Rückweg" erklären ließe, aber es würde dem Gedicht nicht nur oben genannte Komponente nehmen, sondern auch noch die "entgleisten" Stoppelfelder, die in meiner Fassung absichtlich aus der Zeile springen, um einen Vers tiefer einen Bruch in der gewohnten Sicht zu schaffen (also bildlich aufzufallen) ihrer Sonderstellung berauben.
Eure Anregungen und die Diskussion haben mich sehr gefreut, nicht nur, weil ich so Gelegenheit bekam, einmal Arbeitsweise und an dieser Stelle vorhandene stilistische Mittel zu erläutern, auch, weil ich so noch einmal für mich selbst gründlich hinterfragen konnte, was ich dort "fabriziert" habe und ob die angewendeten stilistischen Mittel wirklich angemessen sind.
Herzlichen Dank dafür.

Liebe Grüße,
Sabine
Caty (71)
(24.09.08)
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 Mondgold ergänzte dazu am 24.09.08:
Nachdem "gleich nach dem Abschied fing es an" eine eigene und vielschichtigere Botschaft beinhaltet, denke ich, dass diese Satzstellung, da sie Ambivalenz zuläßt, ein gelungener Schachzug ist.... nur so mein Empfinden

 Isaban meinte dazu am 24.09.08:
Warum sollte das besseres Deutsch sein, liebe Caty?

"Es fing an zu regnen" ist grammatikalisch korrekt und entspricht dem üblichen (nicht nur hiesigem) Sprachgebrauch. Metrisch kämen beide Fassungen in Frage und an einen Reim ist dieser Vers nicht gebunden, aber deine "bessere Deutschfassung" würde in meinen Ohren etwas künstlich und zu betont lyrisch klingen und somit dem Gedicht das leise gleichzeitig Tragische-und-doch-so-Normale nehmen, auf das es aufbaut.
Hab dennoch vielen Dank für deine Rückmeldung und die Anregung, die auf jeden Fall überdenkenswert war und auch für deine Empfehlung.

Liebe Grüße,
Sabine

@ Mondgold
Entschuldige, wir schrieben anscheinend gleichzeitig, daher das Edit.

Ja, du hast recht. Nach meinem Empfinden wird durch das nachgestellte "an" die Betonung, die Aufmerksamkeit zu sehr vom Abschied auf den Zeitpunkt, an dem der Regen anfing verschoben. Natürlich ist der Regen und das Zeitgleiche hier auch wichtig, aber es ist der Abschied, der ins Auge stechen und in diesem Falle assoziativ fast wie der Auslöser des Regens wirken sollte, eine Wirkung, die verloren geht, wenn das Einsetzen des Regens hier stärker betont wird, als der Abschied.

Vielen Dank für deine Auseinandersetzung mit meinem Text. Ich freue mich, dass du diese Textzeile so analysieren mochtest.

Liebe Grüße,
Sabine
(Antwort korrigiert am 24.09.2008)
Caty (71) meinte dazu am 24.09.08:
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 Isaban meinte dazu am 24.09.08:
Ach, bei euch ist es geläufiger zu sagen "Es fängt zu regnen an"? Seltsam. Muss wohl mal wieder am Kohlenpott liegen. Hier fängt es an zu regnen und kein Mensch findet "es fängt zu regnen an" richtiger - nur umständlicher.

Liebe Caty, du kennst aber schon den Unterschied zwischen einem Gedicht, das sich des normalen Sprachgebrauchs bedient und einem, das unnötig unnatürlich und gestelzt klingt, nur weil der Schreiber sich einbildet, er müsse krampfhaft betont "lyrisch" schreiben, gelle?
(Antwort korrigiert am 24.09.2008)
janna (60) meinte dazu am 24.09.08:
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 styraxx (24.09.08)
Ein Anfang vom Ende: Ich finde es gut, so wie es ist, das Gedicht. Ich mag Bahnhöfe und das Ganze drum herum. Abschiede natürlich weniger. Für mich sind Bahnhöfe, ob kleine oder grosse, gewissermassen Null-Orte.

Grüsse in den Tag c.

 Isaban meinte dazu am 24.09.08:
Eine gute Bezeichnung. Mir sind sie meist suspekt, weil sie zum einen natürlich mit Abschied verknüpft sind, zum anderen, weil die großen hier in der Gegend immer wahnsinnig schmutzig, kaugummiverklebt, rußgeschwärzt, verpackungsmüllig, taubenverkackt und laut sind - und weil es abends da so düster ist und sich die Gestalten, die man dort trifft der Beleuchtung anpassen - oder aus noch unheimlicher aussehenden Security-Uniformierten bestehen.

Herzlichen Dank für deine Rückmeldung, Cornel.
Liebe Grüße,
Sabine
(Antwort korrigiert am 24.09.2008)

 AZU20 (24.09.08)
Abschied sehr gut eingefangen. Vor allem die letzten Zeilen haben es mir angetan. Über das verrinnt kann man streiten. LG

 Isaban meinte dazu am 24.09.08:
Es freut mich, dass dir das Gedicht zumindest partiell gut gefällt, lieber Armin.
Vielen Dank für deine Rückmeldung.
Liebe Grüße,
Sabine

 Hans (24.09.08)
Ein großes Gedicht zu einem traurigen Thema. Schluchz !

 Isaban meinte dazu am 24.09.08:
Och, nicht doch Hans, im nächsten Sommer leuchten die Weizenfelder wieder.
Herzlichen Dank für deine Rückmeldung
und liebe Grüße,
Sabine
Caterina (46)
(24.09.08)
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 sandfarben (29.07.16)
Sehr fein verdichtet.
christa
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