1. Die Ankunft – Sorry, Kids, aber da kommt was auf euch zu [Auftakt]

Schundroman

von  DIE7

„Verfluchter Nebel!“ Fynn Lander hatte die Nase gestrichen voll. Wieder so eine Nacht. Das ging nun schon seit Wochen so. Kaum zwei Tage, nachdem er mit seiner „Sinterklaas“ am 29. März 1877 von diesem unbedeutenden Südseearchipel in See gestochen war, hüllte dieser unwirkliche, milchige Schleier Schiff und Besatzung ein, legte sich aufs Meer und riss, seltsam genug, nicht einmal auf, wenn eine frische Brise die Brigg zügig durch den Ozean pflügen ließ.

In Fynn Landers Augen hatte schon das Wasser aller Waschgänge ihn und die Welt gewaschen, nichts schien diese blauen Strahler mehr erschüttern zu können. Auch jetzt, wo sie sich durch den Nebel zu bohren suchten – ihr Ziel konnte nicht mehr weit sein.

Fynn Lander war froh, diesen Trip bald hinter sich zu wissen. Ein wenig seltsam waren sie schon, die „Ladung“, etliche schwere Kisten aus einem merkwürdig leicht wirkenden Metall, die ihm der kauzige Professor und der Narbengesichtige anvertraut hatten, und die sie begleitenden Passagiere - „fürs Völkerkundemuseum – Festredner, Ehrengäste“. Seit die an Bord gekommen waren, hatte er die nicht mehr zu Gesicht bekommen, diese „Tschackalackas“, wie der Professor sie vorgestellt hatte. Feingliedrige, milchweiße Gestalten mit großen, nahezu schwarzen Augen in eigentlich viel zu groß dimensionierten, pflaumenartigen Schädeln. Wortlos waren sie an ihm vorüber geglitten und im Laderaum verschwunden, alle sieben, und nur ihr Chef hatte innegehalten und ihm die Hand zur Begrüßung gereicht. Das Kribbeln, das ihn dabei durchströmte, hatte er noch bis heute Morgen gefühlt, jetzt ließ es endlich nach.

Wurde auch Zeit, dass diese Reise ein Ende nahm. Die Mannschaft, kauzige, abergläubische Matrosen aus aller Herren Länder, wurde allmählich unruhig. Landers rieb sich Nacht und Nebel aus den Augen, als sie endlich das lange vermisste Leuchtfeuer ihres Heimathafens ausgemacht hatten, nun glitt die Brigg auf die Kais zu, die Hafenarbeiter dort schienen noch mitten in der Nacht geschäftig zu sein. Fackelläufer rannten – so konnte Fynn durch Nebel und Dunkel ausmachen, mit unglaublicher Geschwindigkeit und, noch seltsamer, immer paarweise zu Dutzenden am Ufer entlang. Grelle Fackeln waren das, weißes Feuer, das trotz des Tempos erstaunlich ruhig und gleichmäßig abbrannte. „Läutet die Glocke! Oder wollt ihr es auf eine Havarie ankommen lassen?“ Doch ganz gleich, wie sich der Schiffsjunge die Schiffsglocke auch bemühte, der Nebel schliff alles zu einem dünnen Bimmeln.

Der Steuermanns-Maat stand am Bugspriet und hielt ebenfalls Ausschau, Larsson am Steuer rief: „Wir sind wohl die einzigen, Käpt’n Lander, die jetzt noch unterwegs sind. Wird auch Zeit für ’n büschähn Weihnacht, oder?“

TTUTT – TUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUT – TTUTT !!!

„Käpt’n! Was’n DAS? AAAAArgh!!!“

Fynn Lander fuhr zusammen. Noch nie hatte er ein Signalhorn mit solcher Lautstärke gehört – zu solch einem Getöse musste Gigant von Schiff gehören – und der lag unmittelbar backbord voraus und blies ihm aus Kirchturmhöhe herab den Steuermannsmaat vom Bugspriet weg ins kalte Wasser.
„Larsson! Mann über Bord! Hast du das …“ Landers fuhr herum und erstarrte: Sein Steuermann zerfiel zu Staub! Wie Asche rieselte ihm das Fleisch von den Knochen, die haltlos in sich zusammenfielen und über das Deck polterten. Ein riesiges Stück Takelage krachte neben Fynn aufs Deck und durchschlug es, als wären die Planken mit einem Mal mürbe geworden.

„Wir wären dann soweit, Herr Kapitän!“ eine kleine weiße Hand zupfte an Fynns Rockschoß, und da standen sie - alle sieben Tschackalackas, trugen aufgeblasene orange Schläuche um Hals und Oberärmchen und ein undurchsichtiges Lächeln auf ihren winzigen, dünnen Lippen. „Tschüssi, Fynn Lander! Wir sind dann mal wäch, näch?!“

Sieben plümpsige Plümpserchen plütscherten auf und verplitscherten in der Nacht. Die „Sinterklaas“ zerbröselte wie Schiffszwieback unter Fynn Landers Füßen. Mit einem gewaltigen Satz hechtete er von Bord, tauchte ins kalte Nass und schwamm an Land …

***

Die Telefone im Polizeipräsidium läuteten Sturm. Seit die Meldung zum letzten Leichenfund, dem dritten innerhalb von zwei Tagen, zur Presse durchgedrungen war, bestürmten die Journalisten die Zentrale. Wieder mitten in der City, wieder in der Nähe des Weihnachtsmarktes, wieder dieselben grausigen Umstände, die alle auf einen Serienmörder hinwiesen, der sich wohl zum Ziel gemacht hatte, den Einwohnern dieser Stadt grausigen Schrecken in den Weihnachtstee einzuschenken …

***
Der schwarze Dodge wummerte bedächtig an der Ecke Dolphins Edge/ 39th Street im Standgas. Der im Trenchcoat nestelte die 39er Glock aus dem Schulterholster und schraubte den Schalldämpfer auf. Gleich war es so weit ...

***
„Scha-hatz – wo willst du denn so spät noch hin?“
„Muss los, ist dringend! Bin gleich wieder zurück, so in zwei, drei Stunden, kann nicht lange dauern. Nur – zurzeit ist bei uns die Hölle los!“
„Wann ist es das einmal nicht! Immer dasselbe, suche dir doch endlich einen ruhigeren Job …“
„Wenn du wüsstest …“ hallte es ungehört durch die Dezembernacht, als die Tür KLACK ins Schloss fiel …

***
22:30 Uhr. Die letzte U-Bahn mit Pendlern der Spätschicht fuhr vom Hafen her in die Central-Station ein und schwemmte blasse, müde Gestalten über den Bahnsteig 18 …

***

"Suomen Lappi" lag in tiefem Schlaf. Flechten fochten in aller Stille ums karge Überleben. Aurora borealis. Irgendwo bellte ein Polarfuchs. Ob man es wohl dabei bewenden lassen würde?

DIE7


Anmerkung von DIE7:

Viel Spaß! :) wünscht D7

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text

Lebenslust (63)
(10.12.08)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram