Autoscooter

Erzählung zum Thema Rache

von  Mutter

Auf dem Weg zum Hafen grinse ich immer wieder unruhig. Meine frisch verheilte Haut, der Schorf, der noch übrig ist oder mein Stolz. Ich weiß es nicht – weiß nur: Ich würde gerne kratzen. Den Juckreiz loswerden.
Für einen kurzen Augenblick bin ich versucht, ein weiteres Mal tagsüber in das Büro der Klebe zu marschieren, mal die Eier auf den Tisch zu legen. Hätte die Jungs bestimmt beeindruckt.
Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich schon wieder lotrecht genug stehe. Habe Schiss, das Ganze zu versauen. Und glaube, wie gesagt, nicht daran, dass die das noch mal vermurksen. Lass es lieber.
Ich treibe mich abends an der Elbe rum, in der Nähe des Containerlagers. Bis ich sehe, dass der schwarze Daimler auf den Hof rollt und die Klebe mit seinem Buddy rüber ins Büro geht. Die haben ein mobiles Container-Büro da stehen, wie sie auf dem Bau verwendet werden. Wo dann eine Elektro-Heizung drinsteht, die im Winter hoffungslos überfordert ist und permanent den Kampf gegen die zugigen Fenster verliert.
Die Klebe hat offensichtlich vor, eine Weile zu bleiben- sein Handlanger macht es sich in einem Sessel bequem und schnappt sich eine Zeitschrift. Die Klebe sitzt am Rechner.
Nach einer halben Stunde mache ich mich auf den Weg, meinen Teil des Abendprogramms zu erfüllen.

Klettere hinten über den Zaun, suche mir einen Weg durch die Container, bis ran ans Büro. Ist nicht schwer, da hoch zu klettern. Ich komme mit ausgestreckten Armen bereits bis ans Dach.
Oben bin ich extrem vorsichtig. Ich habe keinen Bock, dass die mich drinnen hören, auf dem hellhörigen Dach. Laufe geduckt am Rand, wo die Streben lang gehen.
Vorne angekommen schaue ich runter in den Hof. Dort steht ein weiterer Wagen, ein dunkelblauer BMW, ansonsten ist nichts zu sehen. Befriedigt will ich mich gerade zurückziehen, als ich etwas im Wagen wahrnehme - einen kleinen Punkt, der kurz aufglüht. Eine Zigarette.
Fuck, man – Corker, du Armleuchter. Wie beschissen fahrlässig. Fast wäre ich da runterspaziert, in dem Glauben, die hocken alle drinnen und schaukeln sich die Eier am Heizstrahler. Dabei sitzt einer von den Flachwischern da unten in der Karre und spielt an sich selber rum.
Während ich noch darüber nachdenke, wie ich den Kerl im Wagen loswerden könnte, höre ich die Tür vom Büro unter mir protestierend quietschen
Vorsichtig vorgebeugt luge ich über die Kante, die Hände auf den Knien. Unten steht Big Olaf, zündet sich gerade eine Kippe an. Nach dem ersten tiefen Zug an der Zichte lässt er sein Zippo metallisch zuschnappen.
Keine Ahnung, ob’s dieses Geräusch ist oder seine Kippe - irgendwas klinkt bei mir aus. Verfickter Flashback!
Ich stehe wieder im Büro der Klebe, halte inne, nach Benzin stinkend. Weiß, was kommt, warte auf den ersten Schlag wie ein Schwein auf der Schlachtbank.
Screw you, Olaf!
Richte mich auf, atme noch mal durch. Ich bin fuckin’ Batman - so sieht’s aus.
Dann springe ich.

Mit beiden Füßen treffe ich Olaf mittig auf dem Stiernacken, stoße ihn hart nach unten. Wir gehen zu Boden - er liegend, ich stehend. Mein Gewicht treibt seinen Oberkörper und die Rübe brutal in den Asphalt und als er aufprallt, springe ich. Rolle mich über die Schulter ab und genieße den feinen Schmerz, der mir durch den Oberkörper und den Arm gleitet. Nichts Dramatisches, nicht so stark, dass es mich behindern würde. Genug, um mich daran zu erinnern, dass ich wieder da bin.
Mit einem bösartigen Grinsen komme ich auf die Beine und laufe in Richtung BMW. Um Olaf muss ich mir vorerst keine Sorgen machen – der ist raus.
Der Typ im Wagen versucht gerade, sich hektisch aus dem Inneren zu befreien. Ich verzögere meinen Lauf, lasse ihm Zeit. Will nicht, dass er drinnen bleibt - anruft oder eine Waffe zieht. Ich will, dass er rauskommt, wo ich ihn erwischen kann. Ihn packen, wie ein Rottweiler.
Gerade richtet er sich draußen auf, löst sich von der Tür, als ich da bin. Springe an ihm hoch, packe mit meinen Händen seinen Schädel und reiße seine verfickte Fresse meinem Knie entgegen. Mit meinem Schwung prallen wir beide gegen den Wagen.
Zur Sicherheit feuere ich im Runterkommen noch eine Linke gegen seine Schläfe. Vollkommen unnötig.
Schief hängt er in der halboffenen Wagentür, aus Nase und Mund läuft Blut.

Gerade als ich mich umwende, um mich um Olaf und den Container zu kümmern, geht dort die Tür auf. Offenbar war ich nicht fledermausig genug. An der Silhouette kann ich nicht erkennen, ob es sich um den Bechermann oder den Raucher handelt. Der Kerl sieht mich und greift sich in die Jacke.
Ich hab’ keinen Bock, gegen eine Knarre anzulaufen und werfe mich in den BMW. Trete den Bewusstlosen aus der Tür und lasse den Motor hochheulen. Noch während der Kerl seine Waffe hochreißt um zu schießen, trete ich aufs Gas, ducke mich tief hinter die Armaturen. Kann er nur auf die Karre schießen – macht er nicht.
Kurz drauf habe ich den Wagen um hundertachtzig gedreht und lasse ihn auf das offene Tor zuspringen. Ballere mit achtzig Sachen auf die Straße und bekomme ihn nach kurzem Schleudern in den Griff. Beschleunige weiter, die Docks entlang. Müsste ich nicht, mir folgt wohl eh keiner, aber es fühlt sich geil an. Sich endlich wieder bewegen.
Als ich wieder hoch muss, weg vom Hafen, Richtung Kiez, drossele ich die Maschine etwas und reihe mich in den abendlichen Verkehr ein. Mich und mein neues Bat-Mobil.

Während ich eine kleine Runde um den Block drehe, um einen Haken zu schlagen, lasse ich meine neue Errungenschaft ein, zwei Mal richtig Auslauf. Vielleicht sollte ich sie ‚Batty’ nennen.
Kurz darauf rolle ich zweihundert Meter vom Import-Export-Gelände entfernt ins absolute Halteverbot. Such mir einen Sender im Autoradio, der mir nicht auf die Nerven geht.
Ich muss knapp eine halbe Stunde warten, bis ich sie sehe.
Nahtlos fädele ich mich in Fluss ein, ein paar Wagen hinter dem Daimler der Klebe. Verkürze nach und nach den Abstand, geduldig. Falle nicht auf.
Dann ergibt sich endlich eine Gelegenheit, an einer Kreuzung. Ich beschleunige, schere hinter dem Wagen aus, fange an zu überholen. Direkt hinter der Kreuzung, noch vor der Parkspur, touchiere ich die Limousine vorne, schiebe sie rüber. Eine Sekunde vorher hat der Bechermann rüber gesehen und die Augen aufgerissen. Keine Ahnung, ob er mich oder den Wagen erkannt hat.
Ich drücke den Daimler aus der Spur, die Klebe will gegenlenken - er hat keine Chance. Dränge ihn soweit rüber, dass er auf die parkenden Wagen aufläuft. Kracht mit Sechzig voll hinten auf. Geschoben wird bei mehreren dicht stehenden Autos nicht viel. Der Daimler verbraucht seine gesamte Knautschzone.
Mit einem Schlag sind sie neben mir weg, und ich lenke gegen, um mich nicht da fest zu fressen. Der BMW streift ein paar der stehenden Wagen, Funken und Außenspiegel sprühen, bevor wir zum Stehen kommen. Hinter mir hupt es, Verwirrung.
Ich blockiere die Spur. Die hinter mir wollen entweder anhalten und helfen, oder rüber und raus in die einzige freie Bahn.
Das Wrack hält die Leute aus meiner Spur raus, die wechseln vorne an der Kreuzung nach links rüber.
Ein Blick zurück über die Schulter, dann prügele ich den Rückwärtsgang rein. Lasse den Wagen nach hinten ziehen, begleitet von Lack, Türgriffen und weiteren Spiegeln. Kurz vor der Kreuzung gehe ich in die Eisen, springe raus.

Langsam gehe ich auf sie zu, durch die Verwirrung, bis ich an dem Wrack stehe. Die Airbags haben ihre Arbeit getan, hängen schlaff und entleert wie nach dem Koitus im Inneren auf den beiden Männern. Die Tür der Klebe steht halb offen und ich zerre sie komplett weg, greife um ihn rum, um den Gurt zu lösen. Wäre gut, mein Einhandmesser zu haben, würde vieles vereinfachen.
Er ist benommen, stöhnt. Ein kleines Rinnsal Blut läuft ihm aus dem Skalp übers Gesicht. Dann habe ich ihn los und zerre ihn aus dem Auto.
Lege mir seinen Arm um die Schulter und hieve ihn mit einem Grunzen hoch.
Mehrere Leute sind da, wollen helfen. Ich trete einen weg, der nach meiner Jacke greifen will. Arbeite mich vor, bis zu dem lädierten BMW, und öffne den Fond. Ich wuchte die Klebe rücksichtslos hinten rein.
Mit einem Blick zurück auf das Chaos wünsche ich mir, ich hätte noch einen Moment Zeit. Einen Augenblick, um den Bechermann zu verarzten. Corker Spezial.
Aber die habe ich nicht. Da stehen zwanzig, dreißig Menschen um die Karre rum.
Ich schlüpfe hinters Steuer und befreie den Wagen, indem ich raus auf die Spur ziehe. Noch ein, zwei Außenspiegel machen sich mit fröhlichem Gruß davon.
Das Bat-Mobil ist schwer mitgenommen, aber voll fahrtüchtig.
Als ich am Wasser entlang fahre, hinter mir die stöhnende Klebe, sehe ich den Crash noch mal kurz vor meinem inneren Auge.
Wie beim Autoscooter – wer da in der Außenbahn gefangen wurde, den hat’s unbarmherzig voll an die Plankung geknallt. Ich erinnere mich, dass die kleine Fiona Fisher mal eine Woche mit Halskrause rumgelaufen ist, nachdem mein Kumpel Darren sie übel im Scooter erwischt hatte.
Ob die Klebe jetzt eine Halskrause bräuchte?


Anmerkung von Mutter:

Teil V von VI

*edit: Thank God for AK 47s ... :D

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Kommentare zu diesem Text

Kitten (36)
(16.02.09)
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 Mutter meinte dazu am 16.02.09:
Der Corker würde in so einem Batman-Kostüm bestimmt auch lecker aussehen ... :D
Kitten (36) antwortete darauf am 16.02.09:
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 Mutter schrieb daraufhin am 16.02.09:
Weiber ... :D

Denken immer nur an das Eine. Und nur, weil de mit dem schon mal Duschen warst. Als würde das was bedeuten - in a Corker world ... ;)
Steinwolke (65)
(18.02.09)
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 Mutter äußerte darauf am 20.02.09:
Args, der Schnitzer mit dem Airbag iss ja doof ... :D
Danke, da mach' ich was mit.

Zum Reibungslosen: Weiß nicht, einen Wagen touchieren, das kurze Abdrängen - sehe ich nicht als so problematisch an. Die meisten Menschen fahren Auto nicht auf eine Weise, die auf so etwas reagieren könnte. Beispiel: Die meisten Männer fahren gerne einhändig, würde jeder Fahrlerer graue Haare bekommen. Mit einer Hand bekommt man aber ein ausbrechendes Auto (zum Beispiel wegen geplatztem Reifen, oder einer Karambolage) nur extrem schwer in den Griff.
Und ein wenig rüber zu ziehen reicht an so einer Kreuzung ja aus - da gibt's keinen Standstreifen, keine Kulanz. Da hängt man dann in den parkenden Autos drin ...

Aber es nützt natürlich nicht viel, wenn MIR das plausibel vorkommt ... ;)
Ich schau's mir nochmal an, vielleicht kann man ja auch an den Beschreibungen noch was drehen ...
Steinwolke (65) ergänzte dazu am 24.02.09:
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 Mutter meinte dazu am 24.02.09:
Ah, okay, verstehe ...
Weiß jetzt, was Du meinst. Muss ja eh an den Airbag noch mal ran, dann schaue ich mir das mit den zeitlichen Abläufen noch mal an.

Zurück ballern, vielleicht noch ein paar verfehlte Spiegel mitnehmen, ist ja vielleicht gar keine so schlechte Idee ...

 RainerMScholz (02.03.09)
Batman und Jason (oder Michael Myers)(oder Freddy Kruger).
Grüße,
R.
Leyla (29)
(18.04.09)
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 Mutter meinte dazu am 18.04.09:
Ich könnte ja jetzt sowas sagen wie 'Muss man ja auch im Zusammenhang sehen' oder 'Erfüllt auch seinen Teil der Geschichte' - mach' ich aber nich. :)

Wär'n eh im Grunde nur Ausreden. Wüsste jetzt aber (ähnlich wie Du) spontan nich, was man da ändern könnte - jedenfalls nich ambulant. Mit Voll-Narkose oder Spinaler ginge da sicher was.

Ich denk' mal drüber nach - und pfleg inzwischen die noch von Dir gefunden Sachen nach ... :D). Danke Dir.
AnnaKarenina (31)
(01.06.09)
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 Mutter meinte dazu am 02.06.09:
One-track-mind, sage ich nur ...
Passt zu Deiner Generation ... ;)
AnnaKarenina (31) meinte dazu am 02.06.09:
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