Passmann

Erzählung zum Thema Gefangen

von  Mutter

‚Ist das dein Wagen?’ fragt sie mit leichtem Spott in der Stimme. Ohne dass ich sie hinter mir sehe, kann ich förmlich spüren, wie sie die schlank geschminkten Augenbrauen hochzieht.
Ich nicke und lasse die Zentralverriegelung mit einem leisen Klick aufschnappen. Die Blinker melden den Vollzug.
Nachdem ich ihr die Beifahrertür geöffnet habe, trete ich aus dem Weg und warte ab, dass sie einsteigt. Macht sie nicht – sie sieht mich an und lächelt. Neuer Spott. Sie weiß, dass mir die Rollenverteilung nicht schmeckt. Ich bin kein Fahrer – normalerweise nicht.
Es ist nicht mein Job, Touristen durch die Stadt zu fahren und ihnen die Sehenswürdigkeiten zu zeigen. Diesmal hatte ich keine Wahl - Collie hat mir keine Optionen gelassen.
Ich arbeite nicht mit Hitmen zusammen, habe ich ihm gesagt. Mit einem Killer zu arbeiten sei nicht besser als selber Leute umzulegen. Er hatte nur schief gelächelt, kennt meine Doppelmoral. Weiß, dass mein geas bedeutet, ich darf keine Kohle fürs Töten bekommen. Von Kohle, damit andere töten können, war nie die Rede.
Neue Taktik: Ich könne unmöglich mit einer Braut zusammen arbeiten, das würde grundsätzlich schief gehen. Entweder wollen die Schicksen mit mir in die Kiste, oder ich mit ihnen. Und selten beide gleichzeitig.
Und überhaupt sind die Frauen, auf die ich normalerweise stehe, ungeeignete Partner für mich. Vor allem bei einem Job. Die wollen dominant sein, das Alpha-Tier spielen. Und irgendwer muss sich unterordnen.
Ich ordne mich nicht gerne unter, damit komme ich nicht gut klar. Und die Frauen, auf die ich stehe, tun das auch nicht.
Das ist prima beim Sex und Scheiße im Geschäft.

Collie hat die Lippen geschürzt, aus dem Fenster gesehen. Keine Chance, Corker, da kommst du nicht raus, schien seine zurückgelehnte Haltung zu sagen.
Alles versucht: Hab Collie gesagt, ich könne nicht. Hätte Termine.
‚Sag sie ab’, meinte er und lachte.
Ich schulde Collie eine Menge Gefallen – immer wieder hat er mich aus der Scheiße rausgepaukt, und selten war ich in der Lage gewesen, einen Gefallen zurückzuzahlen.
Jetzt war er gekommen, um einen Teil davon einzufordern.
‚Ich stecke in der Klemme, Corker, und im Moment gibt es niemanden. Du musst mir den Gefallen tun.’
Als er mir erzählt hatte, worum es ging, habe ich mehrere Augenblicke lang den Kopf geschüttelt. Auf keinen Fall -  unter keinen Umständen würde ich mit einer Lady aus Belfast durch Berlin ziehen und darauf warten, dass sie jemand ausknipst. Ganz schlechtes Karma.
Es sei wichtig, hat Collie gemeint und raus gesehen. Als sei die Diskussion beendet. War sie auch.
Wenn er ab jetzt jeden Tag einen Gefallen einfordern würde, wäre ich mit Mitte Sechzig vermutlich noch nicht schuldenfrei.
Obwohl ich Collie für alles dankbar bin, was er im Laufe der Jahre für mich getan hat, nehme ich ihm das hier persönlich übel. So was macht man nicht mit einem Kumpel.

‚Ich hätte erwartet, dass jemand wie du einen stylisheren Wagen fährt’, sagt sie, während ich mich in die Außenspur fädele.
‚Es ist ein Mietwagen, okay?’ quetsche ich zwischen den Zähnen hervor. Dass ich unfreundlich und mies gelaunt bin, scheint sie zu amüsieren. Stachelt sie noch mehr an.
‚Wie ’ne Dodge Viper, zum Beispiel’, fährt sie fort, als hätte sie meinen Einwand nicht gehört.
Und ein Seat Leon ist meine Vorstellung von einem Traumwagen - iss klar.
Statt einer Antwort schnaube ich. Sie sieht mich von der Seite an, immer noch schief lächelnd. Wartet auf eine weitere Reaktion.
Ich presse kurz die Lippen zusammen, Blick in den Seitenspiegel, Blinker setzen, Rüberziehen. Immerhin spurt der kleine Wagen, und die dunkle Farbe ist ebenfalls okay. Wenigstens kein Silber - kann ich nicht ausstehen.
‚Ein 69er Camaro’, rutscht es mir raus.
Ärgere mich über mich selbst – wie ein Karpfen habe ich nach dem Scheiß-Haken geschnappt, dem glitzernden, blinkenden Ding, das sie da träge in die Strömung hat hängen lassen.
Sie lacht. ‚Mit Rallyestreifen, eh?’ Lacht wieder. ‚Mit dem Ding kannste der Viper aber höchstens kurz am Hintern schnüffeln – dann ist die weg.’
Kurzer Blick, Zug raus in die linke Spur, Vollgas. Dann habe ich Zeit, selbstgefällig den Kopf zu schütteln. ‚Wenn du mit dem Geschoss auf der Straße bleibst, dann vielleicht. Die Kiste ist so unglaublich zickig, damit hänge ich dich im Camaro locker ab.’
Diesmal lacht sie laut und hell, ein aufregendes Lachen. Kann ich bitteschön nur mit dem Lachen durch Berlin fahren, ohne den Rest der Braut? Ich seufze.
Sie sagt frech: ‚Baby, nur weil ich Möpse habe, heißt das nicht, dass du den Hauch einer Chance gegen mich hättest. Wir können das gerne bei Gelegenheit mal ausprobieren.’
Ich unterdrücke den Reflex, rüberzusehen, mich zu vergewissern, dass sie wirklich welche besitzt. Keine Ahnung warum wir Männer automatisch auf die Titten schauen müssen, wenn welche erwähnt werden.

Ihre Figur ist beeindruckend, athletisch, erinnere ich mich.
Während ich mich mit meinen kleinen Schild, dass mir Collie aufgezwungen hatte, in den Weg stellte, wuchs mein Groll. Auf sie, auf Collie und auf das Scheißschild. Vielleicht auch auf die anderen Passagiere, die mich zwischen interessiert und mitleidig mustern. Ich hatte keine Ahnung, wie sie aussieht, musste jede der Damen, die da aus dem Gate strömten, evaluieren.
Sie ist groß, die glänzenden Haare in einem kinnlangen Bob durchgestylt. Kastanie, mit leichtem Rotstich. Warum auch nicht, kommt ja schließlich von der Insel der Rothaarigen.
‚Corker?’ wollte sie mit dunkler Stimme wissen und streckte mir die Hand entgegen. ‚Molly’, hatte auf meinem dämlichen Schild gestanden, dass ich auf dem Weg nach draußen kommentarlos in einem Mülleimer habe verschwinden lassen.
Ich ging mit meinem Killer zum Exit.
Befinde mich hier, weil ich Passmann für sie spielen sollte. Passmann ist der Partner beim Handball, mit dem man das Passspiel aufbaut. Collie, du dämlicher Wichser - dafür bin ich echt der Falsche.
Ich soll sie fahren, ihr die Stadt zeigen und im Hotel auf sie aufpassen. Was noch, wollte ich von Collie wissen. Er hat die Arme ausgebreitet und gegrinst. ‚Corker, wenn sie La Traviata sehen will, geh’ und besorg dir ’nen Anzug. Wenn sie was trinken möchte, suchst du die Bar raus und wenn sie dich vögeln will, fragst du: Von vorne oder von hinten? So einfach ist das – capiche?’
Meine Teamfähigkeit wird definitiv überwertet.


Anmerkung von Mutter:

Teile dieses Textes sind nach einem Gästebuch-Dialog mit  Luca85 entstanden ...

*edit: Boah Tolstoi, warum hast Du bloß dieses Ungetüm erschaffen? *stöhn*
:D

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Kommentare zu diesem Text

Kitten (36)
(06.04.09)
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 Mutter meinte dazu am 06.04.09:
Ja, ich dachte, ich wechsel mal die Ebene - statt körperlicher Schmerzen gibt es jetzt seelische ... :D

Danke schön.
Elvarryn (36)
(06.04.09)
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 Mutter antwortete darauf am 07.04.09:
Danke Dir ... :)
Luca85 (24)
(11.04.09)
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 Mutter schrieb daraufhin am 11.04.09:
Mach ma' ... :)

Danke Dir.
Leyla (29)
(18.04.09)
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 Mutter äußerte darauf am 18.04.09:
Zweimal 'ja' - war ja klar ... :D

Aber: Einmal 'nein'. Molly iss ein großartiger Name. Trägt aber vielleicht im Englischen andere Konnotationen. Muss aber alleine wegen 'Molly Malone', William Gibsons Molly und Moll Flanders drinnen bleiben. Geht einfach nich anders ...

UND DANN: Ober-fettes Doppel-Nein. :D
'Iss' wird aber sowas von mit 'ss' geschrieben. Schon immer. 'Diss' im Übrigen auch. Geht gar nich anders. Wie sieht das denn sonst aus?

Nee, diss geht gar nich' ...
Oder 'gor nie', wie man nich weit von hier sagen würde. :D

So, diesmal habe ich die Schnitzer gleich vor dem Antworten überarbeitet - iss mal was anderes (und ja, diesen Satz habe ich NUR geschrieben, um noch mal 'iss' in der korrekten Form verwenden zu können ... :D).
Leyla (29) ergänzte dazu am 18.04.09:
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 Mutter meinte dazu am 18.04.09:
Darfste ...

Haste Dir redlich verdient. ;)
Leyla (29) meinte dazu am 18.04.09:
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