Stout

Erzählung zum Thema Warten

von  Mutter

Der Schwarze rutscht auf die Bank mir gegenüber und quittiert das Guinness, was ich ihm dort habe hinstellen lassen, mit einem Nicken.
‚Was liegt an, Bruder?’ will er wissen, nachdem er den ersten, langen Schluck genommen und sich den Schaum von den Lippen gewischt hat.
‚Welshie liegt an.’
Kurz umreiße ich, was es mit meinem Kurztrip an die Alster auf sich hatte, welche Rolle Welsh gespielt hatte.
‚Ich muss wissen, was er mit der ganzen Geschichte zu tun hat. Bist du dabei?’
Stout hatte bisher keine Probleme mit dem Waliser gehabt, aber er mochte ihn auch nicht genug, um mir im Weg zu stehen, oder mir nicht zu helfen.
‚Wann?’ will er wissen, als er sein Pint leer macht.
‚Morgen früh, in seiner Werkstatt. Ist dein Bruder in der Stadt?’
Er nickt.
‚Gut – kannst du ihn mitbringen?’ Noch ein Nicken.
Damit ist der Business-Teil unserer Unterhaltung beendet. Den Rest des Abends, ein paar Stunden und mehrere Guinness lang, verbringen wir mit Gequatsche über alte Zeiten.
Ich habe früher mit Stout Football gespielt. Er in der Offense, ich in der Defense. Ich habe mir die Stellen in der Line gesucht, an denen er nicht stand. Ein paar Zentimeter größer, wiegt er locker zwanzig bis dreißig Kilo mehr als ich.
Anders als ich hält sich Stout vor allem mit legalen Dingen über Wasser. Ab und zu arbeitet er als Leibwächter, als VIP-Bouncer und als sonstiger Handlanger, und verdient damit zwar deutlich weniger als im Schatten-Gewerbe, aber genug.
Und dann gibt es die Gelegenheiten, in denen er für mich arbeitet. Willkommen im Zwischenlicht.

Kurz nach Acht lasse ich den Leon in die Halle einrollen und kille den Motor. Als ich aussteige, kommt ein hagerer Kerl, Mitte Zwanzig, mit seinem Clipboard auf mich zu. Will, ohne ein Lächeln, meinen Wagen in Empfang nehmen.
Ich ignoriere ihn – hinten links kommt gerade Viper, Welshies rechte Hand, aus dem Büro. Der erkennt mich, hält inne, und verschwindet auf dem Absatz zurück im Büro. Durch die verschmierten Glasscheiben kann ich ihn sehen, auf dem Weg zu einem Schreibtisch.
Ich sprinte los, an dem verwirrt schauenden Clipboard vorbei, packe den Türrahmen mit beiden Händen, um mich schlitternd in das Büro reinzudrehen.
Viper steht noch da, gebückt, und ich werfe mich nach vorne. Klassisches Tackle - Stout wäre stolz auf mich.
Mit vollem Schwung pralle ich auf den Mechaniker, während er noch sucht und nicht findet. Keine Ahnung, ob Kanone oder Telefon. Spielt keine Rolle mehr.
In einer Wolke aus losen Auftragsbestätigungen und Bestellungen gehen wir runter, er knallt mit dem Kopf gegen den Tisch.
Ich drücke ihm beim Hochkommen kurz das Knie in den Rücken. Er regt sich nicht.
Als ich aus dem Büro zurück in die Halle trete, starrt mich das Clipboard fassungslos an. Hinter ihm kommt aus einer kleinen Kammer ein Kerl mit einer Farbmaske und verschmiertem Overall. Die Lackkammer – da werden die Karren neu gespritzt.
Der Maskenmann schnappt sich einen riesigen Schraubenschlüssel aus einem Blechkasten neben der Tür und kommt auf mich zu. Aggressiv und breitbeinig.
Er hat gerade seinen Kollegen passiert, als der schwarze GMC Bulldog über den Hof rollt und die Einfahrt blockiert. Stout steht auf diese A-Team-Scheiße. Er hat mal eine Weile den gleichen Iro wie Mister T getragen.
Jetzt schwingt er sich aus dem Van und schmeißt die Tür zu. Die beiden Mechaniker schauen rüber, verunsichert.
Ihre Unsicherheit verwandelt sich in Panik, als Toffee ebenfalls aussteigt.
Toff, Toffer oder: Der Todesstern. Stouts jüngerer Bruder ist locker zwei Meter zehn, wiegt knapp hundertsechzig Kilo. Ich habe noch niemand getroffen, der nicht zumindest für ein paar Sekunden in Schockstarre gefallen ist, bei der ersten Begegnung mit ihm. In schierem Unglauben darüber, dass ein solcher Berg von Mensch überhaupt existieren kann.
Gegen Toffer wollte damals nicht mal ich spielen. „Den Bestrafer“ nannten ihn die anderen Jungs aus der Defense.

Leise klappt Toffer die Beifahrertür zu und geht zu den beiden Mechanikern rüber. Nimmt dem einen das Clipboard aus der Hand und dem anderen den Schraubschlüssel. Legt ihnen freundschaftlich eine Hand auf die Schulter und schiebt sie beide sanft rüber zur Lackkammer. Macht hinter ihnen zu.
Toffee ist jemand, der Probleme eindämmt, hatte Collie mal gesagt. Wie ein Deich, den man bei Überschwemmung anrufen kann. Der kommt und die Flut stoppt.
Stout hilft mir, den bewusstlosen Viper ebenfalls in die Lackkammer zu bringen, und nachdem Toffer im hinteren Teil der Werkstatt noch einen schlaksigen Azubi aufgetrieben hat, schließen wir hinter den vieren ab.
Das Rollo, was die Lackkammer zur anderen Seite der Werkstatt abschließt und die Wagen reinfahren lässt, kann man ausschließlich von außen bedienen.
Danach machen wir es uns bequem. Warten.
Holen uns furchtbaren Kaffee, den wir aus den Thermoskannen in verdreckte Tassen gießen und setzen wir uns auf die Plastikstühle im Büro.
Toffer liest ein Pornoheft, das er in einer der Taschen gefunden hat. Ich werfe einen Blick auf die überdimensionierten Möpse auf dem Cover und vermute, dass Viper der Besitzer ist. Würde zu ihm passen, sich so etwas mit zur Arbeit zu nehmen.
‚Der Kaffee ist Scheiße’, beschwert sich Stout und spuckt einen Mundvoll auf den Boden.
Ich nicke, und nehme gedankenverloren einen weiteren Schluck. Dehne meinen Nacken zur Seite, bis er knackt. Will, dass Welsh endlich kommt.

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Kommentare zu diesem Text

Kitten (36)
(21.04.09)
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 Mutter meinte dazu am 21.04.09:
:)
Elvarryn (36)
(21.04.09)
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 Mutter antwortete darauf am 21.04.09:
Ahem ...

Hast Du gerade GB erwähnt?
*tschacktschack*

Du weißt schon, was Iren mit Leuten machen, die sie bei den Briten eingemeinden wollen, oder? :D
Ein Gefühl dafür kannste bekommen, wenn de einen Österreicher als Bayern bezeichnest ... ;)

Rugby ... mmmh. Nee, funktioniert nicht wirklich. Da sind die Postionen nicht klar genug verteilt, und außerdem iss Rugby ein College-Sport. Reiche Jungen spielen sowas in Irland, Wales und England.
Die Iren spielen eigentlich nur Gaelic, Soccer und Hurley, den wohl härtesten Sport der Welt.
Aber ich brauch den direkten 'Oooompf' vom Football später noch.
Außerdem kenne ich mich damit aus - sowas iss ja immer nich schlecht, wenn man sonst schon einen vom Pferd erzählt ... :D
Elvarryn (36) schrieb daraufhin am 21.04.09:
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 Mutter äußerte darauf am 21.04.09:
Hehe ...

Klingt wie 'ne Drohung, sieht aus wie 'ne Drohung - dass iss 'ne Drohung! :D
Elvarryn (36) ergänzte dazu am 21.04.09:
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 Mutter meinte dazu am 21.04.09:
So oder so weiß ich das zu schätzen ... ;)

Nu' mach' mal Pensum. :D
Elvarryn (36) meinte dazu am 21.04.09:
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Leyla (29)
(22.04.09)
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 Mutter meinte dazu am 22.04.09:
Na, mit dem 'Zwischenlicht' wollte ich irgendwie clever sein, und auch das verbrauchte 'Zwilicht' vermeiden ...
Aber ich sehe ein, dass das nicht so richtig glücklich ist. 'Twighlight' finde ich aber auch nicht so toll ... :/
Ich denk' noch mal drüber nach.

Und ja, an Green Mile musste ich auch denken, als ich das geschrieben hatte. In 'Scorpion King' iss der auch drin, da sieht er aber nich mehr ganz so monströs aus .... :)

Danke schön.

 bluedotexec (30.09.10)
"Dehne meinen Nacken zur Seite, bis er knackt."

Ich frage mich, wie viele Leser diesem Beispiel an dieser Stelle folgen.^^

Liebe Grüße,
Patrick

 Mutter meinte dazu am 01.10.10:
Wie biste denn plötzlich hierher gekommen? :)

 bluedotexec meinte dazu am 02.10.10:
ist eig. ganz einfach. mir war auf der arbeit langweilig (da ich grad meinen zivi leiste, hab ich dort ziemlich viel zeit. ja, es stimmt also, was man über zivis sagt^^), und da dacht ich mir: lieste doch mal wieder den alten corker. schaden kanns ja nicht. und ich hab vergessen wie, um es mit barney stinsons worten zu sagen, legen- wait for it - dairy corkers story ist. also hat es sich gelohnt.

keep on rockin'
patrick

 Mutter meinte dazu am 02.10.10:
:)

Sehr gut ...
Danke schön.
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