Easy As Pie

Erzählung zum Thema Arroganz

von  Mutter

Verschlafen macht mir Anne die Tür auf. Während ich gutgelaunt an ihr vorbeigehe, küsse ich sie auf die Wange. Bevor sie reagieren kann, bin ich durch, auf dem Weg in die Küche.
‚Wo zum Teufel warst du?‘, begrüßt mich Molly, die am Tisch mit einer Schale Kaffee sitzt und mich missfallend mustert.
Ich packe die Tüte Brötchen auf den Tisch und lasse mich auf einen freien Stuhl fallen.
‚Swimming Pool‘, antworte ich. Anne, die mir nachgekommen ist, sieht mich kurz an, fährt mir über den Kopf und geht weiter zur Anrichte.
‚Möchtest du Kaffee?‘, will sie wissen. Fügt hinzu: ‚Deine Haare sind nicht nass.‘
‚Ich habe nicht gesagt, dass ich schwimmen war.‘ Mit einem freundlichen Lächeln erwidere ich Mollys Blick.
Mürrisch erwidert sie: ‚Du hättest uns eine Notiz da lassen können.‘
Über die Schulter gewandt sage ich: ‚Kaffee? Gerne.‘
‚Mit Milch? Zucker?’
‘Ich nehme meinen Kaffee wie meine Frauen.’ Zufrieden beobachte ich Mollys Augenbraue auf dem Weg nach oben.
Spüre Annes Hände auf meinen Schultern. ‚Du hast Frauen?‘ Ihr Grinsen hinter mir kann ich mir bildlich vorstellen.
‚Blond und süß, nehme ich an?‘, fragt sie im Weggehen.
‚Schwarz und herb – weißt du, mach einen Doppelten draus, okay? Das würde mir gefallen.’
Molly ist nicht amüsiert. ‚In Ordnung – du hattest deinen Spaß, bist eine ultra-lässige, coole Sau. Wir verneigen uns vor dir. Kannst du uns jetzt verraten, was abgeht? Was du gemacht hast?‘
Kurz bin ich versucht, die Spielchen weiter zu treiben, meine gute Laune auszukosten. Lass es dann, will die Geduld der beiden nicht überstrapazieren.
Kurz umreiße ich, was ich morgens gemacht habe – was ich von Metriç wollte, wie die Sache mit dem Graubart gelaufen ist.
‚Das heißt, du bist kein Stück weiter?‘, fragt Anne und stellt mir die Schale dampfenden Kaffees hin.
‚Rathlin Island‘, ist meine Antwort.
‚Und?‘ Anne versteht nicht, was mir diese Info nützt. Molly schon – sie ist ein älteres Semester.
‚Gun-Runner. Waffenschieber, die früher für die IRA und diverse republikanische Splittergruppen Hardware nach Norn Iron gebracht haben. Einer ihrer Stützpunkte war Rathlin Island.‘
‚Richtig. Und Graubart hat mir zu verstehen gegeben, dass es sich um Nationalisten, um Katholiken handelt. Ich bin mir sicher, dass ich meinen Puppet-Master da oben zwischen Heidekraut und Hasenkötteln suchen muss.‘
‚Was ist mit Metriç?’, fragt Molly mit zusammen gekniffenen Augen.
‚Der Albaner? Was soll mit dem sein?‘
‚Du glaubst doch nicht im Ernst, dass du seine rechte Hand im Pool versenkst und die ganze Sache damit erledigt ist? Der Kerl macht dich fertig!‘
‚Um Metriç kümmere ich mich heute Abend. Rede mit ihm.‘
Molly sagt nichts – guckt mich an wie einen Bekloppten. Anne ist offenbar weniger beeindruckt von dem Mann. Sie nimmt sich ein Pop-Tart, beißt davon ab und fragt mit vollem Mund: ‚Was willst du ihm sagen?‘
Ich zucke mit den Schultern, einen echten Plan habe ich noch nicht. Molly schnaubt.
Theatralisch strecke ich die Arme in einer Al-Pacino-Geste aus: ‚Hey, der Wichser hat mich verarscht. Mich auflaufen lassen. Soll er sich nicht wundern, wenn ich nicht länger am Gängelband bleibe. Ich sehe die Sache so: Wir haben beide Scheiße gebaut und ziehen jetzt jeder seines Weges. Easy as pie!‘
Noch ein Schnauben. ‚Dein Wort in Gottes Ohr!‘
Anne mischt sich ein. ‚Wieso? Ich finde, das klingt vernünftig. Warum sollte sich der Albaner jetzt noch weiteren Ärger einheimsen? Die Drecksarbeit wird Corker wohl nicht weiter für ihn machen.‘ Wendet sich an mich. ‚Wie kommst du an Metriç ran? Den Graubart kannst du kaum fragen, oder?‘
Ein fettes Grinsen erscheint auf meinem Gesicht. ‚Sagen wir mal, ich habe da eine Idee.‘

Vorsichtig werfe ich die Fußmatte, die ich aus Annes Wagen mitgenommen habe, oben auf die Mauer. Sehe mich noch mal kurz um und klettere ohne Umstände die Wand hinauf. Der rissige Putz gibt an genügend Stellen die groben Steine frei, um Halt für Füße und Hände zu bekommen. Oben beschützt mich die Fußmatte vor den einbetonierten Glasscherben, einen Moment später lasse ich mich in Gras gleiten.
Zügig durchquere ich den Garten, renne auf die Küchentür zu. Drinnen sehe ich Marcy, die Haushälterin, die mich mit großen Augen ansieht. Sich an den Teller, den sie gerade abtrocknet, festklammert, dass ihre Fingerknöchel weiß im Halbschatten schimmern.
Die Tür ist verschlossen. Durch die kleinen Glaskacheln sehe ich Marcy, sie sieht mich. Ich gebe ihr eine Sekunde, dann nicke ich in Richtung Tür, sehe sie erneut an. Sende eine geballte Ladung Überlegenheit, maximales Alpha-Tier, durch Glas und Holz. Wenn sie mir nicht aufmacht, muss ich sie kaputt machen. Und die Tür auch.
Marcy versteht meine Gedanken, lässt sich auf meine Jedi-Tricks ein. Stellt den Teller weg, schluckt trocken und kommt, um den mageren Riegel, der uns trennt, zurück zu ziehen. Mit einem warmen Lächeln trete ich zu ihr ein, stehe neben ihr.
Berühre sie durch ihre graue Strickjacke sanft am Arm. ‚Keine Sorge, ich möchte nur mit Mister Lomax reden. Die beiden Kerle draußen vor der Tür haben mir Angst gemacht.‘
Sie nickt. Ich nehme an, die beiden Penner in dem metallic-blauen Audi, der vor dem Haus parkt, bereiten ihr genauso Bauchschmerzen.
‚Rein, raus, bin gleich wieder weg. Ist er oben?‘ Meine Stimme ist tief, sanft und ruhig. Als könne ich sie hypnotisieren.
Sie nickt, bekommt ein aufrichtiges Lächeln von mir. Braves Mädchen.
‚Danke, Marcy. Ich geh nur kurz zu ihm rein. Bitte sorgen Sie dafür, dass uns niemand stört, ja?‘
Noch ein Nicken. Die Hypnose wirkt - Sie sind ein Schatz, Marcy.
Ich durchquere den Flur, steige die enge Treppe nach oben, nehme jeweils zwei Stufen auf einmal. Oben sind mehrere Türen – die zum Schlafzimmer steht offen. Ich probiere eine andere, sehe Izzy, der mir den Rücken zudreht. Der am Rechner sitzt, Excel-Tabelle ausfüllt.
‚Was gibt es?‘, fragt er langsam, unwillig, seine Augen vom Bildschirm zu lösen.
Ich schlüpfe zu ihm in den Raum und setze mich auf einen Hocker, nachdem ich einen Umschlag mit Druckerpapier hochgehoben habe. Überrascht dreht er sich zu mir um, reißt die Augen auf, als er mich erkennt. Ich drücke ihm den Stapel Papier in die Hand.
‚Hey, Izzy, was macht die Kunst?‘
Schweigen. Dann: ‚Scheiße!‘
Ich lächele. Ungefähr so, wie ich Marcy gerade angelächelt habe. Härter.
‚Corker!‘
Mal sehen, wie viele einzelne Wörter er noch nacheinander raus presst, wenn ich lange genug warte.
‚Was – was machst du hier?‘
Er hat sich gefangen. Zeit für ein wenig echte Konversation.
‚Du meinst, wie bin ich nicht mit deinem Boss auf der Pirsch? Wie ein guter Schweißhund? Der das angeschossene Wild findet und zur Strecke bringt?‘
Izzy will was sagen, schließt stattdessen den Mund wieder. Ich hätte den Albaner nicht erwähnen sollen.
‚Hör zu, Izzy, es macht mir zwar Spaß, dich hier schwitzen zu sehen, das ist allerdings vollkommen unnötig. Ich muss mit Metriç reden. Irgendeine Ahnung, wo ich den heute im Laufe des Tages finden könnte?‘
‚Ich soll ein Treffen arrangieren?‘
Mit einem sanften Gesichtsausdruck schüttele ich den Kopf und nehme sein Gesicht in beide Hände. ‚Izzy, wenn du mit ihm redest, bist du tot. Ich komme und hole dich wie der Geist der vergangenen Weihnacht. Ist das klar?‘
Er bewegt meine Hände mit einem Nicken.
‚Gut.‘ Ich lasse ihn noch nicht los. Stelle sicher, dass meine Hände seine Ohren nicht abdecken. ‚Ich will, dass du herausfindest, was er heute noch treibt. Und mir dann Bescheid gibst. Ich muss bloß kurz mit ihm reden, und aller Voraussicht nach wird es keine Toten geben. Eventuell nicht mal Verletzte. Und er wird nie erfahren, dass wir zwei uns unterhalten haben. Wenn du ihm dagegen Bescheid gibst, und ich in eine Falle laufe – weißt du, was dann passiert?‘
Ein weiteres Nicken.
Ich erkläre es ihm trotzdem: ‚Ich komme, um dich zu holen. Corker ist ein zähes Aas, Izzy, das weißt du, oder?‘
Izzy nickt.
‚Bau keine Scheiße - finde was raus, und ruf mich an. Das war’s, dann verschwinde ich aus deinem Leben. Ich will keinen weiteren Ärger mit Metriç, und er nicht mit. Nehme ich an. Geschiedene Leute, quasi. Ein Restaurant oder eine Kneipe wäre gut – halt mir ein paar Optionen offen.‘
Ich lasse ihn los. Izzy sieht mich mit großen Augen an. ‚Bau keinen Mist, Izzy, in Ordnung? Es wäre mir lieber, ich müsste nicht wiederkommen.‘
Ein letztes Nicken, dann bin ich raus. Ziehe die Tür hinter mir zu und überlasse ihn seinen Excel-Tabellen.
Unten erwartet mich Marcy, die Finger beider Hände nervös ineinander verknotet.
‚Es ist alles in Ordnung, Marcy‘, beruhige ich sie. ‚Izzy geht es gut.‘
Ich berühre sie leicht mit der Hand im Gesicht und gehe zur Küche raus. ‚Ein schönes Leben noch.‘
Klettere zurück über die Mauer und ziehe die Fußmatte, die kaum gelitten hat, wieder ab.

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Kommentare zu diesem Text

Kitten (36)
(07.10.09)
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 Mutter meinte dazu am 07.10.09:
Sehr. :)

Danke.
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