Pot'o'Gold

Erzählung zum Thema Suche

von  Mutter

Es ist sechs Uhr morgens, ich stinke nach kaltem Rauch, Alkohol und dem billigen Parfum von zwei leichtbekleideten Schnecken, mit denen ich die halbe Nacht rumgeknutscht hatte. Stehe vor der Pension in der Rockmore Road, Nummer 12. Überprüfe das letzte Mal den Sitz aller drei Feuerwaffen, die ich in Holstern auf dem Rücken trage. Spüre die extra Magazine im Gürtel. Ich gehe nicht davon aus, so früh am Morgen auf Widerstand zu stoßen, aber sicher sein kann ich mir nicht. Trete immerhin gegen den verfickten Batman von Ballybough an. Der Gedanke an den Penner lässt mich abfällig schnauben.
Kurz frage ich mich, ob es nicht schlauer gewesen wäre, fit und ausgeschlafen hier aufzukreuzen. Halbwegs nüchtern.
Scheiß drauf, denke ich, und drücke die Klinke herunter. Betrete den Empfangsraum der kleinen Pension mit dem hölzernen Tresen. Es ist niemand zu sehen. Wahrscheinlich sind Landlord und Landlady gerade damit beschäftigt, für ihre Gäste Frühstück zu machen. Ihre Gäste, und meine Beute.
Nachdem ich mich kurz umgesehen habe, trete ich an die Theke. Beuge mich vor, finde das Empfangsbuch. Meine Zunge fährt über die Zähne, während ich mir das Buch schnappe und aufschlage.
Mein Finger wandert die letzten paar Tage aufwärts, sucht nach Auffälligkeiten. Nach irgendwas, was mir weiterhelfen könnte. Viel Hoffnung habe ich nicht – es ist eher unwahrscheinlich, dass ich einen Eintrag unter ‚Batman‘, oder ‚Mister Fucking Unbelievable The Machine‘ finden werde. Dale konnte mir kein Alias der lebenden Legende nennen, unter dem ich suchen kann.
Plötzlich bleibt meine Aufmerksamkeit an drei Einträgen vor gut einer Woche hängen.
J.R. Daniels Room 12
J. Kid Room 13
P. Dougherty Room 14
Fuck.
Damit hätte ich nicht gerechnet. Jordan Kid und Mister Dougherty. Drecksack Dougherty. Alle drei immer noch eingechecked, bezahlt von derselben Kreditkarte. Vor meinen Augen verdreht sich der kleine Raum in einen bunten Strudel, reißt mich mit sich, zieht mir den Boden unter den Füßen weg.
Ich hatte von Anfang an geahnt, dass dieser Penner etwas mit der ganzen Geschichte zu tun hatte. Und niemals auch nur einen winzigen Hinweis darauf gefunden.
Bis jetzt. Ich bin auf den Schatz am Ende des Regenbogens gestoßen. Den Topf mit Gold des Leprechauns.
Langsam stabilisiert sich mein Universum zurück in eine lotrechte Lage. Es hilft, dass ich mich an dem kalten Metall der beiden Waffen festkrallen kann, ich inzwischen gezogen habe. Mit einem grimmigen Gesichtsausdruck steuere ich auf die Treppe und die oberen Stockwerke zu. Nehme die Stufen zwei, drei auf einmal, fühle mich lautlos und geschmeidig.
Zügig bewege ich mich über den weinroten, dicken Teppich den Flur entlang, bis ich vor der Nummer12 stehe. Was für eine passende Farbe, denke ich. Merkt niemand, wenn die ich die Schweine hier draußen umlegen.
Ich stehe vor der Tür, sammele mich einen Augenblick. Beide Glocks in den Fäusten, jede Faser meines Körpers angespannt. Das Gesicht zu einem gefletschten Grinsen verzogen – ich fühle mich wie der personifizierte Racheengel. In The Name Of The Lord!
Entschlossen hebe ich den Fuß, lasse ihn gegen die Tür krachen – das Schloss bietet mir keinen Widerstand, öffnet mir den Weg in das kleine Zimmer.
Ich gleite in den Raum, die Knarren im Anschlag, bereit, auf jeden Motherfucker, der mir seine Fresse zeigt, zu feuern. Will die Brüder einfach wegpumpen.
Das Zimmer ist leer. Das kleine Bad en suite auch.
Schiebe mich zurück auf den Flur, überbrücke die paar Meter bis zur nächsten Tür. Noch rührt sich nichts, aber wenn die Kerle nicht taub sind, gibt es jetzt Ärger.
Scheißegal.
Trete auch diese Tür auf, lasse mich auf ein Knie fallen, ziele in den winzigen Flur. Kein Lebenszeichen. Vorsichtig rein, mein Kopf und die Waffen zucken um jede Ecke - nichts. Ich versuche, die Anspannung zu halten, auch Raum 14 wie ein SEK-Mann im Sturm zu nehmen, aber ich ahne das Ergebnis bereits voraus. Die Vögel sind ausgeflogen.
Als ich aus dem dritten Zimmer komme, sehe ich die ersten verängstigten Gesichter in den Flur spähen. Zeit, hier wieder zu verschwinden, meine großartige One-Man-Show zu beenden. Die hier eh keiner sehen wollte.

Ein paar atemlose Minuten stehe ich ein paar Blocks weiter, hole Luft. Bin die Treppe runtergesprintet, an einer alten Lady vorbei. Von hinten rief noch irgendwer was, aber die haben höchstens meinen Rücken zu sehen bekommen. Allerdings werde ich die drei Penner wohl kaum noch überraschen können. Trotzdem hat sich die ganze Aktion gelohnt. Ich bin ein weiteres Mal auf die Schleimspur von Dougherty gestoßen.
Als mein Puls wieder Normal-Null angenommen hat, fische ich das Handy aus der Tasche, wähle Dales Nummer, während ich auf einen Chinese Take Away zugehe. Mir Frühstück holen.
‚Ja?‘, meldet er sich verschlafen.
‚Dale, die Info war goldrichtig. Deine Quelle hat ihn gefunden.‘
‚Schön.‘
‚Leider bist du damit noch nicht raus.‘
‚Fuck, Corker, was soll der Scheiß? Wir hatten eine Abmachung.‘
‚Ich weiß – der Deal hat sich geändert. Die Konditionen.‘
‚Leck mich am Arsch!‘
‚Hör zu, Dale, ich weiß, dass dir das nicht schmeckt. Ich mache das nicht zum Spaß. Wenn ich andere Möglichkeiten hätte …‘
‚Fick dich!‘
‚Hey Arschkrampe! Zwing mich nicht, zu dir rüber zu kommen und dir in den Arsch zu treten, Dale.‘ Meine Stimme ist leise und drohend geworden. Es tut mir leid, dass ich ihm weiter die Daumenschrauben anlegen muss – aber nicht so leid, dass er mich dafür endlos beleidigen darf. Das kostet extra.
Er verstummt. Ich höre ihn am anderen Ende der Leitung atmen, seine Alternativen durchgehen. Schickt er den Corker jetzt zum Teufel? Geht das Risiko ein, dass der nachts plötzlich über ihm in seinem Bett steht, ein Stahlrohr in der Hand? Wie viel ist vom alten Corker, vor dem du solche Angst hast, übrig, Dale?
Unwillkürlich schließe ich die Augen, verkneife mir einen Seufzer. Nichts ist von ihm übrig. Wenn er jetzt auflegt, mir den Stinkefinger zeigt – mache ich nichts. Komm ihn nicht holen, vergreif mich nicht an seinen Sohn. Niente, nada. Weil er seinen Teil der Abmachung erfüllt hat. Und ich müde bin.
Das weiß Dale nicht, ahnt er nicht einmal. Zögernd sagt er: ‚Also gut. Was willst du noch von mir?‘
‚Ich habe drei Namen für dich – einer ist das Alias von unserem Supermann. Glaube nicht, dass Du über den viel findest. Aber die anderen beiden – die sind entweder echt, oder zumindest eine ganze Weile in Gebrauch. Besorg mir alles, was du über sie findest – jeden Dreck, jeden Fitzel.‘
‚Sag an.‘ Er klingt so müde wie ich mich fühle.
Ich nenne ihm die drei Namen, ich am anderen Ende des Regenbogens gefunden habe. Setze meinen Schweißhund auf die Bastarde an. Frohlocke bei dem Gedanken, in naher Zukunft eine gewalttätige Auseinandersetzung mit Jordan Kid und Dougherty zu haben. Den beiden würde auch der neue Corker mit Hingabe die Fressen polieren, ihre Gräten brechen und sie so fertigmachen, dass sich Stephen Hawking neben ihnen wie ein Stuntman vorkäme.
‚In Ordnung. Ich sehe zu, was ich rausfinde.‘
‚Dale …‘
‚Ja?‘
‚Danke. Danach bist du mich los.‘
‚Dein Wort in Gottes Ohr, du Mistkäfer.‘
Mit einem Grinsen lege ich auf. Noch während ich das Telefon in meiner Hand betrachte, verdüstert sich meine Miene. Muss an Molly denken, und an Anne. Und daran, dass ich anrufen müsste.
Mir sei kalt, weil ich keinen Arsch in der Hose hätte, hätte der verschissene Kobold gesagt. Im Gehen stecke ich das Handy weg und ziehe den Reißverschluss der Jacke bis unters Kinn hoch. Vom Wasser her weht ein kalter Wind.

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Kommentare zu diesem Text

Kitten (36)
(13.11.09)
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 Mutter meinte dazu am 13.11.09:
:)

Schön. Danke.
CurzonDax (27) antwortete darauf am 15.07.11:
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 Mutter schrieb daraufhin am 15.07.11:
Öhm ...

...

*räusper*
Danke. :)
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