Spiegel-Ich...

Gedicht zum Thema Identität

von  Fuchsiberlin

Vor sehr sehr langer Zeit -in jungen Jahren-,
da befand ich mich
an einem endlos erscheinenden Strand der Einsamkeit.

Millionen Sandkörner
und doch nur eine Spur.

Wellen der Verzweifelung überfluteten
immer wieder die Sandwelt meiner Gefühle.

Auf meiner Suche nach dem Leben,
nach meinem Ich,
hinterließ ich tränendurchtränkten Sand.

Eines Tages erblickte ich ein Haus,
unscheinbar,
doch für mich strahlte es Hoffnung aus.

An dem Namensschild
prangte in für mich gespürten glanzlosen Buchstaben
das Wort "Leben".

Doch in diesem Haus
drohte ich mich gänzlich zu verlieren.

Überall Spiegel, nur Spiegel, wohin ich schaute.
Meine Seelenfenster drohten zu erblinden,
in diesem Labyrinth aus zerbrechlichem Glas.

Doch ich wollte durch dieses Haus der Irrwege ,
mein Wille, mein Mut
und vor allen Dingen meine Hoffnung
hier Entscheidendes zu finden,
ließen mich vorsichtig durch diese Kristallwelt laufen.

Irgendwo mußte doch die Erkenntnis
den letzten Spiegel angebracht haben.

In unzähligen Spiegeln
sah ich immer wieder mich
und doch sah ich nichts.

"Mensch" und "männlich",
Begriffe die für mich so fremd klangen.
Worte, die für mich aus einer außerirdischen Welt kamen.

Ich fragte immer wieder:

"Wer bin ich?"

Doch das Gesicht, welches ich erblickte,
- meines -,
es schaute mich immer nur traurig an,
dieses mir bekannte und doch fremdanfühlende
Spiegelbild meines Ich's gab mir keine Antwort.

Ich spürte mich weder als Mensch
noch als irgendein
geschlechtsspezifisches Wesen namens "männlich".

Mir fehlte das Empfinden
für eine eigene Identität.

Ich funktionierte schliesslich mehr
als das ich lebte.

In diesem Zustand der Zeitenläufe,
was andere als "Leben" bezeichneten,
irrte ich ziellos und als funktionierende Hülle umher.
Schutzfunktion der Seele:
Überleben.

Und doch begleiteten mich dabei
Gefühle der Sehnsucht,
der Verzweifelung, der Trauer, des Schmerzes,
der Einsamkeit
aber auch der Hoffnung.

Doch diese Gefühle drangen nie nach außen,
die Schutzwand war zu hoch und zu dick.

Und so bahnte ich mir vorsichtig den Weg
durch diese Welt der Seelengläser
und hoffte so sehr mich zu finden.

Ich sah immer wieder in diese vielen Spiegel,
entdeckte mich zwar,
und sah doch nur ein Gesicht,
und spürte nichts außer Traurigkeit.

Einige sehr viele Jahre
irrte ich in diesem Haus der Selbstbilder umher.

Eines Tages zog mich eine unsichtbare Hand
zum letzten Spiegel dieses Hauses.

Ich schaute in denselbigen
und es war der entscheidende,
denn in diesem erkannte, spürte und fand ich mich.

So gelangte ich auch zum Ausgang
des Hauses der vielen Ich-Fragen,
und fand gleichzeitig einen wichtigen Eingang:
Den zu mir selbst.

Ich wußte nun, wer ich war,
denn ich hatte meine Identität gefunden.

Jörg S.


Anmerkung von Fuchsiberlin:

Ein besonderer Dank gilt ganz besonders den professionellern Helfern, die vielen Seelen - Menschen - eine Hilfe zur Selbsthilfe geben.

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