Schwelbrand

Erzählung zum Thema Trennung

von  Mutter

‚Hey, Gabi, ich bin’s. Das mit uns beiden hat keinen Sinn mehr - ich mache Schluss. Hör zu, es liegt nicht an dir, es liegt an mir.‘ Ein Lachanfall schüttelt mich, ich lege die Hand auf das Handy, bis ich wieder atmen kann. ‚Jedenfalls – irgendwie haben wir uns auseinandergelebt. Vielleicht sollten wir jeder seinen eigenen Weg gehen. Für eine Weile. Vielleicht …‘ Ich sehe Mick an, der mir gegenüber Tränen lacht, und kann mich selber nicht mehr halten.
Wir sind beide betrunken, hocken im Kasper und fühlen uns auch so. Warten auf die Prinzessin und das Krokodil. Ich  hatte mich mit Mick getroffen, ihn auf ein Bier eingeladen, weil ich jemanden zum Reden brauchte. Jemand, mit dem ich weder ein illegales Ding noch eine emotionale oder sexuelle Beziehung am Laufen hatte. Da blieb von allen sozialen Kontakten eigentlich nur Mick übrig. Über seinen Verrat musste ich in diesem Fall großzügig hinwegsehen.
Es hatte einiges an Überredungskunst bedurft – Mick hegte die Befürchtung, ich wolle ihm wegen der Geschichte mit Julia den Kopf abreißen. Letztendlich hatte ich es geschafft, ihn zu bequatschen, mich zu treffen.
Jetzt, ein paar Bier später, hatte er mich überredet, auszusteigen. Schluss zu machen, wie er es genannt hatte. Also griff ich zum Telefon, erreichte nur Gabis Mailbox. Und wie ein beschissener Boyfriend beende ich die Beziehung übers Telefon. ‚Besser als mit einem Post-It-Zettel‘, hatte Mick gekichert und sich an seinem Bier verschluckt.
‚Vielleicht kreuzen sich unsere Wege irgendwann mal wieder, und wir sind beide unbeschwerter. Reifer.‘ Wieder pruste ich los, fange mich, atme durch. Plötzlich langweilt mich der Scherz.‚Ficken, Gabi, hau rein. Man sieht sich.‘ Ich lege auf, schmeiße das Handy wenig elegant auf den Tisch.
Mick grinst mich an. Bestätigt mich – ich habe das Richtige getan, scheint seine Grimasse zu sagen.
‚Dabei habe ich dir das Heftigste überhaupt noch nicht erzählt‘, sage ich und greife nach meinem Bier. Es ist leer. Ich hebe es hoch,  halte es in die generelle Richtung der Bar. Endlich sieht mich die Kleine hinter der Theke, nickt. Macht mir noch eins.
‚Was meinst du?‘, fragt Mick. Trinkt ebenfalls aus, signalisiert nach einem weiteren.
Ich umreiße kurz die Geschichte mit Blocher. Berichte von Killer Deluxe. Mick grinst, glaubt mir nicht. ‚Ja, sicher. Warte noch ein paar Bier, dann glaube ich dir sogar so eine Scheiße. Gabi ist ein Spinner.‘
Ich sammele zusammen, was ich noch an nüchternen und rationalen Kräften beisammen habe, breite alles vor ihm aus. Blocher, Corben, Thalmann – alles.
Irgendwann glaubt er mir. Reißt der Bedienung fast das neue Bier aus der Hand, trinkt in großen Schlucken. ‚Heilige Mutter Gottes! Was für eine abgedrehter Mist.‘ Dem kann ich nur zustimmen. Bin froh, dass ich raus bin.
‚Aber das reicht nicht.‘ Er sieht mich an. Ich verstehe nicht, was er meint.
‚Du musst ihn aufhalten. Das Projekt einstampfen.‘
Ich schnaube in mein Bier. ‚Wie stellst du dir das vor? Hör zu, du kennst Gabi, der ist vernagelt, was so etwas angeht. Der lässt nicht mit sich reden. Und hat die Unterstützung der anderen. Die riechen das große Geld.‘ Schüttel den Kopf, als sei die Sache damit erledigt. Aber Mick lässt nicht locker. ‚Keine Ahnung. Du kannst doch jetzt nicht nach Hause gehen, so tun, als ginge dich das alles nichts an. Du hast das mit aufgezogen.‘
‚Vergiss es. Ihr wolltet, dass ich die Reißleine ziehe, das habe ich getan. Ich bin da raus. Was die Penner als nächstes auskochen, ist nicht mehr meine Kanne Bier. Absolut nicht.‘
Mick sieht das anders. Findet, ich hätte eine moralische Verpflichtung. Leck mich am Arsch! Ich bin froh, dass ich aus der ganzen Sache kriechend rausgekommen bin, geschweige denn aufrechten Ganges. Wir sind kurz davor uns zu streiten, bekommen die Kurve. Mick wird ruhiger, düster. Ich versuche, ihn aufzuheitern.
Das gelingt mir nicht. Unser Gespräch wird immer einsilbiger, irgendwann sehen wir uns an und er fragt: ‚Hauen wir in Sack?‘
Ich nicke. Wir gehen nach vorne, um zu bezahlen. Auf der Straße umarmen wir uns und halten und gleichzeitig kurz aneinander fest. Er löst sich von mir, tätschelt mir die Wange. ‚Passt schon, Jakob. Alles wird gut‘, lallt er. Ich muss grinsen. Wir trennen uns.

Unnachgiebig bohrt sich der Sound meines Handys durch meine Kopfschmerzen, dringt zu mir durch. Lässt sich nicht abschütteln. Blind patscht meine Hand nach dem Teil, angelt es aus meinem Haufen von Klamotten.
‚Ja?‘, frage ich gedehnt, betone die Pein, die mir der Anruf verursacht.
Es ist Gabi. ‚Mick liegt im Krankenhaus. Das dumme Arschloch hat versucht, unser Büro anzuzünden.‘
Fuck! Blitzschnell verdampfen alle verbleibenden Promille, ich fahre hoch. Bin hellwach. ‚Was ist passiert?‘ 
‚Die Feuerwehr hat ihn gefunden. Hat versucht, mit einem Liter Spiritus das Büro abzufackeln. Dabei hat sich die kleine Ratte dermaßen ungeschickt angestellt, dass es ihn fast selbst erwischt hätte. Sie haben ihn mit Verbrennungen eingeliefert.‘
‚Wo?‘
‚Liegt im Urban. Jakob, hat das irgendwas mit dir zu tun?‘
Mir fällt nichts Schlaues ein, ich bleibe stumm. Vielleicht hätte ich es mit ‚Nein!‘ versuchen sollen.
‚Du hast ihm davon erzählt, oder? Ihr wart beide besoffen, wie ich deinem Anruf entnehme.‘ Oh Shit, der Anruf. Was gestern wahnsinnig witzig schien, kommt mir heute verkatert nur noch dämlich und kindisch vor. ‚Seid ihr zusammen rüber? Ins Büro?‘
‚Nein. Wir waren was trinken. Ich habe ihm davon erzählt, und davon, dass ich aussteigen will. Das ist alles‘, berichte ich kleinlaut.
‚Verstehe. Und Mick-Mack-Motherfuck hat danach entschieden, das wäre doch eine gute Gelegenheit, mich mal so richtig in den Arsch zu ficken.‘
Ich antworte nicht.
‚Sieht jedenfalls stark danach aus‘, fährt er mit harter Stimme fort. ‚Bloß gut, dass der Schwachkopf so besoffen war. Ist jedenfalls nicht Großartiges passiert. Wobei ich nicht unglücklich wäre, wenn es den Fotzenkoffer gleich mit erwischt hätte.‘
‚Ich kümmere mich um Mick‘, presse ich hervor.
‚Tu das. Und sag ihm, wenn er seine fettigen Finger noch ein einziges Mal in irgendwas steckt, was mit der Agentur zu tun hat, lege ich ihn selber um.‘
In diesem Moment glaube ich Gabi. Wortlos legt er auf.

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