davor

Text

von  toyn


ich kann nichts tun. außer aushalten. abwarten. geduld haben. sie fehlt mir. verschwindend gering. das mindeste was mir fehlt. geduld. zeit habe ich. jetzt. wo ich sie nicht haben will. nicht brauchen kann. ist sie das meiste. was ich habe. sie ist mir zuviel. die viele zeit. die ich habe. deshalb schlage ich sie dort und da. im grunde überall. mit akribie tot. ich lese. bücher. eines nach dem anderen. arbeite ich von den hohen stapeln neben meinem bett ab. stück für stück. eins nach dem anderen. nicht wie früher. wo ich immer mindestens zwei nebeneinander las. ordnung soll sein. wenigstens. mehr als gar nichts. die reihenfolge alphabetisch nach autor/in geordnet. letzte woche war ich noch bei t. seit gestern bin ich bei z. ich muss langsamer lesen. damit ich noch etwas vor mir habe. ein nächstes ziel. eine perspektive. wenigstens. oder ich muss noch mal bei a anfangen. es würde nichts ausmachen. es wäre so. als wenn ich gerade erst bei a anfange. denn ich las alle bücher ohne danach etwas von ihnen zu wissen. ich will auch nichts von ihnen wissen. ich will nichts wissen. von nichts. überhaupt nichts. ich weiß schon zu viel. will nur die zeit nicht fühlen müssen. nur füllen. vollstopfen. die leere. die ich nicht brauche und von der ich so viel habe. ohne sie gebrauchen zu können. weil alles andere fehlt. ich lese. seite für seite. zeile für zeile. buchstabe für buchstabe schaue ich mir ganz genau an. bis sie vor meinen augen verschwimmen und bilder bilden. seitenzeilenbuchstabenbilder. ohne buchstaben. zeilen. seiten. ohne sinn. ohne bedeutung. bilder. die man nicht verstehen muss. wie so vieles. ich mag nichts mehr verstehen. muss nichts mehr verstehen. habe schon zu viel verstanden.

du bist ungerecht. sagen sie. zu dir selbst und zu uns auch. ist das wichtig? kommt ungerecht von nicht recht sein oder von nicht recht haben? recht kann man haben. auch ohne es zu bekommen. also. muss ich es auch nicht haben. wissen. wie es wäre. wenn ich gerecht wäre. zu mir. und zu den anderen brauche ich auch nicht. denn könnte ich damit mehr sinn in die sinnlosigkeit bringen? in ihre? in meine? sicher nicht. sinnlos ist und bleibt: ohne sinn. du musst dir gutes tun. sagen sie. ich tu mir gutes. indem ich mir nichts gutes tue. gefühllos bin. sie verstehen es nicht. dass es gut ist. für mich. gefühllos zu sein. mir nichts gutes zu tun. weil mir gutes tun. die zeit nicht abkürzt und sie auch nicht sinnvoller macht und mich auch nicht geduldiger. sie wissen nicht. dass es mir schon lange unmöglich ist. mir noch gutes zu tun. weil ich bereits schon zuviel des guten für mich tun musste. manchmal möchte ich es sagen. aber ich weiß. sie würden es nicht verstehen. ich würde nur nicht verstanden. missverstanden. unverstanden.

unverstand brauch ich nicht. verstand brauche ich. ihn ja nicht verlieren. im unverstehen. missverstanden. nicht verstanden. jetzt. wo ich nur abwarten kann. aushalten muss. und schon ist da wieder eine kleine lücke. riesengroß. ungefüllte. zeit. die ich füllen muss. ich darf mich nicht auf gedanken bringen. die sich im kreise drehen und drehen und drehen. und mir das gefühl geben. nicht voranzukommen. nicht weiter zu kommen. auf der stelle zu treten. weg. ablassen. loslassen. die gedanken. die einen nicht weiter bringen. ich habe es gelernt. zwischenzeitlich.

zwischenzeitlich esse ich. ich muss essen. sagen sie. obwohl es mich ankotzt zu essen. aber es beschäftigt. lenkt ab. vom fühlen. füllt. die leere. essen zu müssen ohne essen zu wollen ist erniedrigend. so versuche ich nichts dabei zu denken. nichts dabei zu fühlen. und nichts dabei zu schmecken. ich will mich nicht erinnern an das fehlende. denn selbst das bitterste bitter würde mich nur erinnern. und mich mit sehnsucht fluten. die ich nicht haben will. denn ich kann nichts tun. ich muss aushalten. abwarten. geduld haben. und wie soll man das aushalten. wenn man sehnsucht hat. die sich nicht stillen lässt?

darauf wissen sie keine antwort. du bist uns fremd geworden. sagen sie. weil ihre konzepte nicht mehr auf mich anwendbar sind. ich mir auch. meine konzepte taugen auch nichts mehr. aber ich will mich kennen lernen. und sie mich kennen lehren. danach. aber ich kann es nicht sagen. weil ich noch nicht weiß. selbst nicht weiß. wie lange ich nichts tun kann. aushalten. abwarten. geduld haben. weitermachen. weiterlesen muss. im nichts des nichts. bis es vielleicht irgendwann einmal so weit ist. solange bleibt danach doch immer nur: davor.



©toyn

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Kommentare zu diesem Text


 franky (16.05.10)
Eine Abhandlung in pulsierendem Tempo!
Habe es einige male gelesen und bin mit deinem schwindelerregendem Wortkarusell mitgefahren. Es ist ein "Davor" und auch ein "Danach"
Geschlagene Zeit könnte sich später mal Rächen;
Gib ihr gebührenden Raum sie ist dein Leben.

Herzliche Morgengrüße

Von

Franky
(Kommentar korrigiert am 16.05.2010)

 toyn meinte dazu am 17.05.10:
danke für kommentar und empfehlung franky. freut mich.
auch wenn ich das:
"Geschlagene Zeit könnte sich später mal Rächen;
Gib ihr gebührenden Raum sie ist dein Leben. "
für eine brutal grausame floskel halte.
hier gehts nicht um "geschlagene" zeit franky. hier gehts ums heile werden.

lg toyn.

 redangel (16.05.10)
zwischen davor
und zwischen danach
steckst
weiterhin
du
mittendrin.
darum geht es nämlich.
während ich diesen text gelesen habe, konnte ich mitfühlen.
mit dir, was kein wunder ist. denn heute nacht habe ich geträumt ich hätte fühler es wären mir fühler gewachsen. also muß ich doch fühlen können?
wir verstehen uns. mit und ohne worte.
lg. a.
eine gleichgesinnte.

 toyn antwortete darauf am 17.05.10:
ja. darum gehts. dazwischen ist. mittendrin. mit allem drum und dran. für den erfahrenen. der um das danach weiß. im davor mit allen 'fühlern' fühlt. um den
wird uns nicht bang sein müssen. *l*
wir verstehen uns. so und so. sowieso!
lg miss understood :D
Träumerveve95 (17)
(16.05.10)
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 toyn schrieb daraufhin am 17.05.10:
wow. veve. was für ein kommentar! den mag ich hinter glas stellen. schützen. rahmen. konservieren. damit ich ihn immer wieder hervorholen kann. dann. wenn ich mich wieder mal unverstanden. verletzt. gedemütigt. zurückgewiesen. vorgeführt. und abgewertet fühle. die sinnlosigkeit von allem tun besitz ergreift. und die hoffnung mit unbekanntem ziel verreist. kurz: mein himmelblau mal wieder schwarz färbe. weißt du. verstehen ist ein großes geschenk. dass ich immer ein wenig ungläubig. staunend. entgegennehme. und dann muss ich meistens heulen. so wie jetzt. aber. verstehen ist auch trost. deshalb kann ich auch wieder aufhören. :) dank dir. und. fühl dich geherzt von mir. gisa
LudwigJanssen (54)
(16.05.10)
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 toyn äußerte darauf am 17.05.10:
ein erfahrener erkennt. was der nichterfahrene nur sieht. deshalb du. und. was 'man' so sagt. ist dem anpassungserkrankten ja nicht und nie maßstab je gewesen. deshalb du. und. im walnussschalenboot lernst du sicher nichts über sicherheit. aber über gottvertrauen. deshalb du. verstehst du.?!:]

gisa
eilika (33)
(18.03.12)
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 toyn ergänzte dazu am 25.03.12:
danke eilika. für deine gedanken. von denen ich mich wieder so ganz sonderbar besonders berührt und von meinem imaginären einsamen planeten geführt fühle …
der text ist ursprünglich aus dem jahr 2007. 2010 aus aktuellem anlass marginal überarbeitet. abstand gibt es also. immer wieder. dazwischen. :)
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