Endlosnächte

Text

von  Unbegabt

Mit offenen Augen liege ich flach auf dem Rücken. Ich schwitze, obwohl das Fenster weit offen steht und kühle Nachtluft sich mit der schwülen Luft in meinem Zimmer mischt. Meine nackten Schulterblätter haften an dem hellbraunen Laminat, die Innenseiten meiner Oberschenkel kleben auf unangenehme Weise zusammen. Meine Finger sind kalt und feucht.
Die erste Übelkeitswelle überschwemmt mich wie immer unvorbereitet. Ich keuche und wie von alleine rolle ich mich zu einer Kugel zusammen, halte den Mund fest geschlossen, während ich versuche die Würgereflexe zu unterdrücken und gleichzeitig den stechenden Schmerz in meinem Magen zu ignorieren. Sekunden vergehen. Die Knie an die Brust gedrückt umklammere ich mit den Händen meine Beine, als hinge mein Leben davon ab. Ich würge erneut und frage mich gleichzeitig, wie widerlich es wäre, wenn ich mir selber auf die nackten Beine kotzen würde.
Nach einigen weiteren Sekunden ebbt der Schmerz in meinem Magen ab, langsam strecke ich die zittrigen Beine wieder aus und drehe mich zurück auf den Rücken.
Mein Herz jubelt und klatscht Beifall. Er bringt meinen Kopf zum dröhnen. Keuchend schnappe ich nach Luft und schlucke schwer, schmecke Galle, und den Nachgeschmack von Kaffee. Mein Magen fängt an zu rumpeln und zu gluckern, es schmerzt. Mir wird wieder übel, wenn ich an Essbares denke und schiebe den Gedanken beiseite, dass ich etwas essen sollte. Ich werfe einen Blick auf meinen Radiowecker. 3:44.
Heute Nacht wird er nicht anrufen, heute nicht.  Ich kneife die Augen fest zusammen und versuche nicht vor Enttäuschung loszuheulen.
Mir wird wieder schlecht, diesmal aber nicht wegen einem Magen der Essen fordert und einem Kopf der dieses verweigert. Ich drehe mich halb auf den Bauch, stütze mich auf die Unterarme und ziehe meine Beine unter meinen Körper, so dass ich auf die Knie komme. Erschöpfung. Ich überlege, ob ich den Weg zum Badezimmer auf Knien zurücklegen sollte, befinde es aber doch für zu entwürdigend. Also ziehe ich mich an meinem Kleiderschrank hoch und komme so auf die Beine. Ein Krüppel ist nichts gegen mich.
Auf unsicheren Beinen mache ich einen, zwei, drei Schritte. Schließlich erreiche ich das Badezimmer, setze mich auf den Klodeckel und streiche mir das verschwitzte Haar aus der Stirn. Ich lege meine heiße Stirn auf den Badewannenrand, es ist kein gutes Gefühl, denn die ungewohnte Kälte verursacht mir stechende Kopfschmerzen. Ich warte, aber der Schmerz lässt nicht nach. Widerwillig hebe ich meinen Kopf, mir ist noch immer unerträglich warm. Einige Augenblicke überlege ich, ob es sich lohnen würde aufzustehen und das Fenster zu öffnen. Die Entscheidung bleibt mir erspart, da ich in diesem Moment von einem reißenden Schmerz in meinem Bauch unterbrochen werde. Keuchend rutsche ich von dem Toilettensitz auf den Boden und krümme mich zusammen. Wie immer lässt der Schmerz nach einigen Sekunden nach und ich richte mich halb auf.
Dann klappe ich den Deckel hoch und versuche, das krampfartige Würgen nicht mehr zu unterdrücken. Es klappt nicht und mir wird immer schlechter. „Komm schon!“, knurre ich die Toilettenschüssel an, während mein Magen sich anfühlt, als würde drinnen jemand mit einer Axt Kerben in die Wände schlagen und mein Kopf sich aufs Sterben vorbereitet. Ein Wimmern steigt in meiner Kehle auf und Tränen laufen mir aus den geschlossenen Augen. Ohne sie aufzumachen öffne ich den Mund und stecke mir drei Finger in den Hals.
Mein Herz heult vor Wut.

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Kommentare zu diesem Text


 Sylvia (03.06.10)
Sehr nah deine Beschreibung der Endlosnächte. Für mich schwingt beim Lesen eine gemeine Selbstzerstörung mit...

lieben Gruß
Sylvia

 AZU20 meinte dazu am 03.06.10:
Sehe ich auch so. LG

 makaba (04.06.10)
krasser text. sehr anschaulich beschrieben und nachvollziehbar detailiert geschildert.
wow.
da wird einem ja glatt mit schlecht.
lg makaba

 Unbegabt antwortete darauf am 05.06.10:
danke! auch für die gesamtempfehlung als autorin :)
mia.maria (24)
(12.06.10)
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schrotflinte (23)
(15.06.10)
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