Und schaut aus dem Fenster

Kurzprosa zum Thema Innenwelt

von  princess

Alois Strobl schaut aus dem Fenster. Es regnet Bindfäden. Der Alois ist zufrieden. Er mag Regen. Bei Sonne werfen die Gitter des Fensters schwarze Schatten auf sein Gesicht. Das kann er nicht leiden. Alle paar Minuten sagt einer „Herr Strobl“ zu ihm und fragt, was vorgefallen sei.

Die, die den Alois noch kennen aus seiner Burschenzeit, erzählen, dass ihm früher der Schalk im Nacken gesessen sei. Gelacht habe er, der Alois, gesungen und ganze Nächte durchgetanzt. Kein Weiberrock sei vor ihm sicher gewesen. Die galantesten Schmeicheleien habe er sich ausgedacht. Berühmt sei er gewesen für seinen Charme. Die Mädel mochten ihn.

Später, nach dem Unfall, ist der Alois wunderlich geworden. Bei der Beerdigung hat man ihn weinen hören. Dann ist er verstummt. Von einem Tag auf den anderen. Hat nie wieder mit einem gesprochen. Weggezogen ist er aus dem Dorf. Auf die Hütte oben am Berg. Da hat er allein gelebt. Sommer wie Winter. Hat das Vieh versorgt, Rehböcke geschossen und Schinken geräuchert. „Einsiedler-Lois“ haben die Dorfler gesagt, wenn sie von ihm sprachen und einander die Geschichte des Unfalls zuwisperten. Hinter vorgehaltener Hand.

Die Resi wusste nichts über den Alois und nichts von dem Unfall. Völlig unbefangen war sie, wie sie in jenem Winter den Berg hoch kraxelte und an seiner Hütte vorbei stapfte. Angestrahlt hat sie ihn und freundlich gegrüßt. Da hat sich etwas im Alois gerührt. Seine Augen bekamen einen Glanz, so einen ganz besonderen. Seinen besten Wacholderschinken hat er ihr aufgetischt. Und „bittschön“ hat er gesagt. Das war sehr viel für den Alois. Von da an besuchte die Resi ihn immer wieder. Die Köpfe haben die beiden zusammen gesteckt, miteinander gelacht und der Alois hat Gefühle gefühlt, von denen er vergessen hatte, wie sie sich anfühlen.

Am Kirchweih-Sonntag haben die beiden sich aufgemacht zum Gipfelkreuz. Warm war es und die Sonne schien voller Kraft, obwohl es schon Oktober war. Der Mathias, der Sohn vom Mesner, kam ihnen entgegen und hob die Hand zum Gruß. Die Resi winkte zurück. Als der Alois rüber schaute und sah, dass die Resi dem Mathias winkte, da blitzte etwas auf in seinem Hirn. Durchdringend, gleißend, schrill. Da musste der Alois tun, was in seinem Kopf war. Er konnte nicht anders. Danach hat die Resi nimmer gewinkt.

Alle paar Minuten sagt einer „Herr Strobl“ zu ihm und fragt, was vorgefallen sei. „Sie wollte mich zum Teufel jagen. Da hat der Teufel sie erschlagen“, denkt sich der Alois. Und schaut aus dem Fenster.

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Kommentare zu diesem Text

Songline (45)
(09.10.10)
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 princess meinte dazu am 09.10.10:
Den Strobl? Meinen Strobl? Never ever hatten wir den schon. Er ist nämlich gerade erst taufrisch aus meiner Tastatur geschlüpft, der Alois.
Songline (45) antwortete darauf am 09.10.10:
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 princess schrieb daraufhin am 09.10.10:
Vielleicht hast du mal Urlaub in Bayern gemacht? Da heißt jede dritte Familie 'Strobl'.

 franky (09.10.10)
Hi liebe Ira,

Diese Geschichte gefällt mir! Das frischgeschlüpfte Werk hat es mir angetan... Und Strobl gibt es auch in der Steiermark, dort fahre ich in der nächsten Woche mit Claudia hin.

Viele liebe Grüße vom Rheintal zur Donau

Von Franky

 princess äußerte darauf am 09.10.10:
Herzlichen Dank für Deine Spuren, lieber Franky. Ich habe mich gefreut! Und grüß mir das Kürbiskernland. Liebe Grüße, Ira
stimulanzia (48)
(11.10.10)
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 princess ergänzte dazu am 11.10.10:
Ging mir ähnlich, lieber stimu: Irgendwie lag der Meybaum in der Luft, als der Strobl sich bei mir anmeldete. Wenn auch beim Alois ein vollkommen anderes Thema im Vordergrund steht. Sprachlich war das hier so was wie experimentelles Neuland für mich. Ich bin ja sonst keine Luise Trenker oder so. Insofern freue ich mich ganz besonders über Deine Rückmeldung. Danke und liebe Grüße, Ira

 Kontrastspiegelung meinte dazu am 15.03.12:
Wenn ich mal stimus kommi lese, so schliesse ich mich ihm an.
Und warte gespannt auf deinen naechsten Text.

Mir hatte schon Herr Meybaum gefallen, da dieser von sich aus sprach und dieser gefaellt mir auch, aber nur, weil du die Innenwelt anders veranschaulicht beschrieben hast. Vor allem das Ende, knallt offen rein. Du laesst deinen Leser Freiraum fuer die eigene Interpretation offen und man ueberlegt tiefer “wie, musste das sein, das er seine Einsamkeit teilt, und mehr?„

lg, Konti

 princess meinte dazu am 15.03.12:
Das freut mich sehr, Kathi, dass der Text dich inspirierte, tiefer zu gucken. Man steckt ja eigentlich immer nur in der eigenen Haut. Nur manchmal ist da so ein Gefühl, die Welt auch aus der Haut eines anderen wahrnehmen zu wollen. So wie du heute der Strobelschen Einsamkeit nachspürtest. Ich mag das. Danke und liebe Grüße, Ira
stimulanzia (48) meinte dazu am 15.03.12:
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 Kontrastspiegelung meinte dazu am 15.03.12:
Hey Stimu, ich weiss, du hast es schwer, als   stimulanzia. Bist 24h Aktiv.. Da ist es schon mal normal, sich selbst Fremd zu sein und den Überblick zu verlieren. Aber sei getrost, eine Kontrastspiegelung hat es auch nicht leicht, sich immer verstehen zu wollen und am Anfang vor der Spiegelung wieder zu stehen, doch das macht das Leben nicht langweilig :)) *Zwei Bierflaschen für stimu-lanzia reichen ;P

 princess meinte dazu am 16.03.12:
Lieber stimu, das von dir beschriebene Phänomen finde ich in dieser schönen Hymne an stimu[/b][/color] besonders treffend umgesetzt. Also hier für dich und alle und überhaupt und zum Mitsingen! )) Ich danke dir und schicke liebe Grüße, Ira
(Antwort korrigiert am 16.03.2012)
(Antwort korrigiert am 16.03.2012)

 princess meinte dazu am 16.03.12:
Kathi, nur zur Erinnerung: ich[/color] bin die Person mit dem schwersten Leben. Nur damit da keine Missverständnisse einreißen!

 Kontrastspiegelung meinte dazu am 04.01.14:
liebe princess... jahre, wolken, sonnen und monde sind vergangen und ich frage mich, ob sie immer noch so SCHWERES leben haben? :-P

im übrigen, jahre verändern einen, die innenwelt, und manchmal ist es schwer neutral zu denken, wenn die gefühle überrumpeln. ich mag das kurzprosa.

liebe grüße, kathi

 princess meinte dazu am 04.01.14:
Manchmal bin ich auch tapfer. Dann ist es weniger schwer.
supernova (51)
(17.10.10)
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 princess meinte dazu am 17.10.10:
Danke Bea für diesen Kommentar, über den ich mich sehr gefreut habe. *Nachvollziehbar und nicht wertend*: Das war mir wichtig. Gut zu hören, dass es wohl auch so rüberkam.
Und: Das heitere Beruferaten setze ich mit Dir unter Ausschluss der Öffentlichkeiit fort! Liebe Grüße, Ira

 Skala (21.11.10)
Oh... oh... oh wow, der ist krass. Also der Text, und der Alois natürlich auch. Jetzt weiß ich nicht, ob er mir Leid tun soll, oder nicht... ja, ich glaube schon... erst musste ich ein bisschen an Heidi und den Alm-Öhi denken, aber Alois ist irgendwie geheimnisvoller!
Vergrübelte Grüße, Ranky.

 princess meinte dazu am 22.11.10:
Hallo Ranky,
danke für deinen tollen Kommentar! Freut mich sehr, dass der Text und... der Alois dein Herz erreichen konnten. Darüber darf man schon mal ein bisschen grübeln... Viele liebe Grüße an dich, Ira
Gabililith (54)
(29.12.10)
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 princess meinte dazu am 29.12.10:
Liebe Gabi,
ich freue mich sehr, dass meine Texte bei dir Resonanz erzeugen. *Eine Mittlerin der Welten* könnte ich sein? Das wäre toll! Ich erlebe mich selbst nämlich eher als eine Strudlerin durch dieselben...
Vielen Dank und liebe Grüße, Ira
fragilfluegelig (49)
(15.03.12)
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 princess meinte dazu am 15.03.12:
Ganz besonders toll finde ich an deinem Kommentar die Passage mit dem von dir so geschätzten princess-Style. Deswegen hab ich die jetzt extra hier auch noch mal reingeschrieben!
Ich freue mich sehr, dass du dich auf den Text einlassen mochtest. Ursache und Wirkung - you never know. Was für die Resi völlig harmlos war, ließ die Sicherungen beim Alois durchbrennen. Und ich frage mich gerade, ob es wirklich so einfach ist. Wie gesagt: you never know.
Herzlichen Dank für deine Gedanken und sonnige Grüße an die Frau mit den fragilen Flügeln, Ira

 RomanTikker (15.03.12)
Hut ab, sehr respektabel erzählt und geschrieben. Habe meinen Vorrednern nicht mehr viel hinzuzufügen. Eindringlich und doch distanziert. Der Princess-Stil? Ira-tionalismus? :0) Sieht so aus, als sollte ich öfter mal hier vorbeischauen. Ich nehm's mir vor.
Mit kollegialen Grüßen!
Roman

 princess meinte dazu am 15.03.12:
Respektabler Ira-tionalismus... ha, das gefällt mir ja nun auch ganz außerordentlich, Herr Kollege! ) Danke für deinen Besuch und die Spuren, ich freue mich sehr darüber. Liebe Grüße, Ira
eilika (33)
(09.10.12)
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 princess meinte dazu am 09.10.12:
Ich hatte beim Schreiben die Geschichte nicht nur im Kopf sondern vor allem im Gefühl. Vielleicht zu nah, um sehen zu können, dass das *Innenleben*, das ich selbst bei jedem Wort mitdachte und mitspürte, nach außen nicht wirklich transparent wird. Danke für den Hinweis, der mir hilft, bewusster zu werden für Schärfe und Unschärfe in diesen Dingen.
eilika (33) meinte dazu am 09.10.12:
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 princess meinte dazu am 10.10.12:
Fragen finde ich gut. Also, natürlich nicht alle Fragen. Aber solche Fragen. Und ... du hast genau die Antworten gefunden, die in menem Kopf waren. Da siehste mal.
Adrian (65)
(28.11.12)
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 princess meinte dazu am 29.11.12:
Ui, das ist aber ein schöner Kommentar! Ich freue mich sehr, Herr Adrian mit de Badschkapp. Herzlichen Dank und liebe Grüße, Ira

 harzgebirgler (14.08.17)
resi hätt’ soll’n den lois sofort voll knicken / doch oft merkt herz zu spät wie manche ticken! herzliche abendgrüße von henning

 princess meinte dazu am 14.08.17:
Wie stand es früher mal in meinem Poesiealbum? "Rat nach Tat kommt zu spat!" Danke, lieber Henning, und herzliche Grüße, Ira
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