Weniger ist manchmal mehr

Geschichte zum Thema Selbstbestimmung

von  Muuuzi

„Nein. So geh doch fort. Ich will dich nicht hier haben! Verstehst du nicht? Warum kannst du dich nicht benehmen? Glaubst du wirklich dass ich das mache? Für wie blöd hältst du mich? Ich versteh dich ja doch nicht. Was redest du? Ach! Mir reicht es jetzt wirklich. Raus hier.  Jetzt geh schon.  Ich habe jetzt keine Zeit für deine Spielchen!! Du bist doch verrückt!“, sagte die steinreiche Frau und warf es aus der Suite.

Traurig geht es aus ihren Blickfeld. Bekümmert und mit schwerem Gemüt schlendert es die kalte und leere Straße entlang. Bald ist es dunkel. Es ist kalt und die Regenperlen tropfen vom Himmel, der zu einem Schlachtplatz geworden ist. Donner und Blitz kämpfen mit harten Waffen. Die Sonne hat kaum eine Chance. Sie wird entführt und ins Hinterland gebracht. Verdeckt, versteckt und ermordet.  Zu früh. Und der Regen weint. Leise. Doch er wird stärker. Und das kleine Etwas schlendert einsam vor sich hin.
Niemand will es haben. Niemand bemerkt seinen guten Willen, den Menschen einfach nur eine Freude machen zu wollen. Es fühlt sich von der Welt und ihren Mitbewohnern vergessen.

Es ist klein. Es ist rund und Gelb. Manchmal auch Blau. Selten Grün und ab und zu Purpur.  Es versucht, dass es mit ihnen kommuniziert. Mit den Menschen. Denn sie brauchen es. Und es braucht sie.  Doch niemand von diesen komischen Wesen namens Menschen will das verstehen.
Sie machen es ihm nicht leicht. Immer wieder wenden sie sich weg oder treten mit Füßen auf das arme, zierliche Wesen, das eigentlich nur versucht, ihnen zu helfen.

Der Regen beruhigt sich. Er verzeiht und er verschwindet.  Doch das zerrissene Himmelsbett bleibt. Spuren des Kampfes sind noch zu erkennen. Mittlerweile ist es Morgen geworden.  Es dämmert. Die Welt erstrahlt erneut in einer Symphonie des Lichtes. Sie verwandelt ihre Düsternis und Dunkelheit in eine vertragene Welt des Verzeihens und Hoffens. Sie erholt sich. Gold schimmern die Bäume, Wiesen, Felder und Häuser. Rot glänzen die Wolken, Bäche und Meere. Silber sind die Menschen und Tiere. Der Einklang der Harmonie tanzt.
Doch das kleine Etwas sitzt alleine auf dem Straßenrand. Es stützt seinen runden Kopf auf die winzigen Hände. Es denkt nach. Für ihn ist alles grau und tot. Es erkennt die Farbenpracht nicht.
Denn es kämpft nun schon so lange um den Verstand der Menschen. Immer wieder bietet es ihnen Möglichkeiten. Es versucht, dass es mit ihnen teilt. Doch niemand hört zu. Niemand sieht zu. Niemand fühlt mit.
Und dann weint es leise. Doch auch seine Tränen werden zu immer größer werdenden Niederschlägen. Wild und ungezähmt finden sie ihren Weg und befeuchten die Wangen des kleinen Dinges. Die Tränen sind skrupellos. Unbarmherzig und eiskalt. Sie tun was sie wollen. Sie haben kein Mitleid sondern ergießen sich immer weiter aus den nassen Augen.
Irgendwann wacht das kleine Ding auf. Die Sonne steht schon hoch am Firmament.

Der Horizont ist verschwommen und verschmilzt mit dem Himmel zu einem Gemisch aus Unendlichkeit und Unsterblichkeit.
Es ist auch unsterblich.
Die Stunde taucht auf und klopft dem Ding auf die Schulter. „Mach dir nichts draus. Du weißt, dass du dich auf mich immer verlassen kannst. Egal was passiert. Ich begleite dich dein unendliches Leben lang. Meine Geschwister werden auch bei dir sein. Die Minuten und Sekunden. Die Tage und Wochen. Die ganze Familie namens Zeit umgibt dich. Du bist also nicht allein. Wir passen auf dich auf. Das verspreche ich dir.“
Es lächelt. Die Stunde lächelt auch. Sie ist schwarz gekleidet und schaut etwa aus wie eine einzelne Note. Es mag die Stunde sehr. Sie erinnert es an die Musik des Lebens. Und es schöpft neue Hoffnung auf einen neuen Versuch.
Es geht schon bald um die Ecke und landet in einer kleineren Straße. Häuser umgeben es.  Wäscheleinen verbinden einzelne Fenster miteinander. Rote Socken, beige Unterhosen und rosagestreifte Pullover hängen wahllos und etwas gelangweilt herab. Sie warten schon sehr lange, dass sie endlich trocken werden würden. Doch das Regenspiel machte ihnen die Wartezeit nur noch länger.
Das Ding musste schmunzeln. Es blieb an einer Tür stehen und öffnete sie mit lautem Knarren.
Es trat ein und entdeckte einen dunklen und feuchten Flur. Anscheinend war das Dach nicht mehr ganz dicht und wehrte den Regen nur halbwegs ab. Es stinkt unerträglich. Das kleine Ding hielt sich die Nase zu und seufzt.  Es schreitet langsam und vorsichtig voran und weicht bei jedem kleinen Geräusch sofort zurück.
Nach einer ewigen Ewigkeit kam es zu einer weiteren Tür, die schon etwas modrig und alt war. Es schreitet durch und befand sich in einem größeren Raum, der jedoch keinesfalls sauberer oder gepflegter war. Darin befanden sich ein Tisch, ein Stuhl, ein Schrank und eine Herdplatte. Sie alle lächelten, als das Ding durch die Tür kam.
Ganz hinten entdeckte es außerdem noch ein Bett. Es war alt und die Beine waren eingedrückt und würden bald einbrechen. Das Ding kam näher und sang ganz leise. Zuerst summte es eine Melodie, doch dann fing es an, immer lauter und deutlicher zu singen. Die verbrauchten Möbel tanzten auf ihre Art und Weise. Sie erfreuten sich dieser einzigartigen Symphonie.
Bald erkannte das Ding ein Wesen unter dem Bett. Es stank sehr stark nach Elend, Schnaps und Muffelabartigkeit. Das Wesen bewegte sich nicht. Nur das schnarchende Atmen deutete darauf hin, dass das Wesen noch lebte. Das Ding kannte sich in seinem Beruf so gut aus, dass es wusste, dass dies ein Mensch sein musste. Sein Spezialgebiet. Schmunzelnd zog es die Decke weg und enthüllte somit einen dicken, fetten und stinkenden Mann, der unrasiert war und sehr mitleidsdürftig wirkte. Seine Haare waren ihm alle ausgefallen. Seine Haut war bereits faltig. Seine Lippen aufgesprungen und rau. Alles in Allem war er ein großes Häufchen Elend. Doch das schreckte das Etwas nicht ab. Im Gegenteil. Es liebte solche Herausforderungen. Einsame Menschen sind meistens so einsam, dass sie sich sogar mit dem Ding einlassen würden. Selten aber doch.
Das Ding war guter Hoffnung und spazierte kurzer Hand über den Bauch des Dicken.
„Wach auf!“
„Brrrmmm“
„Wach auf habe ich gesagt! Hörst du! Du verschläfst ja dein ganzes Leben!“
„Brrrrmmm Brrmmm“
„Jetzt hab ich aber genug. Wach jetzt sofort auf, sonst entgeht dir eine ganz wunderbare Sache. Das willst du doch nicht. Oder? Jetzt komm schon. Es dauert nicht lange. Du musst mir nur kurz zuhören!“
„Brrrrmmm… Ich will schlafen. Lass mich in Ruhe!“
„Nein. Das kann ich nicht. Sonst vergeht dein Leben, ohne dass du ES gespürt hast! Ich will dir doch nur helfen!“, sagte das Etwas ganz melancholisch.
„Was meinst du?“, fragte der Mann schlaftrunken
„Na DAS!“
„Jaja schon gut. Ich bin ja schon auf. Ach. Nicht mal in seiner eigenen Wohnung hat man seine Ruhe! Wer… äähh… was zum Teufel bist du überhaupt?“
„Niemand. Nur ein Helfer. Ich will versuchen, dass du wieder in die Spur des Lebens steigst. Du bist offensichtlich vom Weg abgekommen.“
„Ähhhhhh… hmmm… ähhmmm!“
„Na siehst du! Nun auf mit dir. Wir haben nun viel zu tun. Zuerst gehst du unter die Dusche und wäscht dich. Das hält doch keiner aus. Nicht mal ich. Und ich habe nicht einmal eine richtige Nase. Also los. Schnell.“, sagte es froh.
„Jaja… wuuuuhhhaaaaa… ich gehe ja schon.“
„Schneller…!“
Der Mann duschte sich. Das Ding half ihm, dass er sich rasierte und ordentlich anzog.
„So nun fangen wir an! Eine große Aufgabe. Aber ich denke wir schaffen das schon, wenn wir zusammenhelfen.“
„Was machen wir?“, fragte er.
„Vieles, aber auf keinen Fall nichts.“
„Hmmm“
„Weißt du, nur sehr wenige Menschen verstehen mich. Für die meisten Menschen bin ich unsichtbar. Sie wollen mich nicht bei sich haben. Dabei will ich nur das Beste für sie. Doch sie erkennen es nicht, weil sie nicht zuhören!“
„Hmm… und was willst du von mir?“
„Vieles, aber auf keinen Fall nichts.“
„Hmmm“
„Ich will dich begleiten. Ich will ein Lichtstrahl in deinem Leben sein. Ich will, dass es dir gut geht. Dass du den Sinn des Lebens erkennst. Viele Menschen tun das nicht. Ich biete dir eine Möglichkeit. Aber du musst was tun dafür.“
„Was?“
„Schenke den Menschen Dinge, die dir wichtig sind. Die wertvoll für dich sind!“
„Was??? Bist du verrückt? Du spinnst ja!“
„Vertrau mir! Es hilft. Du wirst schon sehen!“
„Ich habe aber nichts! Siehst du denn nicht, dass ich ein Penner bin?“
„Darum geht es nicht!“
Der Mann schaute das Wesen lange an. Er dachte nach. Was sollte er tun? Alles hergeben? Irgendwen? Für was? Wozu und Warum? Um dann noch weniger zu haben, als jetzt?
„Ich mache es.“, sagte er spontan, obwohl er eigentlich das Wesen beim Schopf nehmen wollte und es in hohen Bogen über den Fluss ans andere Ufer befördern wollte.
„Gut. Du wirst es nicht bereuen!“

Der Mann verschenkte den Tag darauf sein ganzes Hab und Gut. Auch wenn es nicht viel war. Er musste es tun. Auch wenn er noch zweifelte. Doch er spürte was…Und bald schon spürte er etwas Großes…
Viele Menschen freuten sich. Viele Menschen konnten diese Dinge brauchen. Diejenigen, die noch weniger hatten, als er. Und da gab es viele. Sie waren dankbar. Sie lächelten.

Sie waren fassungslos über seine selbstlose Großzügigkeit.
Auch der Mann musste lächeln. Obwohl er eigentlich nicht lachen wollte.
Plötzlich füllte sich in ihm ein Gefühl, dass er kaum kannte.
Wie ein Lichtstrahl breitete sich das warme, wachsende Gefühl aus. Es umfasst wunderschöne Gefühle, die kaum zu beschreiben waren. Es war königlich. Es glänzte in allen erdenklichen Farben. Es beschrieb alle schönen Wörter und genoss ein Antlitz, das viel würdiger war, als alles andere auf dieser Welt. Er spürte es, als er sah, wie sich andere Menschen freuten.
Und das Ding namens Glück hatte seine Aufgabe erreicht. Nun musste es nicht mehr traurig sein. Und der Mann auch nicht. a
Glück ist und bleibt das beste Geschenk der Welt...


Anmerkung von Muuuzi:

für managarm

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (06.03.11)
Ein Glücksfund, diese fantasievolle Geschichte
LG Ekki

 Muuuzi meinte dazu am 06.03.11:
das freut mich sehr. Danke!

 AZU20 antwortete darauf am 07.03.11:
Da stimme ich zu. LG
managarm (57)
(07.03.11)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Muuuzi schrieb daraufhin am 07.03.11:
In der Kürze liegt die Würze
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram