Partnertausch

Satire zum Thema Cyberlove

von  Ephemere

Ich hatte es also mit online-Dating probiert, nach all den Jahren der Selbstfragerei, ob das wirklich funktionieren könne. So hatte ich Mareike kennengelernt. Mareike, 27, Bibliothekarin, könnte gut zu mir passen. War in meinem AOL-Postfach zu lesen gewesen. 95 Matching Points, ein hoher IQ und genetisch sei der Overlap auch ganz passabel.

Natürlich hatte ich die  Finger vom Anfängerkram gelassen und das elitärste Portal gewählt. Fünfundfuffzig Euro den Monat, dafür aber mit allen Wassern gewaschen: Psychotest mit Repertory Grid und wissenschaftlicher Beirat mit einem Psychologen der Uni München, der für seine interdisziplinäre Herangehensweise bekannt und allseits geschätzt war. Für weitere zweihundert Euro gab es die genetische Analyse dazu – durch die Studenten der medizinischen Fakultät selbiger Institution, selbstverständlich in Zusammenarbeit mit den Seelenkundlern erstellt. 80 Prozent Vermittlungsquote pries das Portal an – eine Zahl, die ZEIT WISSEN nach investigativen Recherchen als „glaubwürdig“  bezeichnet hatte.

Mareike also. Wir hatten eine schöne Zeit – schließlich wussten wir ja schon vor dem ersten Treffen, dass wir ein hervorragendes Paar ergeben würden. Es gab also nicht mehr viel zu tun, lästige Fragerei, das bange Forschen, entfiel, wir starteten direkt mit Sex, Derrida und Lebensplanung. Liebe, diese Schwärmerei, war ein weniger zuverlässiger Indikator als die gewichteten und gewichtigen Daten. Mit der Sicherheit, nicht danebengreifen zu können, und den hormonellen Gratifikationen stellte sich eine angenehme Nähe zeitnah ein.

Ich war auch wirklich zufrieden, Kundenbewertung glatte fünf Sterne – ich wusste nicht viel von ihr, doch vertraute dem System und genoss ein angenehmes Leben. Ein Leben ohne Fragen, im Wissen ohne zu Lernen – Beziehung mit SSL-Zertifikat. Ihr jedoch kamen nach einigen Wochen Zweifel, ob das Verfahren zufriedenstellend funktioniert hatte (verdammte Bibliothekare…es musste einen Fehler im Verfahren geben, wenn es Leute nutzten, die dann meinten, den Ergebnissen hinterherkalkulieren zu müssen). Als Partner hatte es ihr einen Mann mit gehobenen NLP-Skills empfohlen, meine persuasiven Fähigkeiten reichten jedoch nicht aus, um den Fachhändler zu überzeugen, meinen defekten Laptop (fatal: DELL statt Mac) zurückzunehmen. Einen Siegertyp hatte sie bestellt, aber die Bücher, die laut Kladdentext Gewinner lesen, hatte mir sämtlich mein Vater vermacht. Und mein Nachname war ebenfalls nicht wirklich passend – vom Flow her und auch auf der semantischen Ebene.

Also kündigte sie mir an, mich zurückzugeben. Da wir bereits mehr als zwei Wochen zusammen waren, war die übliche Widerrufsfrist bei  online-Bestellungen bereits verstrichen, doch das Portal, das sehr stolz war auf seine Reputation und den Beirat mit dem Professor aus München, gab grundsätzlich 6 Monate Gewährleistung.

„Habe ich es nicht verdient, besser behandelt zu werden als ein Möbelstück, Handschuhe oder eine DVD?“ Fragte ich vorwurfsvoll. „Womit?“ entgegnete sie. Ich konnte es ihr nicht sagen. Man konnte kein Glas auf mir abstellen – es würde nicht stehenbleiben, sondern leer. Ich war nicht kleidsam und bar sonderlicher Spezialeffekte.

Sie tauschte mich schließlich ein gegen den Typen aus der Getränkehandlung von um die Ecke und bekam als Entschädigung für das fehlerhafte Matching einen Staubsauger und ein Sixpack Krombacher obendrein. Ich meldete mich ab.

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