Wehemir und Zerfahrenheit (Geburtstag von Oma Luzifinska)

Erzählung zum Thema Abenteuer

von  franky

*

Schlimmer als unten durch, riss es dem Teufel die Beine vom Hocker. „Großmutter Luzifinska hat übermorgen ihren neunhundertsten Geburtstag, da werde ich einen Sonderboten in ihre Altenresidenz schicken. Der soll der alten Dame ein gebührendes Fest bereiten. Mal sehen, ob sie die neunhundert Kerzen ausblasen kann; Wenn nicht, dann gnade ihr Gott!“
Der Teufel hatte sie bereits von der Gehaltsliste gestrichen. Großmutter Luzifinska wartete schon sechshundert Jahre auf das Jüngste Gericht. Vorzeitiges Aus oder Hinscheiden war im Schwartenbuch der heiligen Kühe nicht vorgesehen gewesen. Da halfen auch schlimmste Wutausbrüche des Teufelenkels nichts.
Die Schreddermäuse im Mohrenschloß übten hinter vorgehaltener Finte ein Ballett: Reich mir den Huf Luzifinska.
Zerfahrenheit nahm sich sein einziges Herz und klopfte an das stark verwitterte Tor. „Will mal sehen, ob da mein Freund Wehemir zu finden ist.“ Als sich nichts zu rühren schien, zog er die Axt von Wehemir aus dem Türrahmen und schlug etwas heftiger gegen das Tor. „Oh weia!“ Ein morsches Teil brach heraus und polterte in den Innenhof.
Das aufmerksame Ohr registrierte sofort diese Erschütterung und sprang aus den Federn. „Eine Abwehr muss blitzartig auf die Beine gestellt werden.“
Zerfahrenheit schob seinen Arm durch das entstandene Loch im Tor und stieß den Riegel von innen auf.
Ein aufmerksames Krähenauge hatte den Besucher längst registriert und der Zentrale gemeldet. „Zerfahrenheit mit Huftier Nüston eingetroffen.“ Zerfahrenheit betrat mit vorsichtiger Neugier den Innenhof, streifte seine Kleider ab und stieg in den friedlich scheinenden Weiher. Auch Nüston trabte ans Ufer um seinen Durst zu löschen. In der Baumkrone der ehrwürdigen alten Eiche wurde es plötzlich laut. Nervöses Krähengeschrei hallte über den Burghof. Es klang recht bedrohlich. Zerfahrenheit konnte das seltsame Gekrächze noch gar nicht deuten, da packt ihn schon ein brutaler Sog an den Beinen, und er wurde durch das geheime Loch in die stinkige Höhle gezogen.
Nüston sah wie sein Herr unter der Wasseroberfläche verschwand. Er wollte nachsehen, wohin Zerfahrenheit abgetaucht war. Drei wild flatterkullierende Krähen flogen über seinen Kopf und riefen ihm zu: „Nicht schwimmen, eine gefährliche Falle.“
Nüston konnte diese Krähensprache halbwegs verstehen, in der Schule hatte man ihm dieses Kreischen beibringen wollen, mehr als eine Vier ist es im Zeugnis nicht geworden. Zum Zeichen, dass er verstanden habe, ließ er ein lautes Pferde-Ja über den Burghof schallen.
Wehemir schlang im Erwachen seine Arme um Weheline. „Du bist der größte Schatz, der je in meine Hände kam“, flüsterte er seiner lieben Frau ins Ohr. Da mischte sich ein bekanntes Wiehern durch die glaslosen Fenster in seine Worte. „Das war Nüston!“ „Kein Zweifel!“
Auch Weheline kannte diese Stimme aus ihrem früheren Leben. Beide sprangen aus dem Bett, zogen ihre Kleider an, um dann diesen Lauten nachzugehen. Sie fanden Nüston verzweifelt schnaubend am Weiher stehen. „Was ist den mein Guter?“ Wehemir tätschelte Nüston beruhigend am Hals. Weheline lief dem Ufer entlang und kehrte mit einigen Kleidungsstücken zu Wehemir zurück. „Die gehören doch Zerfahrenheit!“ „Oh ja, das zeigt nichts Gutes, Zerfahrenheit wird bestimmt in des Teufels Höhle verklappt worden sein.“
Zerfahrenheit schlug sehr unsanft auf den Höhlenboden auf. Dabei konnte er sich keinen vernünftigen Reim darauf machen, warum so etwas passieren konnte; Eine stinkige Höllendunkelheit erfüllte den fensterlosen Raum. Ein gedankenschwerer Ast stürzt auf seine Oberleitung! „Schieß los, Neugier!“ knurrte Zerfahrenheit in seiner nackten verzweifelten Daseinsform. „Was blubbert in deiner fündigen Nasszelle?“
So unschlüssig war Neugier lange nicht mehr; „Was soll ich sagen? Schüren löst keine Fragen.“ Zog ihren Zipfel zurück, der Ranzen aber blähte sich vor Neugier.
Zerfahrenheit richtete sich auf und suchte mit den Händen die schlüpfrigen Wände nach einer Ausstiegsmöglichkeit ab. „Nichts! Aber schon unvorstellbar gar nichts kann man da ausfindig machen.“
Ach! „Da war doch ein dumpfer „Plumps zu hören!“ Zerfahrenheit kniete nieder und fand an der Stelle Wehemirs Axt mit einem Seil verbunden. „Wenn die mich getroffen hätte!“ Er hob sie auf und zog an dem Seil. Da schlingert das Seil nach oben an die Decke und von hier in den Weiher. Zerfahrenheit klammerte sich an der Axt fest und schlüpfte so auch mit in die Freiheit. Als Zerfahrenheit an die Oberfläche tauchte, machten Nüston und Wehemir vor Freude einen Luftsprung.
Die Krähen flogen eine Ehrenrunde über den Burghof. von ihnen stammte doch die Idee mit dem Seil, das hatte dann dem Ganzen den entscheidenden Bypass gesetzt.
In Teufels Küche wurde strengst geheim an der Geburtstagstorte für Oma Luzifinska gearbeitet. Der große Boss ließ es sich nicht nehmen und schlich an den Teig, um mit seinen schwarzen Fingern von dem köstlichen Teig zu schlecken. „Etwas mehr Schwefel könnte man noch beifügen!“
Der Sattelschlepper für den Transport steht schon im Vorhof parat. „Und  neunhundert Kerzen für diese alte Hexe!“ „So wie die gesundheitlich dasteht, kann sie leicht tausend Jahre alt werden;“ Er kratzte sich am Kopf und stieß einen fürchterlichen Fluch aus: „Diese verdammten Krähen, haben meinen viele hundert Jahre alten wuchernden Kopfschmuck einfach abgemäht.“
Nur noch  Flaum konnte man am Schädel feststellen. Bis das wieder in Ordnung kommt, muss der Höllenmeister ein Toupet tragen, sonst passt ja die kostbare Krone nicht mehr ...
Geschwänzte, flinke Höllenköche schoben den riesigen Teig in einen Hochofen. Dort wird diese Masse zu ehrwürdigen Geburtstagskuchen gebäckert. „Was könnte man da hineinschmuggeln, dass der Alten den neunhundertjährigen Kopf wegreißt? Die ist so mit allen Wässerchen gewaschen, dass es zum Himmel stinkt!“
Am liebsten würde er einen Dynamitgurt herumbinden, damit sie  sich beim Geburtstagskuss in die Luft sprengt. „Aber die Alte hat ganz bestimmt ihren schusssicheren Unterrock bis zum Kinn hochgezogen.“ In solche Gedanken versunken verließ der schwarze Boss, nervös mit dem Schwanz wedelnd, die Höllenküche.
Die zweite, an Wehemir gescheiterte Teufelsbraut, saß vor dem Spiegel und betrachtete die ziemlich gut verheilte Wunde, die sich über ihren Schädel zog. „Ich kann mich an gar nichts erinnern!“ Sie klappte ihren Laptop auf und sah sich den letzten Einsatzort an. „Das ist doch eine total verfallene alte Ritterburg, was hatte die mit meinem lädierten Kopf zu tun? Und was hatte ich dort zu suchen?“
Das Navi beschrieb ihr den verwinkelten, langen Weg dort hin. Ein spitzer Klick kündigte eine neue Mail an. „Sie sind zur neunhundertsten Geburtstagsfeier von Oma Luzifinska eingeladen.“ Unterschrift: „Der Boss“
„Du arschgelöcherte Brandblase! Wie soll ich das schaffen!?“
Weheline flatterte von der Krähenstation eine ausgedruckte Mail in die Hände.
„Sie sind zur neunhundertsten Geburtstagsfeier von Oma Luzifinska eingeladen.“ Wehemir glühte vor Wut der Docht und riss die Mail in zwei Stücke. Blut rann aus den Rissstellen. Alle blickten erschrocken zu Wehemier, der das Blatt wieder zusammenfügte und so größeres Unheil abwandte.
Weheline meinte aufgeregt: „Der Teufel hat mich nicht aus seinem Adressbuch gelöscht.“ Wehemir und Zerfahrenheit sahen sich ratlos an und schickten kleine Seufzerwölkchen in den Himmel.
In Omas Luzifinskas Altenresidenz hatte eine teuflische Emsigkeit platzgegriffen. Es wurde gefegt, gebaut, gefummelt und geschmückt. Auf dem großen Platz inmitten des Parks errichtete man eine prächtige Bühne. Der Defektteufel schlich sich als unscheinbarer Schatten unter die massive Bühnenkonstruktion. „Ha, ha, ha! Da habe ich schon eine tolle Idee!“ Schlug sich mit beiden Händen auf die schwarze Lederhose, dass der Schwefelsaft nur so spritzte.
Als der große Moment der Geburtstagstorte kam, stieg Oma Luzifinska an einer kleinen Leiter hinauf auf den oberen Rand der Torte, um die neunhundert Kerzen auszublasen. Sie hatte sich vorausschauend sich einen Breitwinkelpuster angeschafft. „Der alte Gauner soll nicht glauben, ich sei für die neunhundert Kerzen zu schwach. Der wird noch staunen!“ Oben angekommen, hielt Luzifinska eine kurze Dankesrede. Die riesige Geburtstagsgesellschaft quittierte das mit entsprechendem Applaus. Das Schreddermäuseballett kam in Reigenformation angeflogen und umkreisten dieses ehrwürdige Haupt und sangen dabei: „Reich mir den Huf Luzifinska.“ Die Oma streckte ihr linkes Bein hoch und dirigierte die perfekte Vorführung. Tosender Beifall für diese Darbietung.
Oma Luzifinska setzte dann das Blasrohr an die Lippen und ein Sturm donnerte über die Kerzenlichter. Alle verlöschten bis auf eines. Dort, wo der heftige Windstoß über die Lichter gefegt war, begann sich das ganze Gebilde erst leicht zu Seite zu neigen, stürzte dann mit Krachen und Knirschen in die rings um grölenden Geburtstagsgäste. Viele wurden unter der Kuchenmasse begraben und kämpften ums Überleben. Andere wieder stopften diese köstliche Gabe von oben in sich hinein.
Oma Luzifinska kippte samt Blasgerät vorn über in ihre Geburtstagstorte. Sie trug den Puster noch in den Händen. Mit vorletzter Kraft blies sie in das Mundstück, dadurch entstand eine große Luftblase um ihren Kopf, der sie wieder frei atmen ließ.
“Scher dich zum Himmel, du abgefuckter Zähnebrecher!
Sie erblickte den Defektteufel, der sich mit seinem Huf an der abgebrochenen Stütze der Bühne verhakt hatte. „Zur Strafe sollst du bis an dein klägliches Ende mit diesem Eisenklumpen herumlaufen müssen, es sei den: Es kauft dir jemand diesen Fehltritt ab.“
Zerfahrenheit, nebst Wehemir und Weheline standen in der letzten Reihe und konnten alles unbeschadet verfolgen. „Und jenes Licht?“ schnupfte Zerfahrenheit, „Will mal sehen was darunter liegt.“ Zerfahrenheit stapfte zu der einzigen Kerze, die immer noch brannte. Aus der Kuchenmasse ragte eine Hand, die Zerfahrenheit ergriff, sie schien auch sein Herz zu ergreifen. „Das ist doch der Engel, der mich nachts mal unverhofft besuchte, sich dann aber flugs verflüchtigt hatte.“ „Will diesen Teufelsengel vorsichtshalber mal retten.“

*
© F. Puschnik

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Kommentare zu diesem Text

magenta (65)
(12.02.12)
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 franky meinte dazu am 12.02.12:
Danke liebe Heidrung,

Dein Angebot würde ich gerne in Anspruch nehmen.
Freut mich, dass dir meine verrückte Geschichte gefällt.
Danke auch für den Doppelklick.

Liebe Grüße

Franky

 AZU20 (12.02.12)
Verrückte Geschichte. LG
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