Obsoletes Erröten

Satire zum Thema Selbstdarstellung

von  loslosch

Grammaticus non erubescet soloecismo, si sciens fecit, erubescet, si nesciens (Seneca, Um die Zeitenwende bis 65 n. Chr.; Epistulae morales). Ein Grammatiker wird ob eines Syntaxfehlers nicht erröten, sofern er ihn wissentlich machte, er wird (jedoch) erröten, wenn es an seinem mangelnden Wissen lag.

Wegen solcher Belanglosigkeiten soll die geistige Elite Roms errötet sein? Der Farbtest würde heute glatt misslingen; denn keiner wird mehr rot. Weit schlimmer: Eine hohe Ministerialbeamtin tadelte einmal eine Formulierung in der Vorlage ihres Mitarbeiters mit den Worten: "So kann man das nicht schreiben." Der wieder berief sich auf ein Papier seiner Chefin mit ebendieser Wortwahl. "So? Dann zeigen Sie mir bitte mal diesen Text." Nach der Lektüre bemerkte die Ministerialdirigentin ungerührt: "Dann hab ich den Brief unterschrieben, aber vorher nicht durchgesehen."

Dabei verfärbte sich ihr Teint nicht.


Anmerkung von loslosch:

Satiren, die das Leben schreibt.

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Kommentare zu diesem Text


 Bergmann (27.02.12)
Es gibt manchmal doppelte Wahrheiten oder parallele oder wie auch immer. Die Argumentation des Mitarbeiters war zu schwach, weil unsachlich.
ttU

 loslosch meinte dazu am 27.02.12:
uli, war ich undeutlich?

sie hatte ein eigenes "grundsatzpapier" herumgereicht und kannte ihre formulierungen nicht mehr! diese UAL lassen sich oft papiere schreiben, die sie nur unterschreiben. es ging damals das geflügelte wort: der UAL schreibt nicht, sondern er unterschreibt nur. die dame hat in ihrer "not" sogar die wahrheit gesagt.

da bleibt nur fremdschämen. t.t. lo

anmerkung zur klarstellung: die formulierung im dokument der chefin hatte mir zugesagt. daher übernahm ich sie. sie hätte allenfalls sagen können, sie habe ihre auffassung inzwischen geändert. wäre aber unangenehm gewesen; denn das von ihr unterschriebene schriftstück war noch brandaktuell. vermeintlich wichtige stücke ließ sie immer streuen. alle sollen doch sehen, was sie so umtreibt.
(Antwort korrigiert am 27.02.2012)

 Bergmann antwortete darauf am 27.02.12:
Ich versteh das durchaus. Trotzdem gilt mein Einwand. Ich kenne den Betrieb, ich habe drei Jahre in zwei verschiedenen Bundesministerien gearbeitet. Es gibt die Willkür und Schussligkeit der UAL auf der einen Seite - auf der anderen Seite die unendliche Eitelkeit und den vorauseilenden Gehorsam der Referenten/Ministerialleiter... ttU

 loslosch schrieb daraufhin am 27.02.12:
der mitarbeiter war nicht unsachlich. er hatte ja artig ihre formulierung übernommen. uli, deine 3 jahre waren zu wenig. mir erzählte ein referent, der eine bund-länder-ausschusssitzung vorzubereiten hatte:

der chef bekam immer zuerst die post. es ging um terminabstimmung. als dieser döskopp auf dienstgang war, schaute der referent in dessen posteingang. nichts! dann bückte er sich zum papierkorb. dort waren die stellungnahmen, zerknickt.

später darauf angesprochen, meinte der dösige dr. böhm:

SIE HABEN NICHTS IN MEINEM PAPIERKORB ZU SUCHEN!

angriff ist die beste verteidigung.

 Bergmann äußerte darauf am 27.02.12:
Ich habe viel skurrilere Sachen erlebt als das. Ich komme nicht umhin zu sagen, dass die UAL durchaus korrekt reagierte. Sie muss nicht jeden unwichtigen Brief haargenau lesen, den sie andere formulieren ließ. Hier fällt ihr eine schlechte Formulierung auf, und es ist unerheblich, ob sie sich von ihrer Formulierung löst oder von der eines anderen. Anders gesagt: Der Fall ist mir zu marginal. Es kommt auch immer auf den Ton und das Vertrauen untereinander an.
Eitelkeiten erlebte ich an der Quelle, ich habe viel mitgekriegt. Ein familiärer Bekannter, der mein Abteilungsleiter im Verteidigungsministerium war, diskutierte mit mir außerhalb des Dienstes über viele solche Dienstdinge - er wollte aus mir einen Ministerialbeamten machen. Aber ich bin viel lieber Lehrer geworden, und das habe ich nie bereut. Die Skurrilitäten in der Schule waren viel lustiger - ich werde sie mal eigens für KV aufschreiben.
ttU

 loslosch ergänzte dazu am 27.02.12:
dazu demnächst mehr erheiterndes mündlich, uli

 Irma (27.02.12)
Wer meint, unfehlbar zu sein, wird sich nicht den kleinsten Fehler eingestehen. Und den großen noch nicht einmal sehen. Gefällt mir, Lo! (Und Dein Text ist, soweit ich das überblicken konnte, fehlerfrei geschrieben!) ) LG BirmchenIrmchen

 loslosch meinte dazu am 27.02.12:
ja. und redet sich dann um kopf und kragen. erlebte geschichten, yvonne! danke fürs glauben. ich kam mit ihr übrigens sehr gut aus. sie war ein talentierter schwamm im der aufnahme von wissen. lothar

 EkkehartMittelberg (27.02.12)
Waren das noch Zeiten, als man wegen eines Syntaxfehlers errötete.
Stellen wir uns vor, der Bildschirm von Literaturforen würde wegen eines solchen erröten, dann würde man nur noch rot sehen.
Inzwischen gibt es Literaturliebhaber, die sagen: Hauptsache, die Kommunikation klappt.
o tempora, o mores!
LG
Ekki

 loslosch meinte dazu am 27.02.12:
o tempora ... dazu ein sehr feinsinniger kommentar von rudolf. hier:  o tempora, o mores. wir wollen ja nicht über tippfehler in kommis meckern, ekki. so ich selbst zuletzt im rekomm bei yvonne. lothar

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 27.02.12:
Nein, Lothar, es geht nicht um Tippfehler, sondern um grammatische Fehler.
Neulich monierte ich in einem Text "geschmieden" statt "geschmiedet" und erhielt zur Antwort: "Es gefällt mir aber so". Da diskutiere ich nicht mehr weiter.

 loslosch meinte dazu am 27.02.12:
das gleiche passierte mir 2009. das verb fällt mir hoffentlich noch ein. nehmen wir dieses schmieden als muster. nach meiner kritik kam eine sympathisantin und erklärte öffentlich, bis ins frühe 19. jh. hinein sei es eine erlaubte nebenform gewesen. sie empfinde es als bereicherung. die schlichte wahrheit: es reimte sich. lo

 Didi.Costaire (27.02.12)
Rote Köpfe sind wohl eher typ- als situationsbedingt. Führend bei Google-Bildern Uli Hoeneß, mit einer gewissen Verbindung zur Syntax besonders dann, wenn bei den Bayern die Ordnung auf dem Platz fehlt bzw. die Körpersprache seiner Angestellten nicht stimmt.
Schöne Grüße, Dirk

 loslosch meinte dazu am 27.02.12:
didi, der google-fan mit dem griechisch-touch: syntax aus syn und taxix, zusammen und ordnung, ganz falsch liegst du bei hoeneß sicher nicht. hast du spaßeshalber "schockierend" geklickt, dirk? lothar

 Didi.Costaire meinte dazu am 07.03.12:
Nein, das war ich nicht.

 Lluviagata (27.02.12)
Das nennt man Schlagfertigkeit ... ;)

 loslosch meinte dazu am 27.02.12:
nein: frech. modern: cool! lo
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