Die Psycho-Pille

Text zum Thema Seele

von  Fuchsiberlin

Das Sonnenlicht bricht sich im Glas der Vase mit Sprung. In der Enge von diesem Blumengefäß presst ein alter Duft den Sauerstoff heraus. Ein Mensch schaut auf diese Vase, einer, der ihren Namen trägt.

Ihre Denkfabrik legte den Verstand still.

Auf dem Tisch befinden sich bayerne Pillen, schwäbisches Sparen bei einer 100-Tabletten-Packung schaut anders aus. Sie wohnt in Hamburg.

Gedankenbruch. Das TV durchgezappt, die Astrohotline ködert im 1,99-Euro-Minutentakt die Suchenden, und hellseherisch-angehauchte Sätze entwickeln ein Glücksspielsuchtpotential. Irgendwo wirbt ein "Therapeut" mit einem esoterischem Schrei-dich-Frei-Wahnsinn. 250 Euro für ein Wochenende Seelenbefreiung, Sekten verlangen mehr, und versprechen ebenso viel. Sie zeigt dem esoterisch-gebadeten Heilpraktiker einen Käfig voller Vögel.

Sie zahlt nicht nicht für den Psychobefreiungstrip,sondern schaut auf eine aus der Packung befreite Pille. Die Tablette zeigt sich in weißer Unschuld, die unerwünschten Gäste, die Nebenwirkungen, können ungehindert bei der Medikamentenhochzeit dabei sein. Die Krankenkasse zahlt für die Hoffnung.

Aus der oben erwähnten Vase strömt ein Grabgeruch.
Seelenkummer? Wählt die Depri-Sorgen-Hilfenummer. Keine Warteschleife, aber auch keine Krawatte zum Aufhängen. Es hilft, was helfen kann, oder am anderen Ende der Leitung lebt die Hoffnung, Gutes zu tun.

Die Pille "ruft" nach ihr, oder schreit SIE nach dieser?
Eine Tablette findet im Schluckreflex den Weg in ihren Körper. Die Nebenwirkungen, beipackzettelüberfallartig erwähnt, kriechen langsam in den Geist und den Körper.

Mit Augen aus Marmor wird die Wahrheit angeschaut, der Lebenskreisel dreht sich irgendwann anders. Der Mond erscheint als Narr der Sonne.

Die bayerne Pille wirkt nach geraumer Zeit, und produziert andere Gedanken.

Sie klammert sich an die Wirkung dieser Pille aus dem modernen, industriellen Chemiebaukasten. Mit Beten hörte sie schon vor sehr langer Zeit auf.

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Kommentare zu diesem Text

Karmesin (20)
(19.03.12)
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 Fuchsiberlin meinte dazu am 20.03.12:
Ja, es ist durchaus gewollt, dass der Text mitsamt Inhalt nüchtern daherkommt, um die Aussage zu verstärken.

GlG
Jörg
KoKa (44)
(19.03.12)
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 Fuchsiberlin antwortete darauf am 20.03.12:
Hey John,

nein, dieser Text soll auf keinen Fall die Annti-Depressiva verteufeln, zumal ich aus persönlicher Erfahrung, die gute Wirkung kenne, und auch weiß, dass diese vielen menschen helfen. Der Text soll nur aufzeigen, dass man nicht einfach und dies unkritisch und ohne zu hinterfragen, sich Medikamente gegen seelische Leiden verschreiben lassen soll. Und auch alterative Wege durchaus in Betracht ziehen kann bzw. einen zweiten Arzt um seine Fachmeinung bittet. Desweiteren bezieht sich der Text auf das Geschäft mit der Psyche, ein mittlerweiler milliardenschwerer Markt, der voon zweifelhaften Angeboten lebt, wobei sensible Menschen einem zweifelhaftem Lockruf unterlegen können. Doch man sollte auch nie ohne kritisches Nachfragen jede Psychopille zu sich nehmen. In deutschland boomt der Griff zur Pille...

Anntidepressiva haben gerade in den ersten 2-3 Wochen unter Umständen die verherende Nebenwirkung, dass Suizidgedanken verstärkt werden, und es daher zum Suizid(-versuch) kommen kann.

GlG
Jörg

 Georg Maria Wilke (19.03.12)
Ich glaube nicht, so verstehe ich den Text, das Antidepressiva verteufelt werden. Es wird hier zwar auf den chemischen Baukasten des öfteren hingewiesen, aber der Text transportiert auch die gesellschaftliche Außenseiterstelle und bietet eine Menge Pseudohilfe an, wie z.B. Astrologie etc. Mich macht der Text eher sensibel für die Fragen die einerseits mit den pharmazeutischen Produkten als Dauerlösung entstehen und den "alternativen" Möglichkeiten, die heute in unserer Gesellschaft bestehen. Denn:"Auf dem Tisch befinden sich bayerne Pillen, schwäbisches Sparen bei einer 100-Tabletten-Packung schaut anders aus." Ein Beispielsatz, wie wir billig, gut und nachhaltig pharmazeutisch orientiert sind.
Liebe Grüße, Georg

 Fuchsiberlin schrieb daraufhin am 20.03.12:
Ja, genau dies sollte mein Text u.a. wiedergeben, und noch einiges mehr (Siehe meine Antwort an KoKa).

GLG
Jörg
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