Sophie

Erzählung zum Thema Menschen

von  Secretgardener

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Sophie ist 28 und hat braune Haare bis knapp über der Schulter, zum Zopf gebunden, aber nur auf der linken Seite. Rechts ist nur etwa 1cm dran. Es sieht gut aus, verdammt gut. Ein schönes, cremiges Braun, welches in Ihren Augen weitergeführt wird. Das Besondere an Sophie aber, die 2 Sachen, die zusammen kaum jemand hat sind 1.: Sie hat eine ewige Glückssträhne und die 2. auch verdient. Denn Sie verteilt dieses Glück wie Michel immer sagt, wenn er von Ihr erzählt. „Michel wie“ nennt Sophie ihn immer.
Sie trafen sich das erste Mal im Zug nach Rostock. Er wollte 2 Wochen vor dem Ende seiner Semesterferien doch endlich mal lernen um noch 2 wichtige Scheine zu machen. Sie wollte nur Rostock sehen; Stadt und Menschen kennen lernen.
„Verdammt, sie weiß doch, dass ich keinen Schmierkäse esse“ waren die ersten Worte, die Sie von ihm hörte. Die anderen im Abteil lachten los und einer rief „Du musst deiner Mami immer sagen, wie du´s haben willst, Kleiner“, und es war ein Zug voller Wochenendtickets. Das erste, was er von Ihr hörte war ein vergnügtes „Danke“. Sie nahm sich seine Stulle und reichte ihm dafür eine mit Gouda.
„Hi, ich bin Sophie. Stört´s Dich, dass ich einmal abgebissen hab´; stört Dich mein Mund?“ hauchte Sie ihm fast französisch zu und machte dabei einen Kußmund. „N…nein, ist ok. Ich heiße Michel“ – „Michel wie…?“ – „Ja, Michel wie.“ – „Michel und Sophie, klingt gut. Klingt echt gut“ sagte Sie, während Sie aus dem Fenster schaute. Es begann zu regnen und die Wassertropfen formten sich zu kleinen, schrägen Strichen, wenn sie auf die Scheibe trafen. Er wurde verlegen. „Ahm, hast Du ein Wochenendticket? Sonst könntest Du bei mir mit…“ – „Nein, danke, hab´ ´ne Bahncard 100.“ Sie beugte sich zu ihm hin. „Aber psst, hab´ ich gefunden.“ – „Aber da steht doch immer ein Name drauf?“ – „Naja, der Vorname ist falsch geschrieben und im Nachnamen ist ein Buchstabe falsch. Wenn mich jemand deswegen fragt, rolle ich immer mit den Augen und sage: ja, schreiben alle falsch. Hey, ich mein´, wenn man so ´ne Karte mit fast dem eigenen Namen findet, dann muss das doch ein Zeichen sein, oder?“ – „Schätze.
Was machst Du hier, Sophie? Ich mein´, wo willst Du hin und warum?“ – „Ganz schön neugierig, was? Meine Wohnung gehört mir nicht mehr, ich musste mal raus.“ – „Ja, kenn´ ich; ist Mist, wenn man rausgeschmissen wird.“ – Als Antwort kam ein Lachen mit  gespielter Eitelkeit. „NIEMAND schmeißt mich raus. Nein, ich lasse welche bei mir wohnen und die haben gerade Besuch aus Ghana. Ist aber ok, da ich keine Miete zahlen muss; hab´ mal der Tochter des Eigentümers das Leben gerettet. Klingt größer als es war“ kommentierte Sie mit einem Handwischen. „Und Du?“ – „Endlich mal für´s Studium lernen. Ich hab´ noch 3 Semester und langsam muss ich mal los legen.“ Sie kramte in einer Tasche herum, dann in einer anderen, dann wieder in der ersten. Schließlich reichte Sie ihm eine alte Eintrittskarte für den Zoo mit den Worten „Hier, ein Glücksbringer, wird schon.“ Er schaute ungläubig zurück. „Nee, die bringt wirklich Glück. Die hab´ ich noch als Kind bekommen, als mein Vater mit mir das erste Mal im Zoo war. In dieser Woche konnte ich die Karte noch für 2 Straßenbahnfahrten und 3 Mal Kino benutzen; meine Eltern wissen das bis heute nicht. Steck´ sie gut weg!“ – „Ok, danke, mach´ ich. Wo musst Du raus?“ – „Wo Du raus musst.“
Verwunderung stand auf seinem Gesicht. „Jetzt schau´ nicht so! Ich kann zwar keine Auren sehen, aber Du siehst aus, als könntest Du etwas mehr Glück im Leben brauchen. Ich würde sagen, dass wir erst einmal nach…“ wurden sie unterbrochen, als ein alter Mann ins Abteil kam. Er war groß und hatte furchige Haut, alles in allem eine stattliche Figur. Trotzdem wirkte er müde. Nicht kraftlos, sondern wirklich müde. Er nahm seinen Hut ab, hielt ihn sich vor die Brust und sah erst auf, dann wieder ab. „Ich war nur einmal auf der Toilette gewesen und schon klauen sie einem den Sitzplatz. Eine Schande.“ – „Nehmen sie meinen“ strahlte sie hin an. Stand auf, nahm seinen Hut und legte ihn auf die obere Ablage. „Den dürfen sie nachher nicht vergessen!“ Nahm seinen Arm und half ihm sich setzen. Wenn Sie solche Sachen tat, berührte Sie einen auf eine Art, dass man nichts dagegen machen konnte; es tat gut. „Vielen Dank, Liebste.“ – „Ach, dafür nicht. Nur…wo setze ich mich jetzt hin?“ frug Sie so unschuldig wie die Leinwanddiven der 30er Jahre. Michel wollte schon aufstehen. „Nix da.“ Sie setzte den Zeigefinger auf seine Lippen und sich auf seinen Schoß. Nahm seine Arme und legte sie sich um die Hüften wie einen Sicherheitsgurt. Der alte Mann lächelte sie an. Eng drückte und schmiegte Sie sich an ihn, bis Ihr Körper sich an seinen gewöhnte und seine Arme Sie fest und sicher hielten. Er war viel zu erstaunt, um zu protestieren; er spürte nur Ihre Wärme ihn durchströmen.
Sophie drehte Ihren Kopf zu ihm, so dass Sie ihm von etwas tiefer in die Augen sah. Eine ganze Weile saßen sie so da, bis er endlich anbiss. „Stimmt etwas nicht?“ Ihre Augen hatten diesen Schimmer. Ihr Blick wurde verlegen, dann fragend, dann wieder unschuldig verlegen. Mehr zu sich selbst sprach Sie: „Ob ich ihn wohl küssen darf?“ und klang dabei so rein und zögernd wie sämtliche Disney-Prinzessinnen. Er wollte etwas erwidern, holte Luft und wurde von Ihr zu sich gedrückt. Sie hielt erst seinen Kopf mit den Händen, dann wanderten sie zu seinem Rücken. Ihre Lippen auf seinen fühlten sich für ihn an wie Kindheit, als alles noch passte. Ihr Atem in seinen Ohren war das Einzige, das er jemals hören wollte. Ewigkeiten saßen sie so da, schauten aus dem Fenster, sagten nichts.
„Ich bleibe bei Dir, Michel. Ich helf´ Dir beim Studium und allem sonst. Ich muss nur schnell eine gute Klinik bei Dir finden und dann suchen wir uns eine schöne Wohnung.“ – „Klinik? Warum, was hast Du, bist Du krank?“ – „Lungenkrebs, kann man sich das vorstellen? Dabei rauche ich gar nicht.“ Erschrecken und Furcht bei ihm. „Jetzt guck´ doch nicht so, Süßer!“ Wieder küsste Sie ihn und er fühlte dabei alles, wovon er glaubte, es verloren zu haben. Ließ von ihm los und legte Ihre Wange auf seine. „Wird schon.“
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