Mein sonderbarer Freund

Engagiertes Gedicht zum Thema Außenseiter

von  TassoTuwas

Ganz plötzlich ist in seinem Kopf Gewitter
stürzt hin zu Boden wie vom Blitz getroffen
der ganze Kerl ist Zucken nur Gezitter
Augen und Mund weit aufgerissen - offen
verdreht die Glieder - wirft sich wild herum
schreit Worte ohne Sinn - das Publikum
weicht jäh zurück oder bleibt gaffend stehn
ich helf ihm auf - komm - laß uns gehn

Mein sonderbarer Freund ist stadtbekannt
ist der - der schon so viele Namen hörte
mal laut mal leise hinter vorgehaltner Hand
heißt er der Irre Blödmann der Verstörte
nennt Depp ihn Doofi Trottel Unverstand
Kretin auch Schwachkopf oder Zappelmann
so mancher findet es besonders amüsant
dass er ihn Spasti oder Hirni nennen kann

Fern allen lauten Treibens ein geheimer Ort
Fluchtpunkt - frei sind wir hier und unbeengt
ein Vogel singt - die Wolke winkt - kein Wort
jetzt wo sein Kopf an meiner Schulter ruht
für Stunden - die Sonne geht mit roter Glut
dann denke ich - was er wohl grade denkt
und unvermittelt sagt er dann so Sachen
wie - Laß uns die Welt bewohnbar machen

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Kommentare zu diesem Text

Regentrude (53)
(10.10.12)
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 TassoTuwas meinte dazu am 11.10.12:
Muß ich mich denn immer wiederholen. Du bist unmöglich aber einzigartig. Liebe Grüße das Lüderbrein.

 princess (10.10.12)
Lieber TT,

wenn ich dein Gedicht auf mich wirken lasse, dann lese ich hier sehr viel mehr über einen wunder- ... als über einen sonderbaren Freund. Also, eigentlich sogar über zwei. Schön!

Liebe Grüße, Ira
iseabail (47) antwortete darauf am 10.10.12:
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 TassoTuwas schrieb daraufhin am 11.10.12:
Hallo princess, danke, dass du großzügig über die, auch mir bewußten, formalen Stolperer hinweg gesehen hast. )
Dein schön, freut mich. Liebe Grüße TT

Hallo iseabail, es ist meistens nicht verkehrt, sich Iras Meinung anzuschließen. Auch für "schön" Dank. LG TT
Möwe (63)
(10.10.12)
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 TassoTuwas äußerte darauf am 11.10.12:
Hallo Ilona, schön, dass dich dieses Gedicht erreicht hat.
LG TT
chichi† (80)
(10.10.12)
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 TassoTuwas ergänzte dazu am 11.10.12:
Hallo Chichi, da wo wir einen Mangel oder eine Fehlentwicklung sehen, ist es doch die Aufgabe des Schreibers, und ist er noch so klein, darauf hinzu weisen.
Selbst wenn er weiß, er wird kaum etwas ändern. LG TT
AchterZwerg (65)
(10.10.12)
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Anne (56) meinte dazu am 10.10.12:
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 TassoTuwas meinte dazu am 11.10.12:
Hallo Heidrun, in diesem Fall ging es mir, abseits allem lyrischen Purismus, um die Szenerie der Lieblosigkeit. Ich war der Beobachter der Beobachter. Liebe Grüße TT

 TassoTuwas meinte dazu am 11.10.12:
Hallo Anne, Dank die für die Sternchen. Als Betroffene freut mich dein Kommentar besonders. Liebe Grüße TT

 Didi.Costaire (10.10.12)
Deutlich und zugleicht einfühlsam geschildert, Tasso.
Die zweite Strophe mit dem flott vorgetragenen Bombardement aus Beleidigungen ist wesentlich besser zu lesen als die erste und die dritte, bei denen der Rhythmus an einigen Stellen hakt.
Liebe Grüße, Dirk

 TassoTuwas meinte dazu am 12.10.12:
Hallo Dirk,
jeder der drei Verse kann auch eigenständig betrachtet werden. Das es hakelt, liegt auch daran, dass es ein Thema mit Ecken und Kanten ist
Liebe Grüße
TT

 irakulani (10.10.12)
Lieber Tasso, dieses Thema aufzugreifen verdient alleine schon drei Sternchen. Du hast in der ersten Strophe das "Gewitter im Kopf" deines Freundes sprachlich unterstrichen - ebenso wie in der dritten Strophe, das Entspannen. Den Kopf an der Schulter des Freundes - ein schönes Bild!
Beim laut Lesen merkt manwie sich das Tempo verändert. Klasse!

L.G.
Ira

 TassoTuwas meinte dazu am 11.10.12:
Liebe Ira, so wie du sagst, hatte ich es mir gedacht. Jede der drei Strophen ist eigenständig, ein Vorfall, die Gesellschaftskritik, das zur Ruhe kommen. Herzlichen Dank für die Sternchen. Liebe Grüße TT
Gringo (60)
(10.10.12)
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 TassoTuwas meinte dazu am 11.10.12:
Hallo Gringo, manchmal braucht es Geduld, um die Einzigartigkeit eines Menschen zu entdecken, dann kann es eine lebenslange Freunschaft werden. Auch dir Dank für die Sternchen. LG TT

 ViktorVanHynthersin (10.10.12)
Gekonnt in Worte gefasst, ist dieses Gedicht. Es klingt so leicht und hat doch ausreichend Tiefgang, der dem Thema angemessen ist. Hut ab!!
Herzliche Grüße
Viktor
stimulanzia (48) meinte dazu am 10.10.12:
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 TassoTuwas meinte dazu am 11.10.12:
Hallo Viktor, freut mich, dass dir die Art, wie ich dieses Thema in Gedichtform behandelt habe gefällt. Dank auch für die Sternchen. Herzliche Grüße TT

Hallo stimu, gleiches gilt für dich. LG TT

 EkkehartMittelberg (10.10.12)
Tasso, den lobenden Worten zu deinem Gedicht schließe ich mich gerne an.
Eine Anmerkung, die vielleicht für dessen Leser interessant ist: In den Romanen der großen russischen Erzähler kommen Epileptiker vor, und sie werden respektvoll wie Heilige behandelt. Ist dies seltsam oder der despektierliche Umgang in der westlichen Welt, den du schilderst?
LG
Ekki
AchterZwerg (65) meinte dazu am 11.10.12:
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 TassoTuwas meinte dazu am 11.10.12:
Hallo Heidrun, leichter Einspruch. Hierzu ein kleine Geschichte.
Seit Jahren machen wir in Igea Marina Urlaub. Als wir das erste mal dort waren, war ich verwundert über die vielen Menschen denen man ihr "Anderssein" ansah, die am Strand waren oder Abends in Begleitung von Betreuern in Gruppen durch die Ortschaft flanierten. Verwundert nicht, dass sie ein Gebrechen hatten, sondern über ihre große Zahl. Die Erklärung dafür ist ganz einfach, es gibt in Deutschland bestimmt nicht weniger Menschen mit einer Behinderung als in Italien, die Italiener allerdings verstecken sie nicht, sondern lassen sie in ihrer Mitte.
Aber Recht hast du insofern, als dass man in einer Gesellschaft, die nach Wellness und Entertainment giert keine "Störenfriede" möchte,

 TassoTuwas meinte dazu am 11.10.12:
Hallo Ekki, es gibt Kulturen, in denen Menschen, die "andersartig" sind besondere Verehrung erfahren und es gibt, wie bei allem auf der Welt, auch das krasse Gegenteil.
Wir tun uns schwer zur Normalität zu finden. LG TT
Scrag (24)
(10.10.12)
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 TassoTuwas meinte dazu am 11.10.12:
Hallo Markus, für "Klasse" sage ich Dank. Ich wünsche dir, dass deine sonderbaren Freunde immer an deiner Seite sein werden. LG TT

 Mullenlulle (11.10.12)
Ist er zufällig Epileptiker, Dein sonderbarer Freund?

Starkes Stück, gefällt mir gut!

Grüße

Mull

 TassoTuwas meinte dazu am 12.10.12:
Hallo Mullenlulle,
das und einiges mehr. Danke für deinen Kommentar,
LG TT
gaby.merci (61)
(12.10.12)
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 TassoTuwas meinte dazu am 12.10.12:
Merci Gaby,
so ein Text ist ein Wagnis, zu großer emotionale Nähe oder zu kühler Disztanz.
Bei den beiden letzten Zeilen dachte ich mir, aus so simplen Reinworten wie "Sachen - machen", muß sich doch etwas halbwegs Sinnvolles machen lassen.
Danke für die *chen.
LG TT

 Lluviagata (12.10.12)
Mein lieber großer Bruder,
schon einmal habe ich dich für diesen Text, der nie etwas von seiner Aktualität einbüßen wird, umarmt.
Symbolisch zwar, aber nicht weniger herzlich!

Llu ♥

 TassoTuwas meinte dazu am 13.10.12:
Liebe Llu, ein Herz - Schmerz - Gedicht einmal anders. Eben für die Außenseiter und die, die sich ihr Mitgefühl bewahrt haben. Kleine Schwester, sei ganz herzlich gegrüßt.

 FloravonBistram (13.10.12)
Es ist so schmerzend, wenn ein Freund an dieser Krankheit leidet. Mitunter schlagen Medikamente gar nicht an.
Ich sitze hier mit Tränen in den Augen, so sehr hat mich dein Gedicht berührt.
Nicht die Krankheit an sich ist das Schlimmste, sondern die losen Mundwerke und die Ignoranz der Menschen
LG Flo

 TassoTuwas meinte dazu am 13.10.12:
Liebe Flora, man sagt, wir sind die modernste, die gebildetste, die fortschrittlichste Generation, die es ja gab, man hat wohl vergessen, wie die Gesellschaft sich zu denen verhält, die ihrer besonderen Hilfe bedürfen. Weil ich keine Besserung sehe, dieses Gedicht. Liebe Grüße TT
KoKa (44)
(23.10.12)
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 TassoTuwas meinte dazu am 23.10.12:
John, dein Kommentar ist mir ein Besonderer, denn du weißt, von was du sprichst. Und wie du es sagst, dass rührt mich an, und dafür bedanke ich mich bei dir, du Rauhbein mit dem großen Herzen. Go mbeannai Dia duit. LG TT
CarlottaB (44) meinte dazu am 08.09.16:
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 larala (03.08.13)
Sehr schönes Gedicht, das mir ganz nah geht.
Dass es hie und da nicht ganz gerade ist, passt wunderbar zum Thema. Glücklich, wer so einen Freund hat.
(Kommentar korrigiert am 05.08.2013)

 TassoTuwas meinte dazu am 05.08.13:
Da es sich ja um kein gewollt nett daher kommendes Gedicht handelt, unterstützt das "Krumme" m.E. durchaus die Thematik.
LG TT
schöne Woche!

 susidie (13.11.13)
Das ist ein wunderbares Gedicht und jeder Freund kann sich glücklich schätzen, so einen Freund zu haben und vice versa.
Lass uns die Welt bewohnbar machen - daran sollten wir jeden Tag arbeiten mit allem Engagement. Lieben Gruß von Su :)

 TassoTuwas meinte dazu am 19.11.13:
Liebe Su,
so einfach könnte es sein!
Aber wir kriegen die einfachsten Sachen nicht hin.
Wunderbar ist wunderbar, obwohl schluck..., und danke.
Liebe Grüße TT

 FliegendeWorte (13.07.20)
Hallo und guten Morgen TT,
dein Gedicht rührt mich besonders deshalb an, da du durch die letzte Strophe hervorhebst, wie wenig wir eigentlich von denen wissen, die so oft am Rand leben. In Freundschaften hingegen offenbaren sie ihr wirkliches Wesen. Würden wir doch nur endlich begreifen, dass unsere gesellschaftliche Wirklichkeit, in ihrer Vielfalt, viel mehr Potential beherbergt. Ausgrenzungsdenken und Handeln muss da zügig einem weiter gesteckten Begriff von Normalität weichen. Der Schluss ist dir besonders eindringlich geraten.
Viele Grüße
FliegendeWorte

 TassoTuwas meinte dazu am 13.07.20:
Guten Morgen Fliegende Worte,
die Woche fängt gut an, wenn ein alter Text wieder einmal gefunden wird. Hab ihn ein bisschen renoviert
Die Problematik im Umgang mit Menschen, die so sind wie "der sonderbare Freund", liegt darin, dass z.B. meine Generation nie gelernt hat, sie vorurteilslos zu sehen.
Das wird jetzt langsam besser.
Dir herzlichen Dank und eine gute Zeit bei KV.
Viele Grüße
TT

 jennyfalk78 (07.08.20)
Schalömchen
Ich kannte auch mal jemanden, der jemanden kannte.
Schlimm wird es leider nur, wenn man jemanden kennt,
der Spastiken mit Leib und Seele lebt.
Ein Hoch auf Alle, die auffallen!
Die Deine Jenny

 TassoTuwas meinte dazu am 19.08.20:
Recht so!
Empathie gibt es nicht zum Schleuderpreis, die muss kann sich verdienen.
Bleib die Meine
TT

 suedfriesland meinte dazu am 30.08.20:
"L S D
lachen - stutzen - denken"
Brillant!
(gefunden in Deiner Vita)
...genieße eure Kommentare, besonders von Regentrude, susidie, jennyf...und so viele.
Dazu habe ich folgende Musik gefunden:
Sister Rosetta Tharpe - Didn't It Rain?
Marvellous wie dieser Text.
Grüße
erik a.

 TassoTuwas meinte dazu am 10.11.20:
Man sollte öfter in den eigenen Texten stöbern.
Es kann passieren, dass man etwas findet, das dem Tag einen farbigen Anstrich gibt
Sorry Südfriesland für being late und auch dir einen schönen Tag!
LG TT

 harzgebirgler (12.11.20)
Erinnert mich an das, was Kleist einst schrieb: "Es ist so schwer, auf ein menschliches Gemüt zu spielen und ihm seinen eigentümlichen Laut abzulocken, es verstimmt sich so leicht unter ungeschickten Händen, daß selbst der geübteste Menschenkenner, der in der Hebeammenkunst der Gedanken, wie Kant sie nennt, auf das meisterhafteste bewandert wäre, hier noch, wegen der Unbekanntschaft mit seinem Sechswöchner, Mißgriffe tun könnte."

lg
harzgebirgler

 TassoTuwas meinte dazu am 12.11.20:
Danke für das Kleist Zitat, er wird ja heute kaum noch in den Schulen gelesen.
Der Mensch ist eben merkwürdig und trifft er auf einen anders gearteten Merkwürdigen oft ratlos!

LG TT
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