Demonstration in Köln

Text zum Thema Menschenrechte

von  Rudolf

Samstag, 23.3.13
Bahnfahrerinnen bilden einen elitären Klub. Sie können sicher mit Uhrzeiten und Fahrplänen umgehen. Durch ihre gute Gesundheit sind sie den sportlichen Herausforderungen beim Ein- und Aussteigen sowie Bahnsteigwechseln spielend gewachsen. Ihr solides Nervenkostüm ermöglicht es, sicher einen gültigen Fahrausweis zu erwerben, trotz des Wirrwarrs aus Angeboten verschiedener Verkehrsunternehmen und willkürlichen Tarifgrenzen. Und sie haben verstanden, dass schienengebundener Verkehr, der nach festen Fahrplänen abläuft, einen hohen Grad an Flexibilität erfordert, um sich auf immer neue Situationen durch Verspätungen, verpasste Anschlüsse und Störungen im Betriebsablauf einzustellen.

Ich bin Bahnfahrer.

Da der Roncalliplatz in Köln nur einen Steinwurf vom Hauptbahnhof entfernt ist, bemitleide ich heute alle, die aus unserem Klub ausgeschlossen sind und auf andere Verkehrsmittel ausweichen müssen, um gegen die Beitragswillkür des Staatsfernsehens zu demonstrieren. Für Hildegard und mich ist das NRW SchönerTagTicket geboten. Die 39,50 € dafür sind meine erste monetäre Investition in den Widerstand gegen den Rundfunkbeitrag für ARD und ZDF.

So viel zur Anfahrt.

Das Event selbst verläuft enttäuschend. Es ist kalt. Frostig weht der Wind durch die Gasse zwischen Kölner Dom und Römisch-Germanischem Museum. Vielleicht ist das einer der Gründe, dass sich nur 300 Demonstrantinnen vor der kleinen Bühne auf der Ladefläche eines Transporters versammeln. Ein Teilnehmer fasst die Situation treffend so zusammen:

„Wo sind die 1.750? Facebook funktioniert nicht.“

Aber gut, ein Klick bei Facebook im Privaten ist etwas anderes als sich physisch in Bewegung zu setzten und öffentlich zu zeigen. Es tut gut, 300 gleichgesinnte Menschen zu sehen. Ist meine eigene Blödheit, wenn ich eine virtuelle 1.750 nicht von einer realen unterscheiden kann.

Ich bin da und Hildegard ist da. Ein Anfang ist gemacht.

Nicht nur maulen und sich resigniert der erlernten Hilflosigkeit hingeben („Da kann man eh nichts machen“), sondern den Allerwertesten in Bewegung setzen.

Am Abend frage ich Benno per E-Mail, was er in Frankfurt erlebte, und lasse zufrieden das Gefühl in mich einsinken, dass ich mich erhoben habe.


Illustration zum Text
23.03.2013, Demonstration in Köln
(von Rudolf)
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