Kein Wunder

Schwank zum Thema Unruhe

von  modedroge

I.

U: Im Grunde ist der Mensch wie eine Quante. Ein Quantum. Sobald man ihn beobachtet, verhält er sich nicht mehr normal.
P: Als hätte sich je ein Mensch normal verhalten.
U: Mit etwas Geduld und List kommt man ihm auf die Schliche.
P: So müsste es doch auch bei Quanten funktionieren: indem man sie bespitzelt. Aber woher weiß man schon, wie sie sich verhalten, wenn man sie nicht beobachtet?
U: Woher weiß man, wie sich ein einsamer Mensch verhält? Oder ein Tier?
P: Die Beobachtungsmethoden müssen unnatürlich sein, pfiffig und raffiniert. Alles andere ist ein No-Go und geht gar nicht. Sieh dir die runde Spielzeugkutsche an mit dem verkrüppelten Einhorn, das seinen Hax nicht strecken kann. Was für eine kaputte, steife Welt! Mit so etwas wächst man auf, kein Wunder.
U: Ich finde, es ist etwas Heroisches daran, ein Gespött zu sein. Die Leute lachen über einen, das ist gesund für sie.
P: Und diese Männchen: Ständig täuschen sie Bewegung vor! Da geht einer mit erhobener Bürste auf ein Pferd zu. Ich habe mich noch nie mit erhobenem Striegel einem Pferd genähert. Wenn du so etwas machst, dann wird das Pferd sich wundern. Und wenn ein Pferd sich wundert, dann wird’s gefährlich.
U: Ach was! Gefahren gibt’s nur da, wo man etwas schützen will.
P: Sonst fällt dir nichts auf?
U: Die Haselnuss ist nicht schwarzbraun, das ist ein Schmarrn! So etwas kotzt mich an!


II.

P: Ist das drollig! Wenn man ein Wort nur lange genug hin und her rollt, kugelt man sich am Ende selber.
U: Wenn man du ist.
P: Aber das trifft ja zum Glück auf kaum jemanden zu.
U: Im ärgsten Fall auf niemanden.
P: Hast du eine Zigarette? Ich muss noch vier Minuten totschlagen, bevor mein Raumschiff kommt.
U: Spürst du schon etwas?
P: Meine Kopfhaut fühlt sich schräg an. Kribbelt.
U: Mmh! Eine Massage von Gott.
P: Hoffentlich werde ich davon nicht blind.
U: Und wenn schon. Dann lese ich dir deine ganze österreichische Bibliothek vor. Auf österreichisch. In Österreich. – Nur siehst du das dann nicht mehr.
P: Aber spüren tu ich’s! Ich spüre Österreich in allen Fasern meines Körpers.


III.

U: Haben wir Lachs?
P: Sprichst du im Armutsdelirium?
U: Wir haben aber noch Sardellen im Glas!
P: Wir sind Sardellen im Glas.
Schweigen.
U: Also, haben wir jetzt Lachs?
P: Was weiß ich. Ich hatte immer ein gutes Gedächtnis, aber jetzt kann ich alles vergessen. Was gibt’s heute überhaupt zu fressen?
U: Ordentlich Drogen. Und einen alten Harzer.
P: Wie aufregend. Das ist mein erster gefüllter Handkäse.
U: Schreib auf: Ich brauche einen Kokosnussknacker aus Edelstahl.
P: Wo ist das Messer?
U: Was hast du gerade gesagt?
P: Ach, nichts. Es ist schon wieder Zeit vergangen und die Prioritäten haben sich verschoben.

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Kommentare zu diesem Text

gaby.merci (61)
(05.04.13)
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 Macbeth (07.04.13)
Sehr schön - sowas gehört auf die Bühne. :)
Liebe Grüße,
Ich
Traumtänzerin (27)
(23.08.13)
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 Kontrastspiegelung meinte dazu am 17.08.14:
Jep, finde es auch kugelrund praktisch ;D

LG, Konti
Mondscheinsonate (39)
(24.08.14)
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 TrekanBelluvitsh (24.01.16)
Sprachlich sehr gelingen. Aber wenn die Moral von der Geschicht ist, Menschen - oder Sardellen im Glas -, die nicht wissen, was sie mit sich anstellen sollen, Unfug reden (und danach auch wahrscheinlich anrichten), nun, das hätte man sehr viel kürzer sagen können ... oder sehr viel länger. Auf der anderen Seite bleibt natürlich die Frage, was die Menschen machen, die ganz genau wissen, was sie wollen und wohin deren Tun - umgangssprachlich "Tinnef" genannt - führt.
SFritz (53)
(27.02.16)
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 SunnySchwanbeck (27.02.16)
wenn ich könnte würde ich den ersten part zu meinen favoriten packen, der hat es mir am meisten angetan. ohja.
(der rest ist auch gut, aber auf eine andere art und weise.)

U: Ach was! Gefahren gibt’s nur da, wo man etwas schützen will.

das hat mich getroffen.

P: So müsste es doch auch bei Quanten funktionieren: indem man sie bespitzelt. Aber woher weiß man schon, wie sie sich verhalten, wenn man sie nicht beobachtet?
U: Woher weiß man, wie sich ein einsamer Mensch verhält? Oder ein Tier?

und das mein herz.

liebste grüße,
s.

 modedroge antwortete darauf am 27.02.16:
Freut mich.
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