Fisch, Fisch

Text zum Thema Alleinsein

von  larala

Es  gibt immer jemanden, der sich mit Dingen auskennt, dachte ich und landete in diesem Sprechzimmer.

Schwere dunkle Ledersessel. Vorhänge. Bücherregal. Topfpflanze. Befriedigend auf den ersten Blick. Einzig die langen gelben Fußnägel, die aus Badeschuhen schauten, hätten irritieren können.

Erzählen Sie eine Geschichte, forderte mein Gegenüber nach einer angemessenen Weile und rührte in seinem Kaffee. Eine Geschichte? Gut.

Ich war ungefähr acht, als meine Mutter mich schickte, einen Karpfen zu kaufen. Sie legte Geld in einen Stoffbeutel und ich marschierte los. Die Straße mit den Hochhäusern entlang, über eine S-Bahnbrücke, zum Fischladen.

Im großen Aquarium links neben dem Tresen öffneten und schlossen sich Mäuler um grünes Wasser. Such dir einen aus, ermunterte der Fischmann und ich fand sie alle schön. Er nahm also den Kescher, drängte ein riesiges Exemplar in eine Ecke, beförderte es mit Schwung nach draußen und von dort direkt auf den Hackklotz. Gezielter Schlag, Schleim, braunes Packpapier, Plastiktüte, Stoffbeutel.

Vor der Tür fing der Beutel plötzlich an zu zappeln. Ich setzte mich ohne zu atmen auf eine Bank, stellte die Tüte daneben. Sie bewegte sich ruckartig immer weiter weg von mir, bis ich sie nahm. Den Karpfen vorsichtig aus dem Papier schälte, ihn an mich drückte.

Fisch, Fisch, flüsterte ich. Du bist längst tot und weißt es nur nicht. Ich hielt ihn so fest ich konnte, herzklopfend, bis es vorbei war. Dann packte ich ihn ein und ging nach Hause.

Mein Gegenüber stellte sehr langsam die Kaffeetasse hin und fing lautlos an zu weinen. Es tut mir leid, sagte ich bestürzt, ich habe mir das eben ausgedacht. Er erwiderte nichts, bis ich irgendwann aufstand.

Draußen war es dunkel. Der Mann stand am beleuchteten Fenster, Arme über der Brust gekreuzt, Hände zu Fäusten geballt. Sein Mund formte ein O.

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Kommentare zu diesem Text


 Lluviagata (09.07.13)
Spannend, verwirrend, irgendwie berührend und doch gruselig ...
Klasse erzählt!

Liebe Grüße
Llu ♥

PS: Herzlich willkommen!

 larala meinte dazu am 09.07.13:
Merci!
Und vielen Dank fürs Willkommen!
Und ich komme bald ausführlicher vorbei!
Hach, ist das spannend! :)
(Antwort korrigiert am 09.07.2013)

 princess (09.07.13)
Sehr cool, der Text! Genau die Richtung Mischung aus Skurrilität, Berührung und Tiefe. Zur Belohnung habe ich dir gleich mal ein kleines  Willkommensgeschenk mitgebracht.

Viel Spaß bei kv und liebe Grüße
princess

 larala antwortete darauf am 09.07.13:
Haha, GENAU SO sah er aus! Wie konntest du das nur wissen??
Danke fürs Lob, fürs Geschenk und fürs Willkommen! :)

 Kontrastspiegelung (09.07.13)
Nachdenklich, nachdenklich, viel zu nachdenklich. :D
Wo oder bei wem war sie?
Wieso sollte sie eine Geschichte erzählen und warum erfand sie die Geschichte?
Jedenfalls, mag ich sowas. Geradwegs etwas zu erfinden um Ruhe zu haben. Oder einfach unantastbar zu sein.

Lieben Gruß, Konti

 larala schrieb daraufhin am 09.07.13:
Geradewegs etwas zu erfinden, um Ruhe zu haben.
Das ist ein spannender Satz.
WAS an der ganzen Geschichte erfunden ist, dazu bleibe ich stumm.
Stumm wie ein Fisch. ;)
Danke und liebe Grüße ins Konti-Land!
(Antwort korrigiert am 09.07.2013)
managarm (57) äußerte darauf am 13.07.13:
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EikeFalk (60)
(09.07.13)
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 larala ergänzte dazu am 09.07.13:
*rotwerd
lucien (26)
(09.07.13)
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 larala meinte dazu am 09.07.13:
:)
Jetzt fühle ich mich geehrt!

 Isaban (11.07.13)
Eine Story, die sofort packt und bei der Stange hält, selbst wenn das letzte Wort schon lange gelesen ist.

LG Isaban

 larala meinte dazu am 12.07.13:
So hatte ich es erhofft.
Es ist mein Lieblingstext.
Freut mich, dass er (nach-)wirkt!
Liebe Grüße!

 Isaban meinte dazu am 12.07.13:
Mir gefällt er ausnehmend gut.

 larala meinte dazu am 13.07.13:
:)

 RomanTikker (22.07.13)
O, eine richtig gute, plastisch erzählte Geschichte; vor allem der Zappeltütenteil, die Fußnägel und die Mäuler sind mir im Guten aufgestoßen. Und, O, Ich würde wirklich zu gern wissen, was der Mann für einer war (, sagte er, und ballte die Fäuste). Womit kennt sich ein Pedespflegeverweigerer aus, bei dem man Kaffee trinkt, der einem Geschichten abverlangt und dann nicht an sich halten kann? Mit dem Alleinsein? Ist es das? O, ich weiß es nicht, und das ist wohl einer der Gründe für den schönen, schummrigen Glanz deines Textes.

Petri Heil!

Roman

 larala meinte dazu am 22.07.13:
Was für ein schöner Kommentar, Roman! :)
Wenn es nicht alles verderben würde, könnte ich dir zu deinen Fragen so EINIGES sagen. Das Leben schreibt die gruseligsten Geschichten ...
Was sagt man auf 'Petri Heil'? Fisch, Fisch? ;)
LG, Lara
Lyrenbold (53)
(29.07.13)
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 larala meinte dazu am 29.07.13:
>((((°> !!
Danke! :)

 SapphoSonne (01.08.13)
Deine Art eine Geschichte zu erzählen gefällt mir sehr. Ich kann mich gut in den Verlauf reindenken.
LG Sappho

 larala meinte dazu am 01.08.13:
Hey, das freut mich! :)
Liebe Grüße!
higgi (59)
(13.08.13)
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 larala meinte dazu am 13.08.13:
:) Merci!

 Dieter Wal (29.03.14)
Prima erzählt. Schade, dass 'Tod am Nachmittag' als Titel bereits vergeben ist.

 larala meinte dazu am 29.03.14:
Danke! Tote gabs nicht. Bis auf den Fisch. Gott habe ihn selig

 Dieter Wal meinte dazu am 29.03.14:
Das hab er ihn. Armer karger Karpfen. Den Schwenk, die Erzählerin hätte sich die Geschichte bloß ausgedacht, als der Zuhörer zu weinen beginnt, mag ich. Meine Plüschseele liebt sowas.
(Antwort korrigiert am 29.03.2014)

 larala meinte dazu am 29.03.14:
Alles andere wäre auch schier unverantwortlich gewesen. Seufzz.

 Dieter Wal meinte dazu am 29.03.14:
:))
wiesel (50)
(29.01.15)
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 larala meinte dazu am 29.01.15:
Heyhey, vielen Dank! :)

 HerrSonnenschein (12.02.15)
Sehr, sehr klasse! Liebe Grüße der Sonnenschein

 kalira (27.02.15)
bei uns gab es genau so einen fischladen ! und ich danke auch sehr für das wort "hackklotz". letztens fragte mich jemand, als er in einem text von mir hackeklotsch las ;)

 tulpenrot (27.02.15)
Manchmal fällt man von einer Rolle in die nächste und weiß nicht, wie man dazu kam. Manchmal aber hält man die Nase zu oder die Luft an, weil es anscheinend besser so ist. Und dann taucht man wieder auf. Unversehens und ohne Grund - das eine wie das andere. Und dann erzählt man einfach eine ausgedachte Geschichte des inneren Fisches, wie das alles so kam oder nicht so kam, anders war und doch so einleuchtend...
Mir gefällt diese Geschichte mit der ausgedachten Geschichte.
LG
Angelika
GGesang (62)
(08.05.15)
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 larala meinte dazu am 08.05.15:
Freut mich! :)
Danke und ein: Herzlich willkommen hier!
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