Wenn die Sonne (nicht) scheint

Bild zum Thema Andere Welten

von  Fuchsiberlin

In deiner Jugend dachtest du oft daran, zum Mörder zu werden. Mord am eigenen Ich. Tötende Gedanken, mit der Konsequenz, dass du nicht nur gefühlt das Leben verlierst, sondern auch physisch. Doch sterben wolltest du nicht. Nein, es war der Drang in dir zu schreien, und einfach in den Arm genommen zu werden.

Irgendwann nach diesen suizidalen Gedankenphasen, beherrschten dich andere emotionale Momente. Hoffnung auf Erfüllung deiner Träume und deiner Sehnsucht nach Wärme durchbrachen die Monotonie dieser verzweifelten Selbsttötungsgedanken. Und der letzte Verzweiflungsakt eines Menschen verschwand, zumindest für eine gewisse Zeit, aus deinem Kopf. Immer wieder schwanktest du als Jugendlicher zwischen Leben wollen, Sterben wollen und doch nicht sterben wollen, denn du schriest innerlich um Hilfe. So warst du dem Leben doch immer näher, als du es emotional und geistig wahrnehmen konntest.

Du verfolgtest innerlich das über Fuß kreuzende Laufen, welches dich in farblose Albträume gehen ließ. Deine Augen blickten naiv auf jeden Hoffnungsschimmer, selbst wenn dieser nur aus einer nackten Glühbirne bestand. So winktest du verzweifelt aus deinem Kinderzimmerfenster selbst den Dämonen mit Lächelmaskerade  zu. Du vertrautest ihnen solange schweigend, bis sie dein Vertrauen zerstörten, in dem sie deine Seele folterten. Auf der Straße begegnete dir niemand, der dein Schweigen verstand. Von einem schweigenden, kindlichen Jugendlichen hörst du kein Schreien.

Die Zeit schickte dir Tage der Gleichnis. Dennoch erschien dir in manchen träumerischen Momenten die Zukunft immer als Hoffnung. „Eines Tages kannst du vielleicht reden und vertrauen“, doch daran konntest du als Jugendlicher ohne Halt nicht glauben. Ein leises und zärtliches Pochen in deiner Ein-Zimmer-Fantasiewelt hast du wie einen Schatz gehütet. Eine erträumte kleine Welt von Liebe ohne Missbrauch deiner Sehnsucht.

Und immer wenn ein Gewitter in deinen Wunden entstand, überkam dich der Wille zum Mord. Doch irgendetwas Starkes in dir, sah einen Sonnenaufgang am nächsten Morgen. Dann hörtest du in deinem kindlichen Wesen eine Stimme: „Eines Tages muss doch auch für mich die Sonne scheinen.“ Keine fremden Töne, die du vernahmst. Du sprachst dir Mut zu, verzweifelt und dennoch hoffnungsvoll.

Irgendwann im Erwachsenenalter fingst du an zu reden, ohne zu vertrauen. Eines Tages, nach einem Schrei, begannst du dich zu öffnen. Einem professionellen Helfer. Ängstlich, verzweifelt, traurig, schmerzvoll, wütend und doch eine gewissen Freiheit erbrechend, Druck ablassend.

Die Sonne scheint nicht jeden Tag für dich, doch du freust dich über jeden Sonnenstrahl. Es spielt keine Rolle, wann dieser dich mehr als nur berührt, an welchem Tag er deine Lippen entkrampft, und dich lächeln lässt. Auch wenn deine Seele in Beton gegossene Spuren des Erlebten in sich trägt:
Die Sonne scheint auch für dich.

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Kommentare zu diesem Text

Zweifler (62)
(09.02.14)
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 Fuchsiberlin meinte dazu am 11.02.14:
Dies wäre nicht verkehrt.

Ich danke Dir.

LG
Jörg

 TrekanBelluvitsh (09.02.14)
Eine schöne und gefühlvolle Beschreibung eines jungen Menschen, der auf dem Weg ist, sich zu erkennen. Und auch wenn es dem Außenstehenden vielleicht scheinen mag, dass viel Zeit vergangen ist, wenn das Erkennen bis zum Erwachsenenalter dauert, aber das ist eher die Regel. Gerade psychische Erkrankungen, die nicht auf ein eindeutiges Trauma zurückgehen, sind schleichends Gift.

Und für solche Menschen ein Auf und Ab schon ein Fortschritt seien kann - immerhin gibt es dann 'Aufs' - hast du schön eingefangen.

Ein leiser, aber darum trefflicher und berührender Text.

 Fuchsiberlin antwortete darauf am 11.02.14:
Es dauert in bestimmten Fällen oft bis ins Erwachsenenalter hinein, die Erkenntnis, quasi das Erkennen, und dann bedarf es bei einer psychischer Erkrankung, entstanden aufgrund des Erlebten, professioneller Hilfe. Eine Hilfe, die eine Chance bedeuten kann, eine größere, als man es vielleicht anfangs selbst glaubt.

Ich danke Dir.

LG
Jörg
chichi† (80)
(09.02.14)
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 Fuchsiberlin schrieb daraufhin am 11.02.14:
Das freut mich Gerda!

Ich danke Dir.

LG
Jörg
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