Der blaue Tempel

Beschreibung zum Thema Reisen

von  Regina

Noch waren unsere inneren Augen berauscht von der Faszination des Wundergebäudes, das sich achatfarben aus dem rosaspiegelnden Sumpf erhebt und jeden der es betritt, fürs Leben mit der Forderung nach Symmetrie, Erhabenheit, Reichtum und Überwindung zeichnet. Wir waren betört von den Düften von Sandelholz, Koriander, Ingwer und Cardamom, verzückt von den Farben des Himmels und der Seiden, erschöpft vom langen Wandern durch Teeplantagen und Palmenhaine und seltsam entrückt von den nächtlichen Klängen im Dschungel und glühenden Tagen in Tempeln, begleitet von wunderlichen und wunderbaren Menschen.
Gelernt hatten wir, tagtäglich um wenige Rupien zu feilschen. Doch mit dem Buddha hatten wir vergebens meditiert, er wollte uns noch nicht zum Nirwana führen. Unser Sinn entfloh dem Geschwätz manch selbsternannten Gurus, ernüchtert von der Erkenntnis, dass die erhabene vedische Weisheit nicht unter jedem flatternden Sari zu finden und verzweifelte Armut nicht notwendigerweise Erleuchtung durch Entsagung bedeutete. Noch blieb die Wirkung aller dieser Eindrücke auf das jugendliche Gemüt latent, vergebens schienen unsere wunden Füße den goldenen Subkontinent durchmessen zu haben, noch hatte die Seele nicht gefunden, was sie Jahrhundert um Jahrhundert im Orient suchte.
Wie traumwandelnd verließen wir die turbanstolze Volksmenge im Norden, um uns durch Staub und Schmutz weiter hinauf in klare, reine Luft zu begeben, wo wir Reisegefährten trafen, denen dieselbe Verwandlung in vielerlei Varianten widerfahren war. Dort, wo die Reiseroute zwangsläufig eine Biegung macht, um alsdann geradeaus Richtung Westen zu führen, tauchten in unseren Gesprächen zum ersten Mal seit dem Betreten asiatischen Bodens lange vergessene Erinnerungen an das Leben in Europa wieder auf. Noch erschien uns die Vorstellung jedoch abwegig, uns jemals wieder vom hektischen Alltag der westlichen Heimat verschlingen zu lassen, nicht bevor wir uns an jenem Punkt gen Okzident verabschieden würden.
Wie in Fiebertrance stiegen wir auf geflochtenen Sandalen bergan, doch wählten wir nicht die Hauptroute. Alsbald befanden wir uns auf einem steil ansteigenden Serpentinenpfad. Ganz oben begrüßte uns die letzte goldene Stadt, wo uns noch einmal wehende Seiden, leuchtende Farben und mysteriöse Klänge zu sinnlichen Düften und süßen Gewürzen luden.
Dort stand der blaue Tempel.
Nun endlich löste der Glanz von Aquamarin, Coelestin und Lapislazuli die Tränen der vom Wüstensand brennenden Augen. Hier an diesem Ort erlangten wir die Kraft, bald die endlose Gobi zu durchqueren, um uns schließlich an ihrem Ende der schauderhaft-schönen Großstadt-Essenz der ganzen östlichen wie westlichen Welt auszusetzen wie einem schwer verdaulichen Mahl, wo sich der Ahriman mit dem Luzifer eine ständig währende Schlacht um jede einzelne Seele zu liefern schien, die aus einem Mix aus Minirock und Prügelstrafe, Coca-Cola und Kinderarbeit, Schleierzwang und Drogensucht bestand.
Doch noch befanden wir uns hier oben, wo das reine, spirituelle Asien seine Fantasiegebilde auftürmt. Eine Verschleierte und ein Kamel geleiteten uns zur Grenze der letzten drei Palmen, von wo aus wir den blauen Tempel wie eine  Fata Morgana in der Ferne erblickten.
Bei der Ankunft erscheint der blaue Tempel nicht jedem Betrachter auf die gleiche Weise. Wenn auch der Hauptraum aus einem Kuppelbau und vier Minaretten besteht und es heißt, dass an besonderen Tagen der Prophet selber erscheint, um ein letztes Mal eindeutig und für alle verständlich zu verkünden, auf welche Weise die Erfüllungsreligion nunmehr zu leben sei, so hat doch der Architekt des blauen Tempels auch die Form der buddhistischen Pagode nicht vergessen, damit die hier anwesenden Seelen die Befreiung vom Kreislauf der Wiedergeburten erlangen.
Aber auch gotische Türme und romanische Bögen dienten als Elemente der Baukunst und sind hier zu finden.
Für manche entschwebt der blaue Tempel in einem blassrosa Schleier ätherischer Halbwirklichkeit, so dass die Eingangstür nicht gefunden werden kann. Andere nehmen ihn auf schwarzer Erde wie direkt neben einem ziegelroten Wohnhaus in einer tropischen Stadt wahr.
Furchtsame Seelen wagen es kaum, den blauen Tempel in der Abenddämmerung zu betreten. Das Blau erscheint dann dunkler, fast schwarz und die Schutzmauer höher, die tiefe Stille bedrohlich.
Alle aber erinnert der Tempel daran, dass alles Gewordene vergänglich und dem Tode unterworfen sei, was so manchem Lebemann zu hören äußerst unangenehm erscheint, ohne dass er umkehren kann.
Seinen schönsten Glanz entfaltet der Tempel kurz vor Sonnenuntergang. Dann spiegeln sich irisierende Farben auf den Marmorplatten im Innenhof, in dessen Mitte ein sternförmiges Mandala auftaucht. Das Farbenspiel in der Atmosphäre ist kaum zu beschreiben. Alle Lichtfarben geben sich ein leuchtendes Stelldichein. Nirgendwo wurde Ähnliches gesehen.
Kinderaugen freuen sich entzückt an den lustigen Farben, sehen das Mandala als Weihnachtsplätzchen und über dem Tempel den Stern von Bethlehem.
An Tagen des Monsuns, wenn Regen und Sturm die Palmen peitschen und die Menschen in den Städten ihre Kleidung hüfthoch raffen, um durch das Wasser zu waten, kurz bevor die Sonnenglut wieder am Himmel aufgeht, um Mensch, Tier, Haus und Pflanze alsbald im Dampf zu baden, schwebt über dem Tempel ein blauer Engel herbei, um jenen zu segnen.
Wegen der unermesslichen Reichtümer, die im Innenraum aufbewahrt werden, wurde der blaue Tempel überall gesucht: in Indien, In Griechenland, in Istanbul, Rom und sogar im winterlichen Moskau, wo die Menschen einander erzählen, der letzte Zar habe nicht nur ein Bernsteinzimmer, sondern auch jede Menge blauer Juwelen besessen.
Zutritt erhält jedoch nur, wer allen Gefahren auf der Reise mutig die Stirn geboten, Geldfälscher, Mädchenhändler und falsche Propheten abgewiesen und Betrügern den Rücken gekehrt hat. Wer aber unter dem Schutz des blauen Engels seine Reise fortsetzt, trägt seinen Rucksack ohne Probleme durch alle Gefahren. Weder Schlangen noch Skorpione noch nächtliche Angriffe noch Krankheiten können ihm schaden. Besserwisserei, Hochmut und Geldgier freilich müssen auf der Strecke geblieben sein, bevor der blaue Tempel betreten werden kann.
Nicht umsonst hatten wir uns in rostigen Bussen durchrütteln lassen und waren lange Strecken über Eisenbahnschwellen zu Fuß gegangen. Die lange mühevolle Reise machte sich bezahlt.
Wer den blauen Tempel betritt, kann aus dessen mit Gold und Edelsteinen gefüllten Schatztruhen mitnehmen, so viel er nur tragen kann.
Im Morgengrauen, zwischen Dunkel und Licht, taucht der erste Sonnenstrahl alles in milchiges Grünblau, so dass sich Rot nur noch als schwaches Violett, Gelb aber gar nicht hervorwagt.
Dann erscheint am hinteren Eingang, am Elefantentor, eine blau gekleidete Gestalt mit larimarfarbenen  Haaren. Geheimnisvolle Erzählungen ranken sich um ihre Herkunft. Es heißt, sie sei die letzte Priesterin auf Atlantis gewesen. Andere wollen in ihr die blaue Jungfrau erkannt haben, die den Christian Rosenkreuz zur Alchymischen Hochzeit einlud.
Gemessenen Schrittes geht sie zum Altar, entzündet die Kerzen des siebenarmigen Leuchters und liest aus einem Buch mit geheimnisvollen Schriftzeichen in einer uralten Sprache, die nur sie allein zu verstehen scheint.
Am späten Vormittag war die Sonne bereits hoch empor gestiegen und die Gegend lag wieder in dem für diese Region typischen goldglänzenden Licht. Vor dem Gästehaus sahen wir einen goldverzierten Wagen stehen, aber kein Tier, kein Wesen, das ihn hätte ziehen können. Die Leute sagen, dass die blaue Unbekannte ihren Wagen besteigt, um sich von Unsichtbaren in ihr blaues Reich heimfahren zu lassen.
Auch wir wandten uns ein letztes Mal in Richtung des blauen Tempels, bevor wir den Abstieg entlang der Serpentinen in Angriff nahmen. Am nächsten Tag erreichten wir die Stadt, wo wir alle unsere Reisegefährten wieder begrüßten.
Der blaue Tempel in der Ferne schien sich langsam aufzulösen, indem er  sich den Augen immer kleiner und feiner darbot, bis das Bild so dünn war wie Spinnengewebe. Nun wanderten wir endgültig gen Westen.
Als wir dennoch ein letztes Mal zurückblickten, faszinierte uns ein märchenhafter Anblick.
Vom Tempel waren nur noch goldfarbene Konturen zu sehen, der Innenhof glänzte aquamaringrün. Am Himmel waren vier Rosen erschienen. Drei blaue Möwen flogen durch die Luft, die als pastellfarbener Hauch die traumunwirkliche Szene durchflutete.
Die Sonne verwandelte sich in ein filigranes, gelbgoldenes Netz, das bald wie ein goldenes Tor den Zugang zur Märchenwelt verschließen würde.
Wir stiegen in einen Bus wie ganz normale Touristen.

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Kommentare zu diesem Text


 TassoTuwas (18.04.14)
Lange Texte lese ich ungern. Nur wenn in mit der Nase drauf gestoßen werde, wage ich den Kraftakt, und manchmal verliere ich sogar beim Lesen mein mir liebes und gepflegtes Vorurteil
Wie bei diesem Text.
Sprachlich überzeugend, bildhaftschöne Detailbeschreibungen, spannend geschildert.
LG TT
P.S. konnte nicht herausfinden um welchen Tempel es sich handelt??

 Regina meinte dazu am 18.04.14:
Es ist ein Fantasietempel. Aber das Tasch mahal ist erwähnt als symmetrisches Gebäude am Anfang.

 Dieter_Rotmund (21.12.18)
Ich versteh nicht einmal, um was es geht. Der Text hat kein Zentrum, keinen roten Faden, keine Protagonisten, keine Handlung. Er mäandert rund um blumige Beschreibungsformulierungen herum, substanzlos.

Nichts für ungut!

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 26.09.19:
Besticht durch Anhäufung schwülstiger Adjektive. Regina, das kannst Du besser!
bbx (68)
(20.01.19)
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bbx (68)
(20.01.19)
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 Regina schrieb daraufhin am 20.01.19:
Danke, Rudolf
TaBea (64)
(21.04.19)
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