Ungebetener Gast

Gedicht zum Thema Ende

von  Möllerkies

Dieser Text gehört zum Projekt    Texte vom Tod.
Still trittst du zu mir herein gleich,
in mein Häuschen hinterm Rheindeich,
wo ich grade Wäsche einweich
und dem Gast ein Gläschen Wein reich,
 
sprichst: »Verzeih, dass ich mich einschleich,
es ist Zeit, folg mir in mein Reich.
Deine Lebenszeit ich einstreich,
ob du arm bist oder steinreich.«
 
Jetzt, wo ich den Abschied einreich,
werden mir vor Angst die Bein’ weich.
Bitte ende meine Pein gleich,
dass ich nicht so bang durchs Sein schleich.
 
Deine Hand mir nun, Freund Hein, reich,
wisse, dass ich dir allein weich.
Sensenmann, schon trifft mich dein Streich,
bald schon schimmert mein Gebein bleich.

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Kommentare zu diesem Text


 Lluviagata (15.03.14)
Schönes Spiel um Sein und Reich!

Liebe Grüße
Llu ♥

 Annabell meinte dazu am 15.03.14:
ich schließe mich Llu an und wünsche Dir ein schönes WE
Annabell

 Möllerkies antwortete darauf am 15.03.14:
Vielen Dank, Llu und Annabell.

 monalisa (15.03.14)
Oh, ja, das ist ein Haufen '-ein -eich'!
Ob sich der Sensenmann da nicht ein wenig veräppelt vorkommt?
Durch die unbetonten Einsilber da und dort am Versende (auch als Kadenzverbrechen bezeichnet, aber natürlich nicht von mir )) erhält das Ganze einen ziemlich schrägen Klang. Galgenhumor nennt man das wohl.
Mir gefällts - der Tod kommt so oder so, warum ihm nicht mit Augenzwinkern begegnen?

Dieses 'sprichst' in S2, erstes Wort, da kann ich die Anrede in der zweiten Person (du sprichst) nicht ganz zuordnen, sonst ist immr von ihm, dem Gast, die Rede ???

Naja, ich hoffe, er verschont mich mit seinem Besuch noch ein Weilchen!

Liebe Grüße,
mona

 loslosch schrieb daraufhin am 15.03.14:
problemlos zuzuordnen durch die wörtliche rede.

 Möllerkies äußerte darauf am 15.03.14:
Oha, Kadenzverbrechen! Das ist ja fast so verwerflich wie Reimfrevel, Versmord und Strophenschändung!

Wörter wie „steinreich“ (iim Sinne von „sehr reich“, im Gegensatz zu „steinreich“ im Sinne von „reich an Steinen“), „Rheindeich“ usw. werden ja mit zwei betonten Silben ausgesprochen – und das gilt auch für die übrigen Versendungen meines Gedichts. Ich verwende also nicht weibliche, sondern klingende bzw. Strickerkadenzen, die aus der mittelhochdeutschen Literatur bekannt sind, aber auch z. B. auf Rap anwendbar sind (vgl.  Würtemberger, 2009). Das sollte in der Sache „Kadenzverbrechen“ zum Freispruch führen, auch wenn es vielleicht ein Verfahren wegen „Hebungsprall“ nach sich zieht.

Zur Anrede: Der Tod wird in meinem Gedicht durchgehend in der zweiten Person angeredet; die Rede von „dem Gast“ ist die Ausnahme. Man könnte hier auch „und dir rasch ein Gläschen Wein reich“ schreiben, aber mir gefällt die Stelle so, wie sie ist.

Danke für die Anregung, mir ein bisschen Theorie anzueignen.

 monalisa ergänzte dazu am 15.03.14:
Zur Anrede: Der Tod wird in meinem Gedicht durchgehend in der zweiten Person angeredet; die Rede von „dem Gast“ ist die Ausnahme. Man könnte hier auch „und dir rasch ein Gläschen Wein reich“ schreiben, aber mir gefällt die Stelle so, wie sie ist.
Ist schon klar, ich weiß auch nicht, was mich da gestern geritten hat. Oder obs die Tomaten auf den Augen waren oder ...

Zum anderern danke auch ich herzlich - hab ja nun auch wieder etwas dazugelernt. Wie auch immer man es nennt, es klingt 'schräg' und das ist doch gut so!
Ich denke, ich betone trotzdem ein bisschen anders, als du vorgibst. In meinem stillen Kämmerlein, wenn ichs mir vorlese, um den ungebetenen Gast abzuhalten, darf ich das. Oder ist das jetzt auch ein Verbrechen?

Liebe Grüße,
mona
Gutblond (53)
(15.03.14)
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 Möllerkies meinte dazu am 15.03.14:
Hätte ich ein Häuschen hinterm Rheindeich, würde ich vielleicht auch mit der Hand waschen.

 loslosch (15.03.14)
kommando an jedes der klageweiber: "vor der leich´ kreich!"

 Möllerkies meinte dazu am 15.03.14:
 Genau.
MarieM (55)
(15.03.14)
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 loslosch meinte dazu am 15.03.14:
"Dein Reich" - als anspielung aufs vaterunser (dein reich komme ...)
MarieM (55) meinte dazu am 15.03.14:
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 Möllerkies meinte dazu am 15.03.14:
Vielen Dank, Marie, freut mich, dass dir die Betonungen gefallen. „Da macht der Sensenmann doch richtig Spaß.“ :D Das war meine Intention.

Wie ich auf die Idee kam? Ich wurde gefragt, ob ich ein Gedicht zum Thema „Steinreich“ kenne. Ich kannte keins, fing also selber an zu dichten - und habe nur das Thema etwas verfehlt.

Und ich wollte lieber einen aussagekräftigen Titel, als das in den Versen ziemlich ausgereizte Reimspiel zu wiederholen.

 TrekanBelluvitsh (15.03.14)
Ist immer nur eine Frage, wie man nach dem Schrei reagiert:  "Der Tod"[/b] von EAV

"Nur Sensen brauch ich kane
I hob an Rasenmäher"
:D

 Möllerkies meinte dazu am 15.03.14:
Auch nicht verkehrt:

„Du kannst dein Lebtag faul sein
Oder umeinander g'schaftln
Fünf Tag nachdem der Tod eintritt
Fangt jeder an zum saftln“

:D

 Didi.Costaire (15.03.14)
So ein Gedicht habe ich bislang noch nicht bei keinVergleich gelesen, obwohl dort oft der immergleiche ungebetene Gast vorbeischaut.
Reimfreudig und innovativ, gefällt mir gut!
Schöne Grüße, Dirk

 Möllerkies meinte dazu am 15.03.14:
Vielen Dank, Dirk, das liegt vielleicht an keineÜblicheKadenz.

 EkkehartMittelberg (15.03.14)
Freund Hein ist es gewohnt, dass man ihm mit äußerster Ehrerbietung begegnet. Das wird ihn vermutlich langweilen und er wird sich freuen, dass mal ein Poet es wagt, ein wenig launig mit ihm zu kommunizieren.
LG
Ekki

 Möllerkies meinte dazu am 16.03.14:
Danke, Ekki.
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