Mutterschoß

Text

von  Akzidenz

[..] . . αθανάτων
αγενητών
ανωλεθρον
αμεταβλητων.



Solange Du Dich regst, hoffst Du.

Anaximander, dieses morgens war es mir, trotz Träume, nicht zumute, gestern gestorben zu sein.
Vielmehr hatte Ich in der Nacht gelegen und verlandschaftlicht was . .
- dem Körper traust Du, wenn Du schläfst?
Aber das Ruhen seines Blutes ist ja, dass die Seel nicht mehr verschattet länger vor schwieligen Mauern da schwebt, und alles Sterbliche und aller leiblicher Genuss entrückt; ja der Schlafe wär ein großer Tod, wenn Erwachen nicht Vertrauen hieße!

Vertrauen, aus dessen Wiedergeburt sich Wiedererkennen und Wieder-Fleischwerden erhebt; ein sich selber Zählen immer wieder, Apotheose der bekannten und allmählich gierigwerdenden Versenkung des Bleibens: auf dass neuer Tod geboren wird, will es einstige Höhe ihrem Weitblick unterziehen, und einstiges Joche soll bald gebücktes Labyrinth und alles ratgebender Schoße sein: die Erfahrung, wie Du hier am Bette sagst, in der Welt zu sein, o mein Geweihter, hat der Tod!

Ob denn die Unschuld je bedroht? Sag mir. Es wird harmlos das Gewesene und muss, um Sein zu üben, überhöhen! Unbedeutend eigentlich, wenn ein Wehe Dich ergreift, wie jetzt: fiebrig, matt und bland, als ob Du mir, Freund, nie anders warst - ganz Opfer des Herdes, Ich ein lächelndes Gesichte denke.

Aber wie kommt mir nur dies, dass alle die Dinge, die Ich abermals erkannte, sich meinem Frohsinne entziehen, und wie ein Körperteile, sinu filiam, sich dem Alter gähnend übergeben? Der Schlechtigkeit dagegen unverwandt ist alles Unaufälligerwerden. Die erfindet immer neue Klagen! Denn je länger sie auch währt, wie Schmerz, so wird sie doch an Verehrung nicht einbüßen oder an Farbe noch verlieren, wie der sonnenbefleckte Himmel etwa so vergessen Tag für Tag, rennen die Menschen zum Brande, um zu staunen - aber die Sonne ehren sie nicht!

Kranksein, Gefährte, das ist eigentlich der Menschen Verwandlung zum Kinde und nicht hilfreich wieder werden: Eitlen ein Groll, wenn Ich Dir wieder nicht sein darf, was geworden ist! Aber hör dich an, dies ist allem Bösen gleich, allem Dunklen, allem Drohenden, allem, das dem Tode ähnlich, dass sie dem Guten die Sterblichkeit entgegenwälzen, und dass keinen Hunger haben! Unverletzlich, weil im Schatten sie ruhen, und wir nichts an ihnen erkennen dürfen, was der Grenze des Wohles gemein ist, deswegen Suche . . und Fliehen, unsterblich, weil es nie geboren ward und sich nichts in ihm regt, als Ungezeigtes und Verbleichen; nirgends wirst Du das Geheimnis klarer noch vor Augen haben, als im Dunklen und Ungreifbarem - unveränderlich beharrt es darin, dass die Tugenden verletzt werden, dass alles Gute und Stehende im Leben dem Bösen so anfällig wird, wie das Gezähmte der Seuche, das Lichte dem Dunkel, dass alles Übel unendlich und alles Wohle nur Trost, eben weil das Böse das Vollenendete bis zur Unerkennbarkeit noch zu verdauen weiß!

So sehe doch, Freund, ihr Grausamsein ist eine Zier, sich ewig zu heißen und mit Feuerkreisen sich zu brüsten, als wäre die Gesundheit harmlos. Verletzlich nur, wo eine von Werten gewisse Bestimmung sie versetzte, eine von Fertigkeit sprechende, vollkommene Art, Bestimmtheit und Ordnung!

Was glaubst Du, ob denn dem Unsterblichen nach solchem ist?
Denn als Du den Finsterlingen Dich zur Wehr setzen musstest, da schickten sich Dir Nöte an, nur grausamer zu sein, als sie es sind, um der Schwachstellen nicht anheimzufallen, die alles Leben wieder senkt!
Dein Gift, Du erinnerst Dich?
Bedenke aber dies, wie jene mordenden Untiere, jenes kanaillenhafte Geschmeiß, jenes Ungetüm an Schrecklichkeit, sich mit Odiösitäten schmückend, die nur dem Satan angehören, mir einen Freund mit Schierling aus dem Leben zu reißen, dass auch jener Janhagel, wie alles Sterbliche weich wird, dass auch die Räuber schlafen gehen, dass auch Geschmeiß, von Leichen heimkehrend, wie fiebriges Kind, dem Schlummer ersinkt, dass Du einst einen Garten an jenem Orte haben wirst, an dessen umbraunen Mauern sie sich flehentlich weiden - in der Hoffnung, Deine unbekannten Sträucher mögen sie umfinstern!

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