An irgendeinem Tag, oder: Erkläre mal dem Radiomann das Haus im Andersweg

Bild zum Thema Alltag

von  Fuchsiberlin

Ich höre Stimmen, obwohl im Zimmer außer mir keiner mit Anwesenheit glänzt. Das Radio befindet sich im ON Modus. Der Moderator verbreitet übertrieben gute Laune. Kündigt Helene Fischer an. „Atemlos“. Zumindest der Titel passt. „Hallo, klopf klopf Moderator, ich wünsche mir ein Lied über Gefühle, die an der Haustür klingeln, und mich lächeln lassen.“ Aber dieser Wort sprintende und springende James Bond einer „Good Morning Radio Show“ mit seiner Quassel-Lila-Laune-Action  erfüllt keine persönlichen Wünsche. Dem sollte ich mal einen Liter Honig über den Kopf kippen.

Das Licht an der Decke flackert. Du dumme Glühbirne, willst du mit mir auch noch ein Gespräch anfangen? Nee danke, es besteht kein Bedarf an einem künstlich angehauchten Dialog.

Der Kaffee ist kalt, die Cola warm. Irgend etwas stimmt nicht. Fieberschübe mit Schüttelfrost. Getränke fühlen nicht, können nicht krank werden. Irre Gedanken. Versuche mal mit dem Kühlschrank oder der Kaffeemaschine zu quatschen. Noch kennt mein Irrsinn Grenzen.

Der Kalender zeigt farblos irgendein einen Tag von Tagen an. Die Uhr meckert nicht.
Weckfunktion abgeschaltet. Es ist sieben Uhr zehn morgens.

Im Briefkasten steckt eine Berliner Zeitung von 2015. Schlagzeile: Machts jut Nachbarn. Die Zukunft?

Am Tag rennen Menschen an Wohnungstüren vorbei. Unerkannte Nachbarn. Worte stolpern im Sprint. Das Hören wird zur Qual. Blinde Fenster zeigen nichts,  der Tote dahinter bleibt vorerst unentdeckt. Irgendjemand schrieb an eine Wohnungstür die Öffnungszeiten. An einer anderen hängt ein Preisschild neben der Klingel. Einsamkeit hat ihren Preis. Eine Wohnung im vierten Stock befindet sich im Leerstand. Das Center der zu suchenden Jobs zwang den Vormieter an den Rand der Stadt zu ziehen. Dort breitet sich jetzt die Armut aus.

Im Radio läuft mittlerweile Werbung. Nun schalte ich es aus. Bier Werbung um sieben Uhr vierzig.
Nee, das fehlt jetzt noch. Bier besitzt auf meinen Gaumen eine Brechreiz fördernde Wirkung.

Ich unterhalte mich mit dem Mann im Spiegel. Es entwickelt sich ein Gespräch. Ein Selbstgespräch.
Das Licht flackert immer noch. Ich schalte es aus. Und flüstere: Machs jut meen Großer.

Morgen gehe ich in den Supermarkt. Kühlschränke können nicht reden.
Aber irgendwie erzählen sie einem doch etwas. Über den, der diesen füllt. Oder?

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Kommentare zu diesem Text

B-Site (30)
(13.05.14)
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 Fuchsiberlin meinte dazu am 13.05.14:
Das geht mir manchmal auch so.

Ich danke Dir.

Liebe Grüße
Jörg

 Ganna (13.05.14)
...eine traurige Wirklichkeit, die viele Menschen berührt...und innerhalb derer es schwierig ist anders zu sein, um sie zu überwinden...

LG Ganna

 Fuchsiberlin antwortete darauf am 13.05.14:
Ja, doch es spiegelt eine Realität wieder, eine, die sich vielleicht immer mehr ausbreitet.

Ich danke Dir.

Liebe Grüße
Jörg
chichi† (80)
(13.05.14)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Fuchsiberlin schrieb daraufhin am 13.05.14:
Ich danke Dir für Dein Lob, Gerda.

Liebe Grüße
Jörg

 Annabell (13.05.14)
excellent beschrieben. Der Text berührt.
LG Annabell

 Fuchsiberlin äußerte darauf am 13.05.14:
Ich danke Dir für dieses Lob, Annabell.

Liebe Grüße
Jörg

 TrekanBelluvitsh (13.05.14)
Das Gefühl von 'Nichts' oder 'Überflüssig' sehr gut beschrieben. Die heute ständig geforderte und propagierte 'gute Laune' als Gegensatz dazu. es zeigt sich halt immer wieder, dass alle lustig sein wollen, es aber nicht sind. Und schlecht drauf sind nur die Verlierer... ich hab nix gegen die Welt, kein MG, keine Atombombe, nix...

 Fuchsiberlin ergänzte dazu am 15.05.14:
Volltreffer, Du hast mit wenigen Sätzen sehr gut beschrieben, was ich auch im Großen meinte. Und durch diese Gute-Laune-Sein-Müssen-Wollen oder wie auch immer, "übersieht" manch einer das Elend. Manchmal beim Nachbarn ...

Ich danke Dir.

Liebe Grüße
Jörg
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