Offene Weite - Nichts von heilig, Teil 1

Beschreibung zum Thema Lebensweg

von  LotharAtzert

1. Das Helmutchen

Schon mein ganzes Leben hat mich das Wesen des Denkens angezogen und das hat sich bis heute nicht geändert. Allein die Möglichkeit, welche Tieren vollumfänglich nicht zugänglich ist, - sie haben dafür den Instinkt - faszinierte mich bis fast zur Hyperventilation. Das Wort im Satz - ein einziges Mysterium, eine zu ergründernde, dynamische Welt in der Welt. Wobei die Art der Wahrnehmung und des Sprachempfindens im Laufe der Zeit subtiler wurden. Das lag nicht zuletzt daran, daß mir das große Glück zuteil wurde, Menschen zu begegnen, die darin Meisterschaft erlangten.
Sie alle betonen die Basis der inneren Stille.

Zunächst aber erfuhr ich das Gegenteil. Vor allem durch den Vater, der, vom Russlandfeldzug heimkehrend, durch diesen zu traumatisiert war, als daß er einem Kind, wie mir noch ein kindgerechter Förderer seiner Anlage hätte sein können. Die Erziehungsmethoden bestanden größteils aus Drohungen, wozu ihn sein cholerisches Temperament je und je hinriß. Praktisch jede naive Infragestellung wurde mit einer Empörung sanktioniert, als hätte ich an Abgründe gerührt. Sätze, wie: "Gleich rutscht mir die Hand aus" oder "Ach, ich könnt' dich schon wieder ...!" ließen mich Automatismen von Abwehrhaltungen ausführen und, wo möglich, ein sicheres Versteck aufsuchen, in dem ich dann nachgrübeln konnte: Wie kann einer vorher wissen, dass ihm die Hand gleich ausrutschen wird, wo doch ein Ausrutscher, wie Mutter sagte, nicht willkürlich planbar, sondern ein unkalkuliertes Mißgeschick ist?
Mutter war nicht ganz so rigoros. Nur wenn sie die Haarschuppen von den Schultern klopfte, schlug sie mir dabei fast das Schlüsselbein kaputt.

Wie jedes Kind, hatte ich Fragen, hätte sie gern von Erwachsenen beantwortet gehabt damals, denn sie schienen zu wissen, worauf es im Leben ankam. Doch sofort hieß es: "Ach halt den Mund - das ist so, weil es so ist! Ruhe jetzt, mach was man dir sag, sonst ..."
... rutschte ihm wieder die Hand aus, jaja. Und warum einen Mund halten, der doch bestens angewachsen schien, also keiner Stütze durch Hände bedurfte ...
Natürlich bezog ich bald schon seine Ausbrüche auf eigenes Fehlverhalten - ich bin wohl seiner Liebe nicht wert, da ich ungehorsam war in allem, was ich tat oder nicht tat. Selbst im Luftholen war ich ein Dieb. Und war sicher auch für Helmutchens Tod verantwortlich, das neun Monate vor meiner Geburt verstarb. Ja, irgendwie fühlte ich mich als Lückenbüßer, als zweite Wahl, wie es auf Lebensmittel manchmal stand.
Das Helmutchen wurde nur knapp ein Jahr alt. Ist praktisch verhungert - sein Mageneingang war verschlossen, so daß es alle angebotenen Speisen im hohen Bogen ausspuckte, was Oma Regine kommentierte mit dem Spruch: "Speikinder - Gedeihkinder!"
Als sie es endlich bemerkten, war das Helmutchen tot.


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Kommentare zu diesem Text

BabetteDalüge (67)
(01.08.14)
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 S4SCH4 (06.12.23, 11:16)
Hi.
Die Zufallstextsuche führte mich hierher.
Nächstes Jahr ist 10 jähriges.
Grund für einen Kommentar.

Ich hatte in meiner Jugend einen Fußballtrainer namens Helmut.
Das Fußballfeld war mir- als Torwart, auch offene Weite und half die ein oder andere "naive" Fragestellung meinerseits, "spielend" zu verarbeiten. Die Spiele fanden Samstags und Sonntags statt, zu Zeiten an denen Andere in die Kirche gingen. Meine Eltern waren nie dabei. Vermisst hatte ich sie aber auch nicht.

vg.

 LotharAtzert meinte dazu am 07.12.23 um 09:09:
Oh, das ist ja eine Überraschung, nach so langer Zeit.
Und stellst mich gleich vor eine unlösbare Aufgabe: vom Helmutchen zum Fußball. Die offene Weite - aus dem Zen - ist bei dir ein begrenzter Raum geworden, auf dem je 11 Personen unter Regeln spielen. Ich hab immer mal wieder geguckt, welches Tierkreiszeichen wo am besten spielt. Im Tor scheinen es die Wasserzeichen zu sein, die haben die besten Instinkte. Nicht nur unser Eintracht-Trapp ist Krebs. Dieses Zeichen scheint überhaupt gute Fußballer hervorzubringen, unter anderem Lionel Messi und einige spielerinnen. 11 ist die Zahl des närrischen Wassermanns - Ronaldo zb.

Dankesgruß
Lothar
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