Im Spiegel der Gedanken

Bild zum Thema Denken und Fühlen

von  Fuchsiberlin

Auf meiner Lieblingsbank am Wasser schaue ich in einen unsichtbaren Spiegel.
In meinen Augen sehe ich Kerzen. Doch ihnen fehlt das Licht.
Ich suche vergebens nach einem Streichholz. Irgendwann finde ich es.

In einem Raum nie vergessener Zeit sehe ich einen Schatten tanzen. Einen Menschen.
Zu Melodien von Schmerz, Trauer, Verzweiflung, Sehnsucht und Hoffnung bewegt sich dieser Mensch.
Ein Schattenkind, das meinen Namen trägt.

Am Schreibtisch im Kinderzimmer sitzt der Teufel, und feilscht mit einem Engel um die Gedanken. Zwischen Tod und Leben findet ein verbotenes Pokerspiel statt.
Abseits des Lichts kämpfe ich als Kind gegen dieses Spiel.

In weiterführenden Bildern sehe ich mein altes Kinderzimmer, dass irgendwann geleert wurde.
Nur noch Reste eines Traums befinden sich irgendwo in den Wänden. Eingemauert.
Der Schmerz und die Trauer wurden von Vater nach meinem Auszug hinfort tapeziert.

Wer ist der Schöpfer meines Schattens?
Und wer komponierte die Melodien, zu dem mein Schattenkind tanzt?
Die Seele … Ein Schei ... - Wort. Seele? Klingt wissenschaftlich, fachspezifisch.
Hey du da im Spiegel, sag einfach: Das Ich.

Der Teufel spricht leise Worte. Ich verstehe sein Flüstern der vergangenen Zeit nicht.
Doch ich sehe die Bilder, die er in mein Ich tätowierte.

Manchmal wünschte ich mir, ich hätte in den Bauch meiner Mutter wieder hinein robben können.
Um mich an der Nabelschnur zu erhängen. Nie geboren.
Damit ich nicht das erfahre, was sich „Mein Leben“ nennt.
Doch: Mutter ist seit Jahren tot.
Und ich bin erwachsen, und dazu fähig, etwas zu verändern. Wenigstens etwas.

Früher, als Kind und Jugendlicher, fürchtete ich mich irgendwann, dies auf eine diffuse Art und Weise, vor vielen Menschen. Heute begleitet mich manchmal eine andere Angst. Die Angst vor dem Leben.

Ein Spatz tappst gerade in Richtung meiner Füße. Vielleicht verspürt er ein Hungergefühl.
Dieses Gefühl spüre auch ich. Aber ein anderes als dieser kleine Vogel.
Der Hunger nach Liebe. Liebe zum Leben.

Ich kann nicht schweigen. Und will dies auch nicht.
Denn: Als Kind musste ich es (lernen): Zu Schweigen.
Und viel zu lange in meinem Leben blieb ich stumm. Vor meinem Spiegel, und abseits von diesem.

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Kommentare zu diesem Text

Graeculus (69)
(11.08.14)
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 Fuchsiberlin meinte dazu am 11.08.14:
Zu schweigen, dazu kann einen Menschen nie jemand zwingen.

Doch die Liebe, wie wird diese empfunden? Wird sie vielleicht manchmal auch von (zu) großen Ängsten und mangelndem Vertrauen in diese und den anderen begleitet? Ich glaube, dass es sich manchmal so verhält.

Wann ist ein Mensch für den anderen liebenswert? Ich glaube, hierzu könnte man Romane schreiben ...

Die Liebe im Leben bedeutet zugleich Gewinn und Verlust.

Ich danke Dir.

Liebe Grüße
Jörg

 EkkehartMittelberg (11.08.14)
Gut, dass du nicht schweigst, Jörg. Es gibt bestimmt Menschen, die sich in deinen Gedanken wiedererkennen. Allein darin liegt schon Trost.

LG
Ekki

 Fuchsiberlin antwortete darauf am 12.08.14:
Schweigen ist nicht immer sinnvoll.

Ich denke, das trifft auf so gut wie jeden Text von Autoren zu. Dass sich Menschen in Gedanken wiederfinden. Und das ist auch gut so, Ekki.

Ich danke Dir.

Liebe Grüße
Jörg
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