Steingeburt

Kurzprosa zum Thema Untergang

von  RainerMScholz

Er sucht wieder seinen Weg durch dieses scheinbar undurchdringliche Labyrinth. Die mysteriösen Zeichen an der Wand geleiten ihn von einem unterirdischen Ort zum anderen. Ein Ölmantel schützt ihn vor den Giften, die Gasmaskenfratze beugt sich über den Kot der Stadt. In den Tunneln und Grüften glimmt ein trübes Licht, um dann die Dunkelheit siegen zu lassen abermals. Kettenglieder baumeln klirrend von den Ziegeln leise, Knochen vermodern, Menschen verschwinden. Spurlos und ohne Laut. Mit Leib und Seele wohnt er in den Kanälen der Stadt, das Monstrum, das niemals schläft, das nicht die Sterne kennt und nicht das Tageslicht. Er beobachtet, er sieht durch Schlitze und Löcher, er hört den Tropfen, der den Stein aushöhlt, er weiß, woraus Gott die Menschen wirklich erschuf. Das Schleifen eines eisernen Deckels könnte ihn verraten, das Schlurfen von Gummi auf Teer. Doch wenn er die Menschen mit Haken holt, schweigt die Stadt still. In seinem Reich ist er der König, die Ratten tanzen nach seinem Lied, wenn er pfeift, springen sie, ist er stumm, so schweigen auch sie. Am siebten Tag bezog er seine Behausung. Da schlief die Welt noch. So wie jetzt. Ich bin der Vater der Dinge, die du dein nennst. Ich bin bei dir gewesen, als du kamst und begleite dich, gehest du einst; was geschieht. Weshalb sollten die Steine reden? Das Dilemma jeglichen Lebens, wie ihr es kennt, ist Fressen und Sterben und Vergehen. Weshalb sollten Steine reden hier unten.


© Rainer M. Scholz

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Kommentare zu diesem Text

Graeculus (69)
(29.10.14)
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 RainerMScholz meinte dazu am 29.10.14:
Guter Gedanke. Lovecraft ist schmeichelhaft.
Gruß und Dank,
R.
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