Diese eine Pille, abseits der Psychokirmes

Bild zum Thema Andere Welten

von  Fuchsiberlin

Am letzten Abend verpasste ich das Sandmännchen. Eine Schlaflosigkeit in der Nacht folgte.
Ja, genau, du blödes Männchen mit dem Schlafsand hast Schuld.
Der Traumtest blieb im wachen Zustand aus.

Die Armbanduhr warf ich um ein Uhr vierunddreißig aus dem Fenster.
Der Minutenzeiger überholte dauernd den Sekundenzeiger. Verdammt, die Zeit verging zu schnell.
Ach übrigens: Die Uhr fiel unglücklicherweise einem rennenden Anzugträger mit Koffer auf dem Kopf.
Er überstand den Zeitschlag.

Am Morgen sitze ich einem Arzt der Analysefreiheit gegenüber. Er mag so zwischen 60-70 Jahre alt sein. Ein von mir speziell ausgesuchtes Alter. Für diese Fachrichtung.
Verbunden mit der naiven Hoffnung, dieser erfahrene Mediziner könnte mir helfen.

„Hey Doktor der Psychokirmes, können sie mir eine Pille gegen ungewollte Erinnerungen verschreiben?“
Auf dem Rezeptblatt mehren sich geschriebene Worte.

„Ich will keine Psychopharmaka, sondern DIE eine (regenbogenfarbige, farbträumen darf man ja wohl ...) Pille!“
Der Doktor schüttelt den Kopf.

Ich flüchte wortlos aus der Praxis. An meinen Gedanken hängen sich Emotionen ran.
Gefühltes rennt durch meine Nerven, und versucht den Verstand lahm zu legen.

Der Krach, und das Schweigen zur falschen Zeit in der Großstadt erzeugt in mir das Bild von unzähligen schwarzen Schafen, die die weißen auf die Bahngleise treiben. Offene Münder, ohne ein „määääääääh“.

Das Erschrecken legt sich manchmal auf (schnell übersehene) Menschen mit den Tischtennisball großen Augenrändern. Jene, welche „ihre“ Pille fanden. Zwischen Eigen- und Fremdgefährdung, mit der Hölle im Blut, beschreiten ihre Seelen und Körper andere Wege. Irgendwann entwickelt sich ihre Matratze zum Wasserbett. Schweißgebadet. Der psychische Schrei nach der Pille wirkt lautlos, aber nicht körperlos.

In der Großstadt kräht kein Hahn mehr. Auf dem Dorf schon. Bis ihm der Hals umgedreht wird.

Die Geier über und neben mir warten. Ihre Hoffnung oder Erwartungen erfülle ich nicht.
Halluzinationen? Oder Geier als subjektiv erschaffenes Wortbild von manch einem Menschen?
Und was bin ich dann, für dich? Sag es mir.
Einfach und direkt. Ohne ein Blümchen in der Hand bitte.

Ich suche immer noch die Pille. Gegen unerwünschte Erinnerungen.

Kann ein Mensch nach seinem Instinkt, oder bezeichnet man es beim Homo sapiens nicht eher als „Intuition“, handeln? Um zu finden, was dieser sucht?
In ist, was stinkt? Ich schnuppere. Abgase und was-weiß-ich-für Stunk.
Die moderne Entleerung von allem möglichen. Wer Stunk sucht, findet diesen irgendwann.
Und entleert irgend etwas aus seinem Ego.

Meine Gedanken verpacke ich in einem Karton. Und verziere diesen mit einer Endlosschleife.
Fehlt nur noch die Glückwunschkarte.
"Herzlichen Glückwunsch, sie feiern ein Jubiläum. Seit 365 Tagen suchen sie nach dieser einen Pille.
Viel Glück auf dem weiteren Weg."
Das Paket schicke ich an meine Adresse.

Bist du verrückt, bin ich es, sind wir es?
Was bedeutet für den Einzelnen das Wort "verrückt"?

Vielleicht sollte ich es mit einer Pistole versuchen.
Nein, ich bin ein zu schlechter Schütze, um das richtige Zentrum im Gehirn zu treffen.

Vielleicht wird es ja in 100 Jahren diese eine Pille geben ...

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (16.01.15)
"Ich suche immer noch die Pille. Gegen unerwünschte Erinnerungen."

Die einzige Pille gegen unerwünschte Erinnerungen besteht darin, sie solange zuzulassen, bis sie ihre Kraft verlieren.

Liebe Grüße
Ekki

 Fuchsiberlin meinte dazu am 17.01.15:
... , und sie gegebenenfalls versuchen zu verarbeiten.

Ich danke Dir.

Liebe Grüße
Jörg

 AZU20 antwortete darauf am 17.01.15:
Ihr habt beide recht. LG
swetlana (51)
(16.01.15)
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 Fuchsiberlin schrieb daraufhin am 17.01.15:
"Bauchgefühl", ja das ist es. Und der Mensch sollte mehr darauf hören.
"Ego" hat oft einen negativ bewerteten Beigeschmack, doch so verhält es sich nicht immer.
Hach, ein sehr schöner Kommentar von Dir, swetlana.

Ich danke Dir.

Liebe Grüße
Jörg
Gringo (60)
(24.01.15)
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 Fuchsiberlin äußerte darauf am 13.03.15:
Ja, unser Denken mit der Kombination zu den Gefühlen, die dadurch ausgelöst werden beeinflusst das Wie der Erinnerung. Dies wollte ich mit dem Text auch so darstellen.

Ich danke Dir, dass Du auch dies dementsprechend hierzu auch beispielhaft und ergänzend in Deinem Kommentar rüberbrachtest.

Der letzte Satz in Deinem Kommentar setzt in dem Sinne einen guten Schlußpunkt.

Liebe Grüße
Jörg

 TrekanBelluvitsh (12.03.15)
Die Pille gegen unerwünschte Erinnerungen? Warum eigentlich? Dein Prot hat einen großen Zivilistionssprung geschafft. Er erkennt Fehler, nicht nur bei den anderen, sondern auch bei sich. Wie gesagt, das nennt sich Zivilisation. Ob es einem beim "Survival of the fittest" hilft, ist eine ganz andere Frage...

 Fuchsiberlin ergänzte dazu am 13.03.15:
Das ist wohl wahr: Der Prot erkennt nicht nur bei anderen, sonderen auch bei sich Fehler. Dies sollte eine Erkenntnis bedeuten, die in dem Sinne auch das zukünftige Denken und Handeln beinflusst. Über eine gute Selbstreflexion kann viel verändert werden.

Ich danke Dir.

Liebe Grüße
Jörg
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