Schillers "Räuber" in der Passauer Redoute am 31.01.

Kritik zum Thema Theater

von  Matthias_B

Schillers "Räuber" in der Redoute? Hingehen und genießen!

Erst nachdem die Karte für stolze 31 Kröten erworben worden war, erschien in der PNP ein Interview mit dem Regisseur, das Anlass zur Sorge ob der Entscheidung, sich diese Inszenierung anzusehen, gab: Wolfgang Maria Bauer meinte z.B., dass es keinen inneren Konflikt Amaliens gäbe; des Weiteren faselte er noch ein paar Seichtigkeiten über ISIS und Leutchen, deren Radikalität darin bestünde, in den Nachbarsgarten Gift zu kippen.
Trotzdem wurde dagegen angekämpft, Vorfreude durch Voreingenommenheit zu ersetzen, denn für die Dramaturgie war ja nicht er, sondern Dana Dessau zustän…was? Die berüchtigte Werkverhunzerin ohne Feingefühl? Oje, zuhause zu bleiben schien die eindeutig bessere Option. Ach was, schließlich entspricht es doch dem Zeitgeist, offen für Neues zu sein und dadurch seinen Horizont zu erweitern.

Allerdings sollte daraus nicht geschlussfolgert werden, jeden Mist - z.B. diese Aufführung durch einen Kunstförder(preis)schüler, der anscheinend nicht einmal ein Drama bis zum Ende zu lesen, geschweige denn zu analysieren vermag - gutzuheißen:

Vorhang auf. Ein Gerüst vor einer Leinwand, auf welcher ein durch Graffiti wirr umrandetes Portrait Karls prangt, und eine Badewanne sind die Requisiten, vor denen ein Ansager zigmal auf das Adjektiv "radikal" verweist und Billigwitze (z.B. dass der Name Schiller die Steigerungsform von "er scholl" und "Räuber" jene von "Raub" sei) zum Besten gibt, während er von den anderen Akteuren angerempelt wird - solche Pseudo-Extravaganz gehört schon seit den Achtzigern zum dramatischen Inventar. Es folgen dann durcheinander gequirlte Dialoge zwischen Franz (David Moorbach – der einzige, der an diesem Abend richtig Beifall verdiente und auch an der Rhythmusgitarre eine gute Figur machte) und Max (Klemens Neuwirth – mit einer mehr als soliden Leistung) sowie Franz und Amalia (Katharina Elisabeth Kram, welche Expressivität mit plakativ lautem "Kaaarl"-Gebrülle gleichsetzte und auch sonst zu übertrieben agierte). Abrupt wird ein echt moderner Einschub probiert (wobei diese Chose wahrscheinlich als besonders gewagt herausstechen sollte), in welchem weitere Spar-Bonmots von einer "Moor GmbH" usf. steigend gebellt werden und der in der zum Begähnen provokanten Ansprache, dass das Publikum für dieses Stück Geld bezahlt habe und vergeblich auf viele Szenen mit Karl und den Räubern warte, gipfelt. Dann wird noch gefordert, dass infolgedessen doch wenigstens gebuht werde, wobei ein Zuschauer dem krampfhaft rebellischen Matthias Lehmann letztendlich den Gefallen erweist. Sein, ähm, nennen wir es der Form halber 'mal künstlerisches Schaffen und Wirken ironisch zu dekonstruieren und somit den Nimbus von Unangreifbarkeit erlangen zu wollen, stellt leider ebenso einen alten Hut dar.
Aber wenigstens durfte ein Viertel der Dialoge auf die durch die triviale Talkrunde in der zweiten Hälfte des Stücks vollends zum kulturellen McDonald's-Foyer degradierte Bühne; andere nehmen lediglich den Titel und extemporieren eine Mediokritätsmelange zusammen, in die befremdete Durchschnittsreporter_innen der großen Zeitungen einen modisch transzendenten Sinn hineinkonstruieren müssen, um sie als progressiv zu loben.
Die erwähnte Talkrunde im zweiten Teil moderiert Barbara Dorsch, indem sie permanent heiße Floskelluft produziert und damit die Anwesenden anbläht; eine Burka-Trägerin darin schweigt, die anderen, die aufzuzeigen versuchen, warum man heutzutage in die Radikalität abdriftet, reproduzieren in ihren improvisierten, äh, Beiträgen bloß gängige zeitgeistige Meinungen ohne Tiefgang.
Dann wird - o Wagnis! - durch Jochen Decker zum zweiten Male daran erinnert, dass für diese Darstellung Geld entrichtet worden sei, weswegen der Schluss der "Räuber" marktschreierisch dahinwabert, in welchem Moorbach durch eine nahezu perfekte Selbstmordszene sein Können beweist (auch geschickt: Als Karl Amalia (wie auch alle anderen) erschießt, lächelt Franzens Leiche).

Aufgrund der planlosen Kürzungen wurden zwar Franzens Beweggründe und Gemütszustände, aber nicht jene Karls dargestellt; diese Inszenierung bestand somit aus einem stark kastrierten Originaltext und einem daran gebundenen Fremdkörper aus verbaler Ziellosigkeit.
Leiden Frau Dessau und Herr Bauer an einer literaturästhetischen Behinderung und dürfen sie etwa qua diesbezüglicher Quotenregelung gutmütigen Zuschauern verkrüppelte Dramen zumuten?

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (01.02.15)
Was ich nicht verstehe: Warum besorgt sich der Protagonist bzw. Kritiker nicht einen Auftrag von einem (kleinen) (Kultur-)Blättchen und bestellt Pressekarten gratis? Der Text ist jedenfalls nicht schlechter als das, was man sonst zu lesen bekommt, allenfalls leichte journalistische Korrekturen wären evtl. notwendig, finde ich.
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