Wenn ich dir einen Brief schreiben könnte.

Brief zum Thema Krankheit/ Heilung

von  SunnySchwanbeck

Lieber K,

Nachts weckst du mich, meist zaghaft, so, als würde es dir sogar wirklich leid tun. Wenn ich dann die nächsten Stunden wach mit dir verbringe, schießen mir so unsagbar viele Gedanken in den Kopf. Ich denke nicht selten daran, dir das heimzuzahlen, was du mit mir anstellst und obwohl ich weiß, dass es der falsche Weg ist, würde ich dich manchmal am liebsten grün und blau schlagen.

Morgens bist du meist ruhig, solange ich nicht an dich denke und versuche dich zu ignorieren. Du lässt mich meinen Kaffee machen, duschen gehen und störst mich nicht einmal beim rauchen, obwohl ich weiß, dass dir gerade das gegen den Strich geht.
In solchen Momenten, wenn ich mir gerade die Wimpern tusche und bemerke, wie spät dran ich bin, rede ich mir ein, dass wir auch als Team funktionieren. Ich denke mir dann, okay, komm, so schlecht ist er gar nicht, ihr arrangiert euch und dann läuft die Schose.
Genau in solchen Momenten versetzt du mir aber dann den nächsten Schlag. Du bedenkst nicht, wie unglaublich peinlich du mir bist, wenn du so zitternd da sitzt und dir das Besteck aus den Händen fällt. Oder wie es mich nervt, dass du immer durch die Stadt humpelst, wenn meine Freunde mit mir einen Trinken wollen. Am meisten hasse ich dich dafür, dass du mir die Sonne verwehrst. Ich hasse es, dass wir nicht eine halbe Stunde lang auf einer Wiese sitzen können, im Sommer. Ich hasse es, dass deine Haut sich binnen Minuten rot färbt und du so verletzt bist, dass du nur noch kriechen kannst.

Den meisten erzähle ich gar nichts von unserem Verhältnis zueinander, ich meine, sie merken es manchmal, wenn du mal wieder abdrehst. Aber sie fragen selten, so etwas spricht man ja nicht an, außerdem bist du ab und zu ja sogar ein guter Schauspieler. Die, die von dir wissen versuchen mir klar zu machen, dass ich dich akzeptieren muss. Sie sagen, dass ich mir nicht aussuchen kann, wie du so bist und dass ich das beste aus unserer Situation machen muss. Aber wenn wir mal ehrlich sind, vergleiche ich dich mit allen die ich sehe. Ich stehe mit dir vor dem Spiegel und betrachte dich, die blauen Flecken die dich zieren, die roten Punkte die sich um deine Arme schlängeln. Ich mochte dich früher schon nicht leiden, aber daran hattest du keine Schuld.
Du bist verwirrt und tust die falschen Dinge, ich hab keine Ahnung wieso, ebenso wenig wissen die Ärzte genau was mit dir los ist und das macht mich traurig. Ich kann nichts tun, verstehst du? Du machst mich hilflos und wütend. Außer dich täglich mit Pillen zu füttern und dich regelmäßig untersuchen zu lassen kann ich nichts tun.

Du bist meine Heimat, mein Zuhause. In dir ruht alles, was ich denke und fühle und viel zu oft bist du der Grund dafür, dass ich mir wünsche, mein Hirn würde in einem anderen Kopf stecken. Ich kann uns nicht helfen, ich kann uns nicht aufschneiden und das heraus operieren, was dich krank macht. Du zerstörst uns beide einfach so, von innen, weil du falsch programmiert bist und nicht merkst, dass du gegen dich selber kämpfst. Ich wünschte mir so sehr, dass es jemanden gäbe, der dir klar macht, dass ich leben will. Dass ich mit dir zusammen noch so vieles sehen und fühlen möchte, dass ich einmal eine Mutter sein will, von einem Kind das gesund ist und in uns beide wachsen kann. Ich wünschte mir, ich könne irgendwann einmal sagen, dass du wieder gesund bist und wir das gemeinsam bewältigen konnten.

Ich werde dich nicht verlassen, egal wie oft sich dieser Gedanke hinter meine Augenlider klemmt. Ich werde nicht aufhören, gegen dich und für uns zu kämpfen, egal wie oft du mich dabei sabotierst. Es gibt keine Grenze zwischen dir und mir, wir sind die Tochter, Schwester und Freundin von wundervollen Menschen und ich würde es dir nie verzeihen, wenn du mich diesen Menschen nimmst. Ich muss lernen dich zu lieben, mich zu lieben, aus dir und mir eine Einheit zu machen, die funktioniert und ein Leben führt, dass lebenswert ist, denn diese Welt ist verdammt schön und ich werde sie nicht kampflos aufgeben.

Mit erhobener Faust,
deine Sunny.


Anmerkung von SunnySchwanbeck:

http://de.wikipedia.org/wiki/Lupus_erythematodes

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Kommentare zu diesem Text

starfish8305 (55)
(04.05.15)
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 Vessel (13.07.15)
die sonne malt schmetterlinge in eure gesichter, immerhin, man hat den symptomen einen friedlichen namen gegeben.
ich finde deinen brief sehr kraftvoll und es ist eine schöne kampfansage, die fast gänzlich ohne trotz auskommt. und ein schön geschriebener text ist es zudem.
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