Vorherbestimmtes

Erörterung zum Thema Freiheit/ Unfreiheit

von  loslosch

Nemo nisi suo die moritur (Seneca, um die Zeitenwende bis 65 n. Chr.; Epistulae morales). Niemand stirbt, außer an seinem [vorherbestimmten] Tag. Oder: Niemand stirbt vor seiner Zeit.

Von der Weisheit eines Kalenderspruches. Im Rückblick auf den Todesfall ein Trostspruch, ex ante jedoch von gefährlicherem Kaliber. Eine große Gefahr für die innere Freiheit eines jeden, der sich an diese Vorstellung klammert. Aus der Religionskritik als sogenannter Prädeterminismus bekannt: Alles ist vorherbestimmt, spult sich ab nach Gottes verborgenem Plan. Fatalismus im weitesten Sinn wäre die seltsame Blüte einer solchen geistigen Orientierung.

Eine weiche, konditionierte Form von Prädeterminismus äußert sich im  Glauben an Glücks- oder Unglücksbringer. Auf der einen Seite das Hufeisen, der Glücksklee, das Glücksschwein, der Schornsteinfeger, die vielen Scherben etc. Auf der anderen die Unglücksboten wie der Rabe (als Galgenvogel bezeichnet), Freitag der dreizehnte, Flüche, die den Teufel beschwören, unter der Leiter hergehen usw. Eine Mittelstellung nimmt die schwarze Katze ein. Quert sie die Straße von links nach rechts, bringt sie Unglück, im umgekehrten Fall aber Glück.

In einem unterscheiden sich die Glücks- von den Unglücksbringern psychologisch oder auch philosophisch: Vermeintliche Glücksbringer blockieren in der Regel weniger die Entscheidungsfreiheit als umgekehrt die sog. Unglücksbringer, erstere können sich in exzessiver Form jedoch auch steigern bis hin zu zeitraubenden Prozeduren, als Zeitdiebe bekannt.

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Kommentare zu diesem Text


 LotharAtzert (31.03.15)
Worin soll denn da ein Prädeterminismus bestehen?
Niemand stirbt vor seiner Zeit. - Im Moment des Todes ist dieser Zeitpunkt, vorher war kein Tod, nachher ist auch nicht möglich - alles andere ist dem Philosophen untergeschoben.
Natürlich verstehe ich, was Du meinst, aber das wurde nicht gesagt. Von wegen Vorstellung - es ist, wie es ist und zwar immer hier und jetzt. Das ist unvorstellbar.
Niemand wird vor seiner Zeit geboren, wäre übrigens das selbe.

 loslosch meinte dazu am 31.03.15:
niemand wird vor seiner zeit geboren ...

damit entlarvst du ja den schwachsinn des "philosophen" seneca. für mich ist er ein beachtlicher sprachgewaltiger literat! ich bot 2 auslegungen an: trostspruch und prädeterminismus.

 LotharAtzert antwortete darauf am 31.03.15:
Du schreibst von einem "gefährlichen Kaliber". Deshalb will ich nochmal nachbemerken.
Mir gefällt das Wort "vorherbestimmt" nicht, da es irreführend verstehbar ist. Begründung:
Die Zeit fängt erst mit der Bestimmung an. Davor kann von "vorher-" keine Rede sein. Vor der Bestimmung ist das, was wir in Ermangelung eines besseren Begriffes "das Unbestimmte" nennen mögen, das sich jeder Spekulation entzieht.
Zwischen dem Unbestimmten und der Bestimmung geschieht jedoch Wesentliches,- das, was die Griechen Uranos nannten und die Römer Uranus, was im Deutschen in etwa dem Begriff "Ur-Sprung" entspricht. Der Ursprung (der Zeit) teilt in Ewig und Endlich. Das Endlich endet zu seiner Zeit, das Ewige ist nur ein Hilfswort für das Verständnis der in die Zeit Geworfenen. Ist sie um, ist die Trennung aufgehoben.

Ich finde, dieses Prinzip Genannte ... jetzt hätt ich fast 3er BMW gesagt, diese Trinität in sich stimmiger, als Prädeterminismus oder Gegenteil. Es läßt jedem das seine. Und es läßt auch Seneca - er hat ja noch anderes gesagt - in Würden.
Sorry für den langen Text.

 loslosch schrieb daraufhin am 31.03.15:
mit "suo die" bezeichneten die alten den schicksalstag! siehe auch kohelet im AT schon:

alles hat seine zeit ...

 TrekanBelluvitsh (31.03.15)
Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich das Wetter, oder es bleibt wie es ist.

 loslosch äußerte darauf am 31.03.15:
in der auslegung als trostspruch. (man mag senecas spruch an der realität von 149 (nicht: 150) opfern spiegeln.

ähnlich : quem di diligunt, adulescens moritur. vom genialischen plautus allerdings - weit vor seneca - ironisch benutzt. wen die götter lieben, den lassen sie jung sterben.

wiki zitierend: In einer Komödie des Plautus wird der Satz höchst sarkastisch verwendet:
„Chrysalus [zu dem begriffsstutzigen Nicobulus]: „Wen die Götter lieben,/ der stirbt jung, solang er noch wohlauf ist, denkt und bei Verstand ist. / Wenn den da irgendein Gott lieben würde: seit mehr als zehn Jahren, / mehr als zwanzig schon müsste der tot sein. / Als Hass der Erde spaziert er jetzt herum, weiß nichts, / denkt nichts, ist soviel wert wie ein modriger Pilz.“

ich bin vom stuhl gefallen!
Graeculus (69)
(31.03.15)
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 loslosch ergänzte dazu am 31.03.15:
niels bohr, der berühmte physiker, soll mal gefragt worden sein: warum hast du ein hufeisen über der tür? bist du abergläubisch? niels: nein! ich habe aber gehört, dass das hufeisen glück bringt, selbst wenn man nicht daran glaubt.

den spruch habe ich bei kv vertextet ...
Graeculus (69) meinte dazu am 31.03.15:
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 EkkehartMittelberg (31.03.15)
Mein lieber Seneca, da müssen der Schöpfer und der von ihm dirigierte Tod aber viele Pläne im Kopf haben.

 loslosch meinte dazu am 31.03.15:
mein lieber scholli!
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