Absturz.

Erzählung zum Thema Psychologische Phänomene

von  franky

Von Großvaters Sägewerk aus führte ein schmaler Steg über den Laufnitzbach.
Er bestand aus zwei nebeneinander auf Stützen liegenden Brettern. Jeder Schritt verursachte unangenehme Schwingungen. Ich klammerte mich bei jedem Benützen so gut es ging an das ebenso wackelige Geländer an der einen Seite, die andere Seite war frei. Ich konnte mich eines ekelhaften Kribbelns nie erwehren. 
An einem Sonntag besuchten Mein Vater, Onkel Leo und ich Großmutter im Laufnitzgraben. Der Heimweg führte über den schmalen Steg. Ich bildete das Schlusslicht der kleinen Gruppe. Verträumt wie ich war, betrachtete ich das munter fließende Wasser unter mir. Plötzlich hatte ich das Gefühl: „Das Wasser steht und die Brücke fließt!“
Panik durchfuhr meinen kindlichen Körper. Statt mich an das Geländer zu halten, ließ ich los und tappte mit einem Fuß neben die Bretter. Ich stürzte seitlich auf den Steg und rutschte über den Rand. Konnte mich mit beiden Händen Festhalten. Eine Zeit lang schwebte ich zwischen wildem Weidegestrüpp und Brücke über dem Bach. Vor Schreck brachte ich keinen Ton heraus. Das Wasser und Weidegestrüpp schien mich wie ein Magnet nach unten zu ziehen. Vater und Onkel waren schon um die Ecke, hätten mich auch nicht so leicht gehört. Meine Arme und Hände fingen bald zu schmerzen an. Ein Krampf in den Armen und Fingern wollten mein Gewicht nicht mehr halten, ich stürzte unweigerlich in die Tiefe, in dieses unheimliche Weidengestrüpp. Am Boden empfing mich ein dichter Wall von Brenn-Nesseln, die meiner  nackten haut empfindlich zusetzten.
Eine Überlegung schoss mir in den Kopf! „Da findet mich niemand! Da muss ich stundenlang auf Hilfe warten.“ Einen Moment war ich mucks Mäuschen still, dann aber fing ich wie eine Sirene zu schreien an! 
Nach kürzester Zeit standen Onkel und Vater oben am Steg und suchten, von wo dieser hallsbrecherische Schrei herkommen könnte? Nach längerem Suchen entdeckten sie die Absturzstelle. Knapp neben einem hochragenden abgebrochenen Weidenspieß lag ich da im Brenn-Nesselhaufen. Vater meinte: „Wenn du einige cm nach links gestolpert wärst, hätte dich der spitze Pfeil durchbohrt und dann hätte es böse ausgehen können!“
Von der Straße her stieg Vater den von Urwald ähnlichen Gestrüpp bewachsenen Hang bis zu mir hinab. Mir fiel ein Stein vom Herzen, als Vater mich aus dieser Hölle von Brenn-Nessel, Dornen  und Unkraut befreite. 
Außer kleineren Abschürfungen und Brenn-Nesselwunden hatte ich den etwa Fünf Meter tiefen Absturz glimpflig überstanden. 

© by F. J. Puschnik

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Kommentare zu diesem Text


 unangepasste (03.05.15)
Ich mag deine Kindheitsanekdoten. Hier fiebert man beim Lesen regelrecht mit.

 princess (03.05.15)
Spannend erzählt, lieber Franky. Nur das Wissen darum, dass du diese Szene ja rückblickend schilderst, ließ mich ahnen, dass sie ein gutes Ende nehmen würde. Puh!

Liebe Grüße
Ira

 AZU20 (05.05.15)
Gern gelesen. LG
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