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Text zum Thema Tod

von  Sekundärstille

zuletzt
saß sie auf dem Sessel
mit vielen Kissen drauf
und blickte
hinaus zu den Rosen, in die Sonne

und obwohl ihr Körper
müde von der Krankheit
zerbrechlich und fragil
in den weiten Wollpullovern unterging
war sie eine Dame

mit wachem Blick
und manchmal einem Lächeln
erinnerte sie sich an früher

an ein Leben zwischen London und Mailand
voller Eleganz und Stil

wie sie als junge Frau
mit ihrem Mann nach England kam
aus der deutschen Provinz
und auf eine Welt traf
aus feinen Kleidern und Nachmittagstee im Ritz

irgendwann kamen sie zurück
sie brachte die Welt mit
in ihre eigene Boutique
und sie kauften das elegante Haus
mit den Teppichen wie in Versailles

zuletzt
sagte ihr Mann:
Du wirst wieder gesund, mein Mädchen
wir kochten ihr Milchreis
und ich färbte ihr die Haare im Bad

er hoffte
denn ihre Liebe war immer noch genau so groß
wie vor 50 Jahren
doch da sagte sie schon, dass sie nicht mehr will

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Kommentare zu diesem Text

Graeculus (69)
(16.05.15)
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 Sekundärstille meinte dazu am 17.05.15:
Danke für Deine Empfehlung!
Vom Er zu Wir / Ich, der Wechsel ist mir beim Schreiben gar nicht so bewusst gewesen. Freut mich, dass Dir das gefällt.
Liebe Grüsse, Jan

 Jorge (25.09.15)
Es wird sicher fiktiv sein - klingt aber dennoch authentisch.
Ein Text der berührt.

LG
Jorge

 Sekundärstille antwortete darauf am 25.09.15:
Hi Jorge,
danke für Dein Kommentar!!
Dieser Text ist ausnahmsweise mal nicht fiktiv.
Nach dem Tod der Frau habe ich das geschrieben. Sie wurde 91 Jahre alt und hatte wirklich ein Leben, dem es an nichts fehlte. Trotzdem musste ich das irgendwie verarbeiten, so ist der Text entstanden.
Diese Zeit, in der sie von ihrem Mann, der selbst 82 ist, gepflegt wurde und ich den beiden öfters geholfen habe, sowie das Leben dieser Menschen würde schon fast Stoff für ein Buch geben.
Naja, liebe Grüsse erstmal, Jan
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