Ein Märchen

Märchen zum Thema Wege

von  mondenkind

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Da waren einmal diese drei, die auf ihren Weg warteten.
Die jeden Tag mit dem Gedanken aufstanden, ob  es endlich soweit sei, dass sie aufbrechen konnten.
Sie warteten lange, lange Zeit. Der Weise sagte ihnen jedesmal, wenn die Ungeduld sie zu übermannen drohte, dass sie im Warten bereits einen Schritt auf ihrem Weg begingen. Doch seine Worte zügelten sie nur wenig und ihre sehnsüchtigen Augen hingen an den Sternen, die so zielstrebig über den Zenit streiften.
An einem Morgen kam ein Reisender zu ihnen und erzählte sehr viel über die Ferne. Die drei fraßen ihm jedes Wort von den Lippen und forderten gierig eine Geschichte nach der anderen. Und als es bereits dunkelte, da richtete der Reisende seinen Blick auf das knisternde Feuer und begann leise von einem Ort zu erzählen, an dem es etwas ganz besonderes gab. Seine Augen funkelten als er von einem geheimnisvollen See zu sprechen begann, in dessen Fluten man seine Träume sehen könnte.
Da wußten die drei, dass ihre Zeit zum Aufbruch endlich gekommen war. Dies sollte ihr Ziel sein! Der See der Träume. Und bereits am nächsten Tag in der Frühe brachen sie auf.
Ihr Weg führte sie durch die absonderlichsten Gegenden der Welt: Sie wanderten durch die flüsternden Moore, in denen immer Nacht herrschte, unmondig und neblig. Weiter in das Tal der Riesenweiden, deren Wipfel gemütlich in den Wolken wogten. Es war ein langer und beschwerlicher Weg. Doch sie waren so glücklich, dass sie endlich, endlich vorwärts gingen. Und so schwammen sie tapfer durch die Stromschnellen des Schicksalsflusses, schliefen in den Purpurgräsern und bestaunten das tanzende Mädchen im ehernen Turm. Im Borkenwald verloren sie fast ihr Leben, als häßlich kichernde Wurzelmumpfe Jagd auf ihre Nasen machten, doch sie konnten gerade noch rechtzeitig in die grünen Berge fliehen. Sie kämpften sich bis zum Gipfel empor und als sie sahen, was sich dahinter erstreckte, raubte es ihnen den Atem.
In allen Farben des Regenbogens schillerte das Wasser. Wogte und  flüsterte leise schwappend ans Ufer: der See der Träume.
In wildem Freundentaumel stürzten die drei hinunter, tanzten begeistert im Triumph über das Erreichen ihres Zieles einen Ringelreihen und wandten sich dann den Wellen zu.
Der erste zückte sogleich einen großen Eimer, den er mitgenommen hatte. Er war überzeugt, dass er die schönsten Träume erwischen würde, da er schließlich das größte Gefäß dabei hatte. Doch als er den ersten Eimer geschöpft hatte und ins Wasser sah, erstarrte er. Auf der iriden Oberfläche sah er nichts weiter als sich selbst, wie er Eimer um Eimer Wasser aus diesem See schöpfte. Da wurde er wütend und schöpfte einen weiteren Eimer. Doch wieder zeigte sich ihm dasselbe Bild und so schöpfte er weiter und weiter. Vor Wut brüllend.
Der zweite besah sich dieses wilde Schauspiel und schüttelte nur mitleidig den Kopf. Er war viel schlauer gewesen und deshalb zog er ein Sieb aus seinem Rucksack. Damit würde er die schönsten Träume aus dem See fischen können. Doch als er das Sieb aus dem Wasser hob, erhaschte er nur einen winzigen Blick auf einen wunderschönen Traum bevor dieser durch die Löcher zurück in die Fluten rann. Aufheulend packte er das Sieb und tauchte es erneut ein. Doch als er hineinsah, huschte der Traum ein weiteres Mal durch die Löcher davon. So ging es fort. Der erste brüllte vor Zorn und schöpfte im blinden Trotz Eimer um Eimer, der zweite wurde vom Wahnsinn gepackt und lachte schrill, jedesmal, wenn er eine Ahnung von einem Traum in seinem Sieb erblickte.
Der dritte jedoch kniete sich still ans Ufer. Lange ließ er seinen Blick schweifen, dann tauchte er seine Hände in den See, wusch sich mit dem Wasser den Staub vom Gesicht und lächelte.
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Kommentare zu diesem Text


 Sternenpferd (24.08.15)
sehr bildreich und märchenhaft geschrieben

besonders den schluß mag ich sehr.
danke dafür

lg m.
ps: ich würde das gerne , wenn du erlaubst, auf der krebstation
für kinder vorlesen. (natürlich mit der copy-angabe)
(Kommentar korrigiert am 24.08.2015)

 mondenkind meinte dazu am 24.08.15:
danke dir. und natürlich darfst du. und statt copyright mit einem lieben gruss von mir.. :)

 Sternenpferd antwortete darauf am 24.08.15:
:) dankelieb das mach ich
managarm (57)
(21.09.18)
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