die alten von castrop

Skizze zum Thema Eigene Welt

von  Owald

sie wuchten sich mit stützbestrumpften mühen
aus bussen, die hier jeden morgen halten,
und schieben sich gen norden über kalten
asphalt. es dämmert. ihre wangen glühen

schon längst nicht mehr. sie blicken in die ferne,
die hier nicht existiert. am bordstein bleiben
sie stehn und überlegen kurz. dann lassen sie sich treiben.
die einkaufsstraße haben sie ganz gerne

gehabt als alles nicht so war wie heute.
als man sich noch auf nachmittage freute,
man noch nicht jeden zweiten schritt bereute,
man tat was. man war wer. man kannte leute.

ein stiller gruß ins leere hin und wieder
ist alles, was sie mit der welt verbindet.
der blick nach vorn erblindet und verschwindet.
von einem spielplatz wehen kinderlieder

herüber in die staubverstopften ohren.
bezopfte mädchen spieln mit rollatoren.
der regen schmeckt nach milch, die luft nach brause.
die erde bebt.
dann kommt der bus nach hause.

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Kommentare zu diesem Text


 niemand (03.10.15)
Ist gut geschrieben und es steckt ein [großes?] Korn Wahrheit drin,
obwohl es mir ein wenig zu verallgemeinernd klingt, aber das liegt sicher an der Beobachtung und wenn diese gestimmt hat, dann ist es gut. Dem der hier jedoch sein "erotisch" abgelegt hat kann man nur sagen: Depperter geht es wohl nicht mehr!
Mit lieben Grüßen, niemand

 Owald meinte dazu am 04.10.15:
Naja, meine Beobachtung war ja nur der Anstoß; das meiste geht eher in meinem Kopf ab. Tatsächlich steckt noch viel Leben in diesen Leuten; ich weiß nicht, ob ich mit Mitte Achtzig noch jeden Tag rausgehe ...
Beste Grüße zurück!
Sätzer (77)
(03.10.15)
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 Owald antwortete darauf am 04.10.15:
Danke und Grüße zurück!
ues (34)
(03.10.15)
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 Owald schrieb daraufhin am 04.10.15:
Castrop-Rauxel, ja, wobei ich mich hier tatsächlich auf den Stadtteil Castrop beziehe (der außerdem im Titel allein besser klingt). Ich arbeite da und fahr morgens mit dem Bus hin.

Danke und beste Grüße zurück!

 Untergänger (04.10.15)
Ich würde zwar intuitiv von
"StützbestrÜmpft" sprechen... aber nur so am Rande.

Mag das hier.

mömmel,
Alfons

 Owald äußerte darauf am 11.10.15:
Nach reiflicher Überlegung und Recherche: Bestrumpft. Da bin ich mir beängstigend sicher. Ich danke herzlich fürs Kommentieren und Mögen und mömmle angeregt zurück,
O.

 Untergänger ergänzte dazu am 11.10.15:
okay.

mömmel,
Alfons
Lewin (75)
(03.11.15)
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 Owald meinte dazu am 03.12.15:
Danke & Grüße zurück!

 GastIltis meinte dazu am 24.11.21 um 22:16:
Lohnt sich auch, deinen Text ein drittes Mal zu lesen. Nicht nur, um zu sehen, wie die Zeit vergeht. Herzlich grüßt dich Gil.

 Vessel (01.12.15)
da hat ein witzbold auf erotisch getippt. aber nein, erotisch ist es nicht. bloß wunderschön in seiner heiteren lakonie.

 Owald meinte dazu am 03.12.15:
Tja, so hat jeder seinen eigenen Begriff von Erotik ...
Ansonsten: Danke!
und beste Grüße

 Isensee (21.01.18)
Owald zu lesen und man kommt gut durch die Nacht.

 Habakuk (21.01.18)
Was mir an dem Gedicht gefällt: Der typisch expressionistische lyrische Stil, will sagen, das lyrische Ich im Motiv Großstadt, von menschlicher Kälte, Großstadt-Anonymität und Einsamkeit umfangen.
Weniger gefällt mir, dass du das Reimschema zu oft wechselst, von umarmenden Reimen zum Haufenreim in Strophe drei und dann wieder zum Paarreim in der letzten Strophe.

„die hier nicht existiert. am bordstein bleiben
sie stehn und überlegen kurz. dann lassen sie sich treiben.“

Bei diesen beiden Versen läuft das Metrum aus dem Ruder, kann aber auch Absicht sein. Zumindest ist es ungewöhnlich.
Nichtsdestotrotz gern gelesen.

BG
H.
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