Sein letzter Kampf III

Groteske zum Thema Historisches

von  pentz

Der schießwütige Onkel
Ich war so aufgeregt, dass ich mich in diesem Haus nicht mehr zurechtfand. Wo war hier der zweite Stock? Und wo befand ich mich überhaupt: im Keller oder im Dachgeschoss oder mittendrin? Ich schaute nach links in den endlosen Flur, ich schaute nach rechts, das selbe trostlose Bild, eigentlich die ideale Ebene um Rollschuh zu fahren oder in- oder outline zu skaten.
Ich fühlte mich so hundsallein, dass ich, als mir tatsächlich jemand entgegenkam, schon anfing zu halluzinieren und dachte, jetzt begegnest du Franz Kafka persönlich, wenn auch schon fortgeschrittenen Alters. Der Herr war aber sehr kurzangebunden, als ich ihm gegenüberstand. Als ob etwas nicht mit mir in Ordnung wäre. Immerhin gab er mir Auskunft, weil er wusste, wo in diesem Schloss der zweite Stock war. Ich erlaubte mir, ihn dafür zu danken und zu grüßen und machte mich schnell auf den Weg, weil ich den Eindruck nicht loswurde, dass er irgendetwas gegen mich zu haben schien.
Als ich mich bis zu seinem Zimmer durchgearbeitet und -irrt hattbe, muss man schon so sagen, wartete hinter der Tür zum Zimmer meines ehrenwerten Onkels und meiner lieben Tante eine böse Überraschung auf mich.
„Endlich kann ich’s Dir heimzahlen!“, prustete er aus. Wer wohl stand da schwerbewaffnet?
„Wem? Mir!“
„Na klar, wem denn sonst? Du Rattenfänger!“
„Was!?“
Franz Kafka, der Mann von vorhin, der mir den Weg hierhergewiesen hatte, stand vor mir und Er hielt in der Hand keinen schmucken Spazierstock wie mein Onkel, sondern ein richtiges Sturmgewehr. Ich traute meinen Augen kaum, aber es war so.
Natürlich, es hätte mich kaum überrascht, wäre es mein Onkel gewesen, dem gerade sein wehr.
Sein familiärer Sinn flüsterte ihm wohl ins Ohr flüsterte: siehtse Mal, ich hab’s ja immer gewusst, dass es mir Dir, Neffe, einmal ein sehr, sehr böses Ende und für mich furchtbares Erwachen geben wird. Er war schon immer der „Mann fürs Grobe“ gewesen. Und man konnte ihm alles zutrauen.
Dieser da schien aus gleichem Holz zu sein, denn er Er verstärkte nun den Griff seiner Hände um das Gewehr und stieß es einen Ruck vor, ein Geste, die unmissverständlich war.
Ich rückte zurück und hob die Hände. Das macht doch in so einem Fall, oder? 
Es verwunderte wiederum nicht mich, schon immer war er der „Mann fürs Grobe“ gewesen. Und man konnte ihm alles zutrauen.
Wo war der Onkel übrigens? vielleicht legte er gutes Wort mich ein. Äh, das sollte ein Witz sein.
Dann überlegte ich mir, wie Außer meiner Erfahrung sagte leider auch mein Gefühl, dass er noch immer zu allem entschlossen war.
Abgesehen davon, dass es ein Rätsel war, wie ekommt dieser Mann, ich nenne ihn einfach einmal Franz Kafka, schließlich fand er es nicht nötig, sich mir vorzustellen, r zu diesem Maschinengewehr, r gekommen war in so einem ehrenwerten Seniorenheim, hatte sich dieser Mann binnen weniger Minuten grundlegend geändert? . Einen Moment dachte ich an die Nonnen, verwarf aber diesen Gedanken wieder.
Warum überhaupt wurde ich gar mit einem Gewehr bedroht. Was hatte ich Franz Kafka getan? Er kannte mich nicht, ich ihn nicht. Also warum?
„Was habe ich Ihnen getan?“, stammelte ich.
Denn ich missinterpretierte seine Geste und Absicht auf fatale, verhängnisvolle Weise derartig falsch, dass ich nunmehr in einer Weise in Todesgefahr schwebte, wovon ich mir nichts hatte träumen lassen: in seinen Augen war ich nicht der verlorene Neffe, sondern Hitler selbst.
„Du österreichische Filslaus auf dem räudigen Fell der deutschen Kulturnation.“
Ich nickte unwillkürlich dazu. Ich verstand. Ein Nazi wie er im Buch stand!
Ich musste ihm aber schleunigst einen anderen Namen als Franz Kafka geben. Das wäre ehrrührig gewesen, wenn ich dies nicht getan hätte. Hmm.
Ein österreichischer Name wäre nicht schlecht. Denn, aha,
Aha, vvon daher wehte doch der Wind. Die Unschuldsnation wurde von der anderen verführt. (Wie die Kurden, die von den Türken verführt worden sind, um am Massaker der Armenier mitzuhelfen und welche Nationen nicht alle?)
Aber zurück zu unserer. Ich wollte ihm schon sagen, dass das heutige Deutschland und Österreich doch nur von Napoleon auseinanderdividiert worden ist, sonst doch kaum ein Unterschied bestand. Dabei war Napoleon derjenige, die diese auseinanderdividiert hatte, Unwissender!
Er nickte weise und vielsagend dazu. Natürlich nicht dazu, was mir gerade durch den Kopf ging, was mir klar war.Ich war ja auf seiner Seite, Widerstandskämpfer, wäre schon richtig, diese  Filslaus zu fizilieren!
Äh, aber ich doch nicht, ich wollte nicht erschossen werden, zumal nicht für jemanden, den ich nicht kannte, den ich nicht gewählt hatte und überhaupt!
Vorhin noch wie in Trance gehorsam die Befehle seines Führers entgegengenommen, leistete er jetzt Widerstand, weil er nämlich nunmehr in dieser Hinsicht wieder völlig bei glasklarem Verstand war: Hitler –nie mehr wieder!
Ich versuchte es trotzdem noch einmal im Befehlston, dass er sich aber schleunigst schleichen solle, sonst rapp-zapp und machte dazu die Geste Handkante-gegen-Kehle„Ich bin aber nicht derjenige, für den sie mich halten.“
Er lächelte verbissen und nickte genauso voll der totalen Aufmerksamkeit dazu. Er ließ mich keine Sekunde aus den Augen. Er hielt mich wohl für ziemlich gefährlich.
„Ich bin für Sie also Adolf Hitler?“
Er nickte weise und vielsagend dazu.
„Wer sonst? Du verführst mich nicht!“
Bravo, Wacker, weiter so.
Aber nein!
Und schon verzerrte sich sein Gesicht in einer ultrabrutalen Weise. Ich schaute auf seine Hände, auf eine bestimmte Hand. Er krümmte nur den Finger und es machte klick.
Die Rettung –das alte Gewehr funktionierte nicht. Hat wahrscheinlich zu lange im Schrank oder auf dem Dachboden irgendwo herumgelegen und sich Staub eingefangen.
Schnell holte fischte ich den einen PapierfetzenFetzen Stoff aus meiner Hosentasche, hielt es mir vor die Nase und deutete auf meine aufgeschürfte Oberlippe. „MannOnkel, ich bin ein anderer!“’s doch“,,  während er ungerührt an seinem Gewehr herumfuhrwerkte.
Ich sah nur eine Chance: Flucht. Aber hinter mir hatte sich die Tür zugetan, mein Exekuteur, Füsilant und Sichelmann war mir zu dicht auf die Pelle gerückt und nur offen stand die zum Klo-Waschraum. Kopflos sprang ich dahinein und schloss hinter mir die Tür. Ein dicker Riegel ermöglichte das Schließen der Tür.
Dann kramte ich mein Handy aus meiner Westentausche dem Overall und funkte meine Freundin an.
„Hallo!“, ohne H, das klang wohl besser, schick, entweder weil es französisch wirkte oder weil’s ukrainisch war, was weiß ich. Welche Ausdrücke zu welcher Sprache gehören, weiß nur noch ein Sprachwissenschaftler. Hört man sich die Engländer an, dann fluchen die auf Deutsch, nämlich „Sch...“, hört man sich Deutsche an, dann die auf Englisch „Shi...“
Ich konnte mich kaum verständigen, weil ich meine eigene Stimme kaum hörte, wen wundert’s, noch weniger hören, weil es ständig an der Tür pochte.
In meiner Verzweiflung, Not schrie ich einfach: „Zimmernummer 22, 1. Stock. Komm schnell! Gefahr droht. Mein Onkel.“
„Panimai!“, was heißt, ich verstehe. Erstaunlich, wie geistesgegenwärtig so eine Person aus dem Osten, noch dazu weiblichen Geschlechts in akuter Gefahr das Rrichtige zu tun weiß. War sie darin geübt? Passierten in ihrem Heimatland Ukraine solche Sachen auf dem laufendem Band? Gut möglich.
Inzwischen polterte der rüstige, ich nenne ihn nicht mehr Franz Kafka, sondern Friedrich Hegel, mein rüstiger Onkel mit fester Faust richtiggehend an die Tür und befahl: „Rauskommen!“
„Äh, ich bin doch Dein nicht Adolf Hitler!“Neffe, Onkel, der Werner!“
„Ha, ha!“, brüllte er von jenseits der Tür. „Du denkst wohl, dass ich plemplem, bist so wenig mein Neffe wie ich dein alter Onkel bin, der plemplem, senil oder dement binist, da irrst Du Dich aber gewaltig. Ich weiß zu genau, wer Du bist!“
„Klar“, resigniert. Was tun jetzt? Ich saß hier wie in der Mausefalle. Nur ein Weg hatte dieser Ausgang: das Mündungsrohr eines wahnsinnigen ehemaligen SS-ler, wenn nicht Schlimmeres, der wieder zur Vernunft gekommen war und jetzt gegen seinen Führer zu Felde zog.
Dann schrie er wieder erzürnt: „Da musst du aber ein bisschen früher aufstehen, um mich für blöd zu verkaufen.“
„Aber schießen wirst Du doch nichtAber ich bin doch der Neffe von meinem Onkel, der da wohnt!, Onkel.“
„Das erzähl Deiner Oma ist die Frage!“ und er schlug mit dem Kolben des Gewehres gegen die Tür. Schön, wenn die jetzt losginge und den Wilden da träfe, nur gefechtsuntauglich traf, zumindest.
Was ich nochDas einzige was ich machen konnte, ihn so lang in ein Gespräch verstricken, bis Hilfe kam. Hoffentlich war meine Ukrainerin nicht so todesmutig, alleine zu kommen.
Ich hörte zu meiner Freude die Türe draußen aufgehen.
Nun öffnete ich auch die Tür, egal jetzt, was geschehen mochte, aber meine neue Freundin durfte er nicht so einfach abknallen, wäre zu schade drum.
Friedrich Hegel vor mir war abgelenkt von ihr, ich riss ihm schnell die Waffe aus der Hand, warf sie in den Waschraum, schloss hinter mir die Tür und stelle mich mit dem Rücken davor.
Aber da sah ich meinen Onkel, der auch ein STurmgewehr in der Hand hielt. Mit diesem Er fuchtelte er knapp vor der Nase meiner Freundin herum.
tatsächlich auch schon nicht weit weg vor ihrer Nase mit seinem Sturmgewehr herum.
Aber glaubt manGlaubt man, sie zitterte, sie winselte schon um Gnade, dann irrt man, nicht einmal aufs Maul gefallen war sie. Todesmutig dem Auge in die Pupille glotzend, trotzte sie der Gefahr. Sogar sprechen tat sie konnte sie. Und das in einem derartig einwandfreien Deutsch, abgesehen vom Akzent, das ich noch niemals nicht aus ihrem Munde vernehmen durfte.
“Du weißt doch... Andreas, nicht?“
Was war in der die gefahren? Woher kannte sie den Vornamen meines Onkels? - Aber natürlich, an das an der Zimmertür, da stand sein Name, Vor- und Zuname. Aber warum der vertrauliche Rufname?
„Junge Dame, woher wissen Sie eigentlich, dass ich Andreas heiße?“
Bei dem Stichwort Andreas, erhob sich plötzlich aus dem Bett in der Ecke eine Zombiegestalt. „Was ist los?“ Meine Tante! Aber die konnte uns jetzt auch nicht helfen.
Meine Freundin hatte Zeit gewonnen, denn mein Onkel war seinem Augenblinzeln und Zähneknirschen nach zu urteilen, zunächst mal verwirrt. Wäre ich auch gewesen, wenn mich so ein knackiges junges Ding mit meinem Vornamen angeflötet hätte, oder? Oder lag es daran, dass auch er noch nicht das Gewehr entsichert hatte, was er jetzt erst bemerkte und begann daran verzweifelt herumzuschrauben.  Zum Glück waren die alten Kämpfer aus der Übung!
Mir kam es so vor, als warteten wir gespannt auf die Explosion einer Granate oder so. das war gar nicht so abwegig, so unberechenbar, wie dieser alten HerrenAlte geworden waren. Vielleicht hatte er mein Onkel auch Spezielles parat für seine ukrainisch-russischen Feinde,, denn darin dürfte er keinen Unterschied gesehen haben, trotz dem die ersteren nicht müde wurden, heutzutage das gerade Gegenteil zu behaupten und immer wieder zu behaupten.
Ich überlegte, woWo nur hatte mein Onkel und dieser Friedrich Hegel diese Waffen deponiert, wie geriet die den ein solches in seine deren Hände überhaupt? –das Ergebnis der Sammelwut alter Kameraden hier im Heim? Denn Unterstützung brauchten sie  er für solch ein logistisch schwieriges Unterfangen schon, Waffen zu organisieren, man stelle sich das nur vor, und dann ins Altenheim zu schmuggeln und einen heimlichen Platz dafür zu finden?
Aber darum Gedanken sich zu machen,Sich darum Gedanken zu machen, hatte Zeit, die ich mir für später aufsparen konnte, jetzt ging es zuvörderst darum, ihn sie, vor allem meinen Onkel nunmehr hier und jetzt zu entwaffnen und unschädlich zu machen.
Meine Freundein, unschlagbar, welch ein Kleinod von neuer Freundin war mir hier in die Hände gefallevon Frau war nmir da in die Hände gefallen, wusste einfach haargenau, was zu tun war, erweckte zumindest den Eindruck. Jedenfalls
setzte sie jetzt in diesem Moment ein, mit den Glockenschlag sozusagen, wo ich meinte, es müsste aber rasch etwas geschehen, bevor es wieder brenzlig wurde und sprach: „Du kennst mich doch, Andreass X, oder müsstest mich kennen. Schau mich genau an!“
Mein Onkel verschärfte seine Blick und machte Schlitzaugen.
„Ja, so ist’s gut. Schau mich nur in die Augen, auf mein Gesicht, auf meine Physiognomie, auf meine Figur, auf allesnur genau an. An wen erinnere ich Dich? Hm!“
Darauf konnte ich mir nun überhaupt keinen Reim bildenWas sollte das nun?. Spinnte die? Welches Spiel spielte sie hier? Suggestion, Hypnose, böser Blick. Allmählich wurde mir meine Freundin schon etwas unheimlich.Unheimlich wurde sie mir allmählich. Man bedenke diese Wechselbäder der Gefühle innerst weniger Sekunden: zwischen Bewunderung und Ängstlichkeit –dann war es schon ein besonderes Verhältnis, das da zwischen uns zu entstehen schien und drohte, je nach dem, wie man es sah. 
„Ich verstehe nicht...“, murmelte der andremein Onkel.
„Erinnere Dich! Warst Du nicht in der Ukraine...“
„In der Ukraine...“, zögerlich.
„Ja!“
„Du meinst im Krieg.“
„Genau!“
Was führte meine neue Freundin denn da im Schilde? Ich kannte sie ja nicht. Ich begriff aber, dass dies sich gerade radikal ändern sollte.
„Und was war da?“
„...“
Der Mann Mein Onkel schaute wie das Kaninchen auf die Schlange: starr, fixiert und hypnotisiert.
„Schau mich nur an! Wem könnte mein Gesicht ähneln?“
Das darf nicht wahrsein! Ein misstrauischer Verdacht brach sich Bahn in mir. Sie wagt es doch nicht? War sie so dreist?
„Du meinst in der Ukraine?“
„Ja!“
„Damals...“
„Ja!“
„Während des Krieges...“
„Während des Krieges...“
„Hm...“
Schweigen.
„Mein Gesicht!“, kam es wieder von ihr. „Schau mich genau an! An wen erinnert es Dich.“
Wenn es zutraf, was ich dachte und vermutete, spielte sie ein gefährliches Spiel und zündelte mit dem Feuer über Öl.
„An eine Frau...“
„Ja!. Heiß, sehr heiß.“
Spielte sie hier das Kinder-Rate-Spiel Heiß-Kalt und wenn, worauf zielte meine Freundin ab? In welchem Zusammenhang stand denn der II. Weltkrieg, der gut 70 Jahre zurücklag, in dem dieser Mann mein Onkel offenbar im Osten als Soldat gewesen sein musste, in Verbindung mit meiner neuen Freundin, die doch kaum älter als ein Vierteljahrhundert war? Allmählich wurde mir die Sache irgendwie zu verhext, zu undurchsichtig oder, wenn es zutraf, was ich vermutete, sehr, sehr an den Haaren herbeigeholt, worauf sie da setzte bei diesem russischen Pokerspiel.
Die ganze Sache, kurzum,Das überstieg einfach meine Phantasie und mein Vorstellungsvermögen!.

Ich sah, wie sich auf der Stirn des Mannes Schweißperlen bildeten. Ich hörte jetzt genauer hin, denn ich sah deutlich, wie sich Schweißperlen auf der Stirn meines alten Onkels bildeten.
Das konnte nicht von ungefähr kommen. Da steckte ja Brisantes dahinter, Donnerwetter!
Und so sehr er sich bemühte offensichtlich, denn er schmatzte mit den Lippen, um Worte zu fassen, um die Fassung nicht zu verlieren, desto kleiner und eingeschrumpelter schien er zu werden.
Er stellte langsam sein Gewehr bei Fuß mit dem Kolben auf den Boden, um sich darauf abzustützen. Er brauchte ganz offensichtlich Halt. Er schient erschüttert. Täuschte ich mich oder zitterten oder schlotterten gar sein Knie? Die Bundhose tat es jedenfalls. Er rang jetzt in einem tiefen Atemzug um Luft, der dem Ton eines Seufzers ziemlich nahe kam, bis er ausstieß, was wenige Sekunden vorher bei seinem Lippenschmatzen nicht über seine Lippen kam: „Ludmilla!“
„Ludmilla. Richtig! So heißt meine Großmutter.“
„Aber, aber das gibt es doch nicht.“
„Oh, doch!“
„Dieser Zufall. Fast kann man es glauben.“
„Aber es ist wahr!“
Ich dachte jetzt, er kippt uns um, so elend hat er dreingesehen und ich war bereit, sofort loszuhechten, um ihn aufzufangen.
Sie veränderte geschickt die Tonlage, von hart auf schmalzend, triefend, melodramatisch und flötete: „Darf ich Opa zu Dir sagen?“
Ich duckte mich instinktiv. Das waren vielleicht zwei Schritte zu viel.
Ich hielt den Atem an.
Der MannMein Onkel nickte nur stumm, Zeichen dafür, dass ein heroischer Soldat kapituliert hatte, kapituliert vor seiner bewegten, stürmischen und unglaublichen Vergangenheit. Notzucht, nein, Vergewaltigung, kaum, Liebschaft, wenn man so will, mit einer Ukrainerin im zweiten Weltkrieg. Und die Bescherung kaum 70 Jahre später! Das haute den stärkster Kämpfer aus den Socken.
Aber noch toller musste es kommen, denn meine Freundin sagte jetzt folgende Worte, die ich mir niemals hätte sagen trauen, wenn ich ein Blick auf sein Gewehr warf.
„So, Opa! Geh Du mal jetzt auf Bettin Dein Bett! Es ist höchste Eisenbahn geworden. Ich gehe Mal mit Deinen Neffen nach Hause. Morgen komme ich dann wieder. Mit Geschenken, da wirst Du Augen machen!“
Bilder, Postkarten, Videos, wie hoch wollte sie denn noch pokern?
Er fragte nicht einmal nach Art dieser Präsente, sondern sagt kleinlaut: als könne er sie sich denken, wäre ja auch unhöflich gewesen, nach dem Inhalt von so etwas zu fragen, „Ja!“, sagte mein Onkel kurz und bündig und brüchig, noch immer nicht Herr seiner Stimme.
Der Diskant dieser Silbe rührte mein Mitleid. Musste man so einen alten Mann derart an der Nase herumführen? Andererseits, vielleicht stimmte es doch, entgegen jeglicher Wahrscheinlichkeit. Was wusste ich schon vom Leben? , so letztlich ist doch das Leben!
Der MannMein Onkel, wirklich leid, leid tat er mir, öffnete nun seinen Schrank und verstaute das Gewehr zwischen einem undurchdringlichen Wust von Mänteln und Pullovern. Mottenkugelngeruch und sonstige undefinierbare Gerüche, bestimmt nicht aus Tausend-Und-Einer-Nacht, hätten mich fast umgehauen. Leider konnte ich nichts erkennen, trotz klammheimlichen Bemühens und Verrenkens, so wenig traute ich diesem Burgfrieden. ob noch weitere Waffen darin lagerten, so sehr ich mich auf vorbeugte und hineinlugte, was ich eher klammheimlich tun konnte, traute ich schließlich diesem Burgfrieden nicht.
Um sich über seine Wehrhaftigkeit Klarheit zu verschaffen, hatte es hoffentlich ja noch ein bisschen Zeit.
Es war Nunmehr war eh Sandmännchen-Zeit.

Er ging schlafwandlerisch auf sein Bett zu, legt sich wie ein müder Tatsächlich, der müde Kämpe nieder, gähnte schläfrig, legte die Hände ineinander über seinen Bauch und blickte starr nach oben an die Decke.
und ließ sich auf sein Bett plumpsen. Meine Ukrainerin n nun, verwandelte sich plötzlich in eine sorgenvolle Krankenschwester, was  und das war rührend war, ging sie doch sachte in die Knie, zog ihm die Hausschuhe aus, die er noch anhatte, stülpte ihm die Socken von den Füßen und bette ihn schließlich in  und öffnete ihm die Schleifen der Schuhe, zog ihm die Socken von den Füßen, stülpte ihm daraufhin ein Nachtgewand über und bettete ihn in akkurater, perfekter Art und Weiseperfekter Art und Weise zur Nachtruhe, indem sie ihm die dicke Bettdecke zuletzt bis zum Kinn hochzog.
Während all dem war ich einfach dagestanden und hatte zugeschaut, kaum meinen Augen trauend.Ich traute meinen Augen nicht, noch weniger meinen Ohren jetzt: „So, jetzt Schlaf mal, Opa!“ Sie beugte sich über ihn und drückte einen dicken Schmattzer auf die seine Stirn.n. Das war vielleicht ein Melodrama.
Aber Hauptsache seine Wirkung tat’s.
Nur mit Gewalt riss ich den Vorhang meiner Faszination entzwei und wandte mich fast abrupt, jedenfalls vehement an diese Frau , die rückwärts in meine Arme gelaufen war, umfasste sie und beugte mich über ihre Schultern zu ihrem Gesicht hin, während sie lispelte:sich zu mir zugewendet hatte, dastand und schmunzelte mit der Frage auf den Lippen: „Siehst’de Mal, wozu ich imstande bin. Eine kleine Frau aus der fernen, fernen Ukraine. Hättest der kaum zugetraut, was Du arroganter Westler!“
Meine Freundin? Irreal!
Ich staunte mehr als Bauklötze.Ich gab ihr einen Schmatz auf die Lippen anstelle einer Antwort quasi.
Dann fiel mir etwas ein. Wo war der andere verblieben? Nicht mehr da. Hatte sich aus dem Staub gemacht, wie ein unerschrockener Held, was?
Ich atmete auf.
Und meine Tante. Ich schaute in die andere Ecke, wo noch ein Bett stand, wo meine Tante lag. Sie schlief aber, schnarchend.
Wir konnten uns verdünnisieren. Morgen war auch noch ein Tag.
Als wir aus dem Seniorenheim traten, war ich recht glücklich und stolz auf diese meine neue Freundin. Ihr Deutsch klang verständlich, obwohl ukrainisch angehaucht, aber das machte gerade den Reiz dieser Frau aus.
Ich versetzt ihr
Was nun geschah, muss man sich vor dem Hintergrund einer japsenden Stimme eines über neunzigjährigen gewaltigen Menschen vorstellen: gewissermaßen die russische Symphonie Nr X, weil wer hat die besten Bassstimmen auf der Welt?
Wir verzogen uns aus dem Zimmer und kaum draußen, trat ich ernstlich besorgt an sie heran.
„Was wird nun aus uns? Können wir noch länger eine Beziehung haben? Du weißt doch! Wir sind ja blutsverwandt, wie sich herausgestellt hat.“
Mir war es bitterernst.
„Wie, wie?“
Sie kam gar nicht richtig zu Wort, weil ich so aufgeregt war und weiterfragte.
„Was wird nun aus uns? Wir können unmöglich noch eine Beziehung haben. Wir sind verwandt, blutsverwandt. Das wäre Inzest.“
Endlich kapierte sie und es schallte mir resolutes Lachen entgegen. Sie bog und krümmte sich vor Erheiterung, gluckste und japste, bevor sie ein Wort über ihre Lippen brachte, die aber umso niederschmetternder waren. „Du glaubst doch wohl nicht diesen Schmarrn!“
Ich hatte mich ganz schön blamiert. Trotzdem freute ich mich über diesen letzten Ausdruck, genuin bayerisch, er klang ganz merkwürdig wider in ihrer ukrainischen Mündhöhle. Meine Bewunderung war nahezu grenzenlos. Oder war es Liebe, wirkliche Liebe?
Ich fing mich schließlich wieder und Freude machte der Scham Platz. So versetzte ich ihr einen dicken Kuss auf die Lippen, den sie gebieterisch-schmunzelnd entgegennahm wie ein Herrscher, der sich die Ovationen eines Untergebenen gerne über sich ergehen ließ.
Sie kostete ihren Sieg weidlich aus. Ich sagte: „Du bist bestimmt mit dem Rasputin, dem Zauberer und Hexer da, verwandt?“
„Klar, ich bin seine Enkelein!“ Und wir lachten in den orangenen Abendhimmel hinein, allerdings ich auch aus einem etwas anderem Grund.
, weil sie noch draufsetzte: „Ich bin so sehr verwandt mit dem alten Herren wie Rasputin mit Merlin, dem Zauberer.“Ich glaubte ihr schon.
War das die Möglichkeit gewesen? War das wirklich nur Flunkerei gewesen? Sie hatte russisches Roulette gespielt. Wäre dieser Mann nicht mein Onkel ihrer Verhexung nicht auf den Leim gegangen, hätte er Misstrauen verspürt, oder er hätte einfach niemals mit einer Ukrainerin ein Verhältnis gehabt, dann hätte er wohl kaum lange gefuchtelt, das stand fest. Es war Glück gewesen!
„Du hast Nerven!“, stieß ich aus, als mir diese Gefahr klar geworden war, in der wir geschwebt hatten.
Sie dagegen zeigte sich unbeeindruckt, jeglicher Diskussion erhaben und stieß mich an: „Wir müssen uns überlegen, wie wir ihn die beiden entwaffnen können, ist Dir das klar? Die haben bestimmt noch mehr Waffen irgendwo deponiert!“ Ich stimmte resigniert zu der Gefahr durch und durch bewusst: „Ja, nicht nur die beidenihn. Eventuell auch einen oder mehrere r seiner Kameraden, die wahrscheinlich gleichfalls schwer bewaffnet waren.“ Nur, wie wir das Kunststück der Entwaffnung fertig bringen sollten? Nicht auszudenken, wie wir dieses Kunststück fertig bringen sollten. Bestimmt nicht auf die gleiche Weise, wie sie gerade den Mann vorhin sie meinen Onkel hinters Licht geführt und an der Nase herumgeführt hatte. Dazu würde weit mehr nötig sein.
Wenn dies zutraf, was wir befürchteten. Wenn denn, dann mussten wir auch das Waffenlager, dessen man sich hundertprozentig sicher sein konnte, finden und entdecken?
Mir schwindelte gehörig bezüglich dem, was auf uns zukam, sah ich doch ein imposantes Waffenlager vor mir..
Aber erst einmal ging’s nach Hause.
„Mensch, ich habe Hunger!“
„Ja, machen wir uns etwas zu essen. Worauf hast du Lust?“
„Nudeln natürlich!“ Dann fiel mir meine Tante ein.
„Oje, die Tante. Was ist nur mit der geschehen?Ich habe sie ganz vergessen. Wo war sie?“
Ich wollte lieber nicht weiter darüber nachdenken.  War sie auch im Zimmer von meinem Onkel?“
„Ich habe nichts gesehen. Das Zimmer war ziemlich groß. Vielleicht lag sie in irgendeiner Ecke?“ Blöder Witz, ich weiß.
„Bestimmt. Sie wollte ich doch unbedingt besuchen.“
„Tja, und jetzt?“
„Ein anderes Mal. Das nächste Mal, wenn wir wieder herkommen. Morgen ab besten gleich.“
„Ja.“
„Ab zu den Nudeln...“

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (04.01.16)
Wie so oft: Nicht schlecht, aber viele Schlampigkeiten, die das Ergebnis trüben, z.B. " das richtige" oder "Freundein".

 pentz meinte dazu am 06.01.16:
das richtige könnte man wie im allgemeinen so stehen lassen, denke ich.
ansonsten hast schon recht, aber ich habe schon verbessert, ich tue das ununterbrochen.
merci

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 06.01.16:
Nö, Duden sagt: Das Richtige und im Allgemeinen.

 pentz schrieb daraufhin am 08.01.16:
im allegemeinen schrieb man ehemals klein, aber wenn ein artikel dabei ist wie d a s r i c h t i g e würde ichs schon auch groß schreiben.
salut
hebdo
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