Mauerbauer und Schutzwallerrichter

Text zum Thema Alleinsein

von  Feuervogel

Das war immer schon so, sagte das Kind, und blickte dem Alten tief in die Augen.
Was war immer schon so?, fragte er zurück.
Leise sagte das Kind, ich war schon immer alleine.
Der Alte nickte verständnisvoll, nahm einen tiefen Atemzug und schwieg.
Sie schwiegen beide eine Weile, bis der Alte in die Stille ein, ich auch, hauchte.
Du auch, wiederholte das Kind. Aber du bist alt
Ja, ich bin alt, seufzte der Alte, und ließ seine Augen zum Himmel wandern, schaute den Wolken nach, die wie Erinnerungen vorbeizogen.So verharrte er eine Weile, senkte dann den Blick und schwieg erneut.
Wird das denn nie anders, fragte das Kind.
Nein, sagte der Alte, es wird nie anders.
Das heißt wir sind immer allein?
Meistens, antwortete der Alte, manchmal ist es anders.
Wann ist es anders?
Vielleicht dann, wenn wir lieben, vielleicht dann. Dann erblüht die Welt, du mit ihr und dann hoffst du, glaubst du, träumst du, es könnte immer anders sein.
Aber es ist nur einen Moment anders und Momente vergehen.
Das ist traurig, bemerkte das Kind.
Ja und nein, sagte der Alte, es ist ebenso.
Die Liebe bewahrt uns nicht vor dem Allein sein.
Warum bewahrt sie uns nicht?
Der Alte runzelte die Stirn und legte seinen müden alten Kopf in seine knochigen Hände. Da strich das Kind dem Alten über den Kopf und schmiegte sich still an ihn.
Der Alte schaute auf. Die Liebe will uns läutern, sie will uns weich und geschmeidig machen, durchlässig, bereit zur Aufgabe.
Aufgabe? Wieso Aufgabe?
Unsere Aufgabe ist unsere Hingabe. Hingabe an das Leben selbst, an uns, an Andere.
Hingabe, ein schönes Wort. Das Kind nahm das Wort und hüpfte es, klatschte es, drehte und wendete es. Hingabe, Hingabe, Hingabe...Schöööön!
Der Alte lächelte, ja, schöööön!
Aber warum hört es dann nie auf?, fragte das Kind wieder.
Es schmerzt, und im Schmerz sind wir allein.
Warum schmerzt es? Das Kind schaute ungläubig.
Es schmerzt, weil wir an Grenzen stoßen. Grenzen, die uns zeigen wer wir wirklich sind. Wir stoßen uns an ihnen.
Ist das so, als würden wir gegen Mauern laufen, fragte das Kind.
Ja, eine Mauer, aber nicht im Außen, sondern in unserem Innern. Dann sind wir betroffen, nehmen die Mauer in uns wahr, wollen sie nicht haben, stellen sie vor uns auf, verbergen uns dahinter, so das niemand mehr zu uns durchdringen kann. Dann vergessen wir, dass es unsere Mauer ist, vergessen, dass wir sie errichtet haben und glauben immer mehr daran, dass die Anderen die Mauern bauten.
Ich bin allein, weil ich eine Mauer gebaut habe, die ich dann vergaß? Ist das richtig?
Manchmal ist das richtig. Manchmal bauen wir auch Mauern,  um uns zu schützen. Diese Mauern lassen sich leichter einreißen. Die Mauern aber die wir vergaßen, die aus uns und um uns entstanden, diese einzureißen, fällt uns viel, viel schwerer.
Warum, fragte das Kind verwundert.
Weil wir vergessen haben, dass wir sie aufgestellt haben. Wir denken, es sind die Mauern der Anderen. Wir erwarten, dass diese sie gefälligst wegzuräumen haben.
Aber das können die doch gar nicht, empörte sich das Kind. Ich kann doch nicht etwas kaputt machen, was mir nicht gehört.
Ja, seufzte der Alte und zog das Kind an sich, streichelte ihm beruhigend über den Rücken, ja, dass kann niemand, wiederholte er.
Aber dann bleibt man doch allein, egal ob vor oder hinter der Mauer, entgegnete das Kind.
Ja, dann bleibt man allein.
Wie traurig, schluchzte das Kind, dass will ich aber so nicht haben. Ich will nicht traurig sein.
Ach ja, lächelte der Alte sanft, wer will das schon?
Aber es ist gut traurig zu sein. Die Liebe schickt uns diese Traurigkeit.
Wieso denn die Liebe? Das passt doch überhaupt nicht, meinte das Kind.
Doch die Liebe schickt uns die Traurigkeit, sie zeigt uns damit, wie weit wir uns schon von ihr entfernt haben. Die Traurigkeit, wenn wir sie umarmen, schenkt uns dann die Kraft, uns unseren Mauern zu stellen.
Können wir sie dann endlich umwerfen, fragte das Kind. Ich will sie umwerfen, denn ich will nicht traurig sein und allein.
Ja, die Traurigkeit kann uns helfen Mauern umzuwerfen. Nur das geht nicht immer so schnell. Manchmal dauert das sehr, sehr lange. Wir brauchen Zeit, damit wir erkennen, was uns zum Mauerbauer oder Schutzwallerrichter hat werden lassen und wir müssen bereit sein uns zu stellen.
Wir brauchen die Trauer, wir brauchen den Schmerz, die Liebe schickt uns beides, so wie ich es schon sagte, um uns zu läutern.
Wenn wir dann die Mauern umgeworfen haben, dann sind wir endlich nicht mehr allein, nicht wahr, dann können wir wieder hoffen, glauben, träumen, lieben, oder, sagte das Kind etwas lauter als zuvor.
Ja, dann können wir wieder hoffen, glauben, träumen, dann lieben wir wieder, sind nicht mehr allein für einen Moment, sagte der Alte.
Wieso nur für einen Moment?, erstaunte sich das Kind.
Ja, für einen Moment, so lange bis wir zur nächsten Mauer gelangen.
Wieso gelangen wir denn wieder an eine Mauer, dass Kind wurde ärgerlich, ich dachte, wir hätten es dann geschafft. Ich will nicht alt werden, und immer wieder, so wie du alleine sein. Nein, nein, nein, ich will nicht.
Wer will das schon, sagte der Alte erneut seufzend, aber das Leben und die Liebe sind so. Wir wandern durch blühende Wiesen, gelangen an Mauern, trauern, reißen sie ein, wandern über blühende Wiesen, gelangen an Mauern, trauern, reißen sie ein und von mal zu mal, erkennen wir uns selbst, erfahren mehr von uns, erleben uns und lernen tiefer zu lieben.
Wir sind allein und die Liebe wird uns läutern.
Da nahm das Kind die Hand des Alten und sagte komm. So gingen sie miteinander und es war einer jener anderen Momente.

Ela Möller

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Kommentare zu diesem Text

Graeculus (69)
(20.02.16)
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 Feuervogel meinte dazu am 20.02.16:
Es ist wohl so, dass vieles unbewusst geschieht...die Chance liegt aber in der Bewusstwerdung innerer Fallen und diese dann zu verändern. Zumindest ist es eine Möglichkeit. Ansonsten bleibe ich wohl das Opfer, weiß nicht einmal, dass ich ein Opfer meinerselbst bin. Danke für deinen Besuch und dein empfehlen. LG Ela

 shadowrider1982 (13.03.16)
Ich danke dir für diesen wundervollen Text! Das sind die Worte, die ich selbst oft gesucht habe, um bestimmten Leuten gewisse Zusammenhänge klar zu machen. Mich haben deine Zeilen sehr berührt.

LG
shadowrider

 Feuervogel antwortete darauf am 13.03.16:
...und ich danke dir für deine freundlichen Worte. Herzlichst Ela
matwildast (37)
(29.04.17)
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 Feuervogel schrieb daraufhin am 03.08.17:
Verzeih, ich habe deinen Kommentar erst heute gelesen. Erst einmal danke für deinen Besuch. Wenn mein Text dich berührt, so freut mich das, denn berührt werden, sich berühren lassen ist eine ganz wertvolle Empfindung. Zu den unterschiedlichen Mauern möchte ich mich gar nicht so differenziert äußern. Manchmal ist es wichtig eigene Antworten zu finden. Herzliche Grüße Ela
matwildast (37) äußerte darauf am 26.08.17:
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 Dieter_Rotmund (31.08.18)
Sehr rührselig.

Mit Rechtschreibfehlern. Z.B. ist "beide" kein Substantiv.

Ein schönes Wochenende wünsche ich allen.

 Dieter_Rotmund ergänzte dazu am 16.12.23 um 18:18:
Nochmals durchgelesen. Die vielen Fehler sind leider auch noch da.

 Beislschmidt meinte dazu am 16.12.23 um 18:49:
Deine Fehler solltest du auch ausbessern. Ich sage nur ...

Für so derb geschrieben Texte
Frage: Ist das ein Spleen von dir, dass du Rechtschreibfehler suchst?

Außer "rührseelig" kommt ja nix von dir. 
Ich würde es ja verstehen, wenn du selbst ohne Tadel wärst aber dem ist leider nicht so. Also was ist los mit dir?

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 16.12.23 um 19:02:
Kommentierte Kommentare lassen sich nicht mehr verbessern. 
Und: Kommentare sind keine literarischen Texte. 
Mit geht es gut, wie geht es dir?

 Beislschmidt meinte dazu am 16.12.23 um 19:31:
Stimmt, Kommentare lassen sich nicht verbessern. Eigentlich schade, weil das corpus delicti auf immer als Makel bestehen bleibt. Mir persönlich ist das völlig "wurscht" aber anderen Autoren eben nicht. Man sollte sich nicht in solche Kleinigkeiten verbeißen, denn ihnen haftet das Fluidum von Feindseligkeit an. 

 wie geht es dir?
Danke, bestens.

Antwort geändert am 16.12.2023 um 19:32 Uhr

 Feuervogel meinte dazu am 16.12.23 um 19:45:
Hey Beislschmidt, danke. Manches ändert sich leider nie, deshalb veröffentliche hier schon lange nichts mehr. Mir geht es wie dir, sowas wie Rechtschreibung war mir schon immer wurscht. Es ist schon interessant, wie viele Jahre jemand diesbezüglich beharrlich sein kann....für sowas hab ich irgendwie gar keine Zeit. Ich hab nämlich noch ein Leben. Alles Liebe dir...

 Beislschmidt meinte dazu am 16.12.23 um 22:31:
Hey Feuervogel ...
Jahrelang, sagst du? 

Das finde ich bedenklich. Klar macht jeder Fehler, mich eingeschlossen aber es gibt auch "wohl gesonnene" Autoren hier, die einen Kommentar schreiben und zusätzlich das zweite private Kommentarfenster nutzen, wenn sie einen Fehler in der Rechtschreibung bemerken. Dafür bedanke ich mich auch jedesmal. 

Es gibt aber auch einige wenige Autoren, die nur darauf warten ein Fehlerchen zu finden, um es im Kommentar genüßlich auszuschlachten. Das ist nur Wichtigtuerei und zeugt von Charakterschwäche und dem Unvermögen selbst gute Texte zu schreiben.
In solchen Fällen bin auch nicht gerade höflich und meistens antworte ich: - "steck dir deine Besserwisserei sonst wo hin".
Beislgrüße

 Beislschmidt meinte dazu am 16.12.23 um 22:42:
Mit Erstaunen stelle ich bei Feuervogels  "jahrelang" fest, dass Dieter Rotmund die Chuzpe hatte genau fünf Jahre später nachzuprüfen, ob seine Rechtschreibhinweise befolgt wurden. 
:D :D
Man muss sich das mal vorstellen - fünf Jahre später!
Alles frisch bei dir Dieter?

 Beislschmidt meinte dazu am 16.12.23 um 22:50:
Love83? Du solltest wieder schreiben Ela.

 Feuervogel meinte dazu am 16.12.23 um 23:03:
Hey Beislschmidt,  danke für dein Engagement. Also, ich schreibe natürlich, aber veröffentliche nur hier nichts mehr. Momentan schrieb ich über den Tod meines Hundes....das ist gerade sehr tiefgreifend. Ich habe jahrelang kreatives Schreiben angeleitet und biete für 2024 eine Poesiechallenge an...bin gespannt was daraus wir. Corona hat mich gelähmt, muss wieder zurückfinden in meine Schreibarbeit in Gruppen. Ansonsten, versuche ich den Stift zu benutzen. LG Ela
Daniel (50) meinte dazu am 20.01.24 um 00:37:
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 Regina meinte dazu am 20.01.24 um 03:59:
Dieter Rothmund ist Journalist und in der Rechtschreibung sicher. Ich danke ihm jedes Mal, wenn er bei mir einen Fehler findet und es ist mir vollkommen egal, ob er dies öffentlich oder per PN tut. Ich finde, dass man sich auch im Bereich der Orthographie um Genauigkeit bemühen soll. Man akzeptiert ja auch eine Schreinerarbeit nicht, wenn der Handwerker falsch gemessen und die Bretter nicht fest verleimt hat. Inhaltlich freue ich mich über die Analysen von Graeculus, weil er keinen Denkfehler durchlässt. Das ist lehrreich. Angriffe unter die Gürtellinie mag niemand.
Für den Text hier habe ich nicht die Geduld aufgebracht, ihn zu Ende zu lesen, weil er mir zu langatmig daherkommt und immerzu um das gleiche Thema kreist.

Antwort geändert am 20.01.2024 um 04:02 Uhr

 Beislschmidt meinte dazu am 20.01.24 um 10:34:
Ob Schreiner oder Bretter, es ist dazu alles gesagt worden. Verstehen kann man nur, wenn man verstehen will, ansonsten bleibt es beim business as usual.

 niemand meinte dazu am 20.01.24 um 10:35:
@ Regina
Ich bin persönlich auch der Meinung, dass man nicht so eitel sein sollte um sich über orthographische Korrekturen zu ärgern, wenn sie unter dem Text stattfinden und nicht per PN. Mir fehlt jede Eitelkeit
um mich im Zuge einer öffentliche Korrektur zu schämen. Abe jeder ist halt anders gepolt. Was mich aber milde lächeln lässt ist, das
Dieter_ Rotmund [Du hast ihn übrigens mit einem "h" versehen und mich wundert es, dass er nicht korrigiert hat]  ja, was mich milde lächeln lässt, ist die Tatsache, dass ich noch bei keinem der Kommentatoren  im KV dermaßen viele Rechschreibfehler gesehen habe wie bei Dieter. Und hier kommt mir der Vergleich mit den "Kritikern der Elche"  :P in den Sinn. LG niemand
Daniel (50) meinte dazu am 20.01.24 um 10:51:
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 niemand meinte dazu am 20.01.24 um 11:44:
@ Daniel
In den Fällen einer Legasthenie hast Du natürlich völlig recht, Daniel.
Aber, wäre es da nicht sagen wir mal "einfacher", wenn man wüßte wer an Legathenie erkrankt ist [und es ist eine unverschuldete Erkrankung]. Wäre mit einer solcher Kenntnis diese Erkrankung
sogar vielleicht aus der Tabuzone entfernt? Für meine Begriffe muss sich keiner dessen schämen, wie sich auch keiner einer anderen
Erkrankung schämen muss. Wenn wir allerdings etwas schamhaft verstecken, so wird es immer in einer dunklen Zoge hocken und bietet jedem der die Zusammenhänge nicht kennt eine Angriffsfläche.
Wobei ich sogar glaube, dass sich keiner der Idiotie ergeben würde
einen Legastheniker anzugreifen. Weil ersich bei einem solchen Angriff selber ein Armutszeugnis ausstellen würde. Doch informiert werden müsste man dann schon. Du weißt ja, wie das ist und ich
beziehe mich auf Deinen Text mit dem Kind und der Trisomnie, wenn man etwas nicht kennt, dann denkt man sich was aus und handelt dementprechend falsch.

 Regina meinte dazu am 20.01.24 um 11:47:
Ich habe nichts über Legastheniker geschrieben, sondern gehe von einem muttersprachlichen Autor aus, der gelegentlich Flüchtigkeitsfehler macht oder in der neuen deutschen Rechtschreibung dann doch nicht mehr so fit ist wie ein frisch gebackener Abiturient, aber sich um handwerkliche Qualität bemüht. Ich selber korrigiere einzelne Fehler per PN, eine Seite mit einer Vielzahl von Fehlern zu korrigieren, ist mir zu viel Arbeit. Jeder Lektor bei einem Buchverlag würde alles korrigieren, bis hin zum kleinsten Satzzeichenfehler. Könnte ein Legastheniker nicht sein Werk von einem Freund überprüfen lassen, bevor er es veröffentlicht? Auf meinem PC gibt es übrigens eine Autokorrektur, die rot anstreicht. Beleidigungen sind doof, Beleidigtsein manchmal auch.
Daniel (50) meinte dazu am 20.01.24 um 12:47:
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