Moritz, lieber Moritz

Gedicht zum Thema Kunst/ Künstler/ Kitsch

von  harzgebirgler

Da steht der Marschall mit der Mähre,
die lückenlos wohl schöner wäre,
denn so durchbrochen bis zum Schweif
fast wirkt der Gaul echt abdeckreif!
Kein Wunder, daß ihn Moritz hält,
weil er sonst prompt zur Seite fällt
und alle Viere von sich streckt:
Halb scheint der Klepper schon verreckt.

Doch Moritz selbst ist nicht ganz dicht:
Durch breite Risse fällt das Licht,
die spaltentief im Corpus klaffen
und wundersamen Durch-Blick schaffen
vom Nabel bis zur Wirbelsäule -
hat Moritz etwa Leibesfäule,
die ihn von innen so zerfrißt,
daß er nicht mehr zu retten ist?!

Die ausgesparten Standbildflächen
sind ja vielleicht Gestaltungsschwächen,
doch muß man sie den lieben Leuten
zumindest halbwegs logisch deuten!
Zu sagen, daß sie Sitzraum sind
für Köter, Katze, kleines Kind
oder auch Stilmittel der Kunst -
das ist nun mehr als blauer Dunst.

Da Moritz einst ein Feldherr war
(und Krieg bedeutet stets Gefahr
für Leib und Leben, also Tod -
Soldatenblut färbt Erde rot!),
markiert der Riß durchs Eingeweide
des blanken Schwertes scharfe Schneide,
das Augusts Sohn erfolgreich schwang
und so die Gegner niederzwang.

Auf jeden Fall zeigt die Skulptur
von jenen Siegen keine Spur,
die Moritz in so vielen Schlachten
zum legendären Feldherrn machten:
Er schaut dem Gaul beim Grasen zu
mit steckenpferd´scher Seelenruh´,
als würde er Turniere reiten
und nicht mit ganzen Heeren streiten.

So stellt man Heilsarmisten dar -
die krümmen niemandem ein Haar.
Moritz jedoch war Militär
von großem Ruhm und großer Ehr´:
Der, der da steht, der gab Befehle -
der Schlachtruf drang aus seiner Kehle
und feuerte Soldaten an
zum harten Kampf Mann gegen Mann.

Der nahm sein Pferd doch nicht beim Zügel
und schlich zu Fuß vom Feldherrnhügel,
um auf der Wiese zuzuschau´n,
wie Pferdezähne Gräser kau´n.
Das Kriegshandwerk war sein Beruf,
der ihm den großen Namen schuf -
wer das nicht darstellt und verschweigt,
dem hätte Moritz was “gegeigt“!
 


Anmerkung von harzgebirgler:

Kritisches Gedicht zum Bronze-Standbild "Moritz von Sachsen" in Goslar. Moritz von Sachsen, in Goslar geboren, war Sohn Augusts des Starken und der Gräfin Maria Aurora von Königsmarck.

http://www.raymond-faure.com/Goslar/Goslar_Kunst_103.JPG

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