Pillenritual

Satire zum Thema Gesundheit

von  loslosch

Plurimum remedia continuata proficiunt (Seneca, um die Zeitenwende bis 65 n. Chr.; Epistulae morales). Am meisten wirken Heilmittel, die kontinuierlich eingenommen werden.

Den wahren Grund dieser inzwischen zur Volksweisheit aufgewachsenen Philosophie und Lebenseinstellung kannte Seneca damals noch nicht: Greifst du täglich (oder gar 2-, 3-, 4-mal täglich) in dein Pillenarsenal, wirst du mit schöner Regelmäßigkeit an die Heilkraft erinnert. Das allein schon befördert die heilende Wirkung. Solltest du einmal die Kapsel einzunehmen vergessen haben, darfst du auf keinen Fall die unterbrochene Routine ausgleichen und die Dosis verdoppeln. Jetzt leidest du, verspürst instinktiv eine Verschlechterung deines Zustands.

Bist du einmal unsicher, ob du die Arznei überhaupt schon eingenommen hast, und greifst rein vorsorglich in die Tabletten-Wunderkiste, musst du danach in deinen Körper hineinhorchen. Bemerkst du keine körperliche Reaktion, bist du verunsichert: Wirkt die Pille oder wirkt sie nicht? Falls doch, dann empfindest du, dass eine ungute Reaktion erfolgt ist. Die Pille wirkt in der Überdosierung zum Schlechten hin.

Du schwörst jetzt auf die Wirksamkeit dieser Pille.

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (24.05.16)
Wer kann deine einfache und eingängige Pillen-Psychologie nicht aus eigener Erfahrung bestätigen?

 loslosch meinte dazu am 24.05.16:
vor allem die medici schwören darauf! kürzlich benutzte ich nasenspray und spürte sofort eine linderung. (leider hatte ich versäumt, die kappe abzuziehen.)
Graeculus (69) antwortete darauf am 24.05.16:
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 niemand schrieb daraufhin am 24.05.16:
@ Lo
Apropos "Nasenspray" ... mir ist Ähnliches mit meinem ersten
Asthma-Inhalator passiert. Falsch angewandt, dennoch Luft
bekommen Tja, wir sind schon seltsame Kreaturen, wir Menschen ...

 loslosch äußerte darauf am 24.05.16:
ja, an deinen alten kommi erinnerte ich mich, als ich linderung verspürte und dann erst die kappe abzog. ich bin einer der kritischsten patienten, wo gibt. aber auch ich verarsche mich gelegentlich selber.

 Didi.Costaire (24.05.16)
Dieses Zitat ist doch sicherlich einem Schreiben entnommen, mit dem sich dieser Seneca um einen Job bei der Apotheken-Umschau bewerben wollte, oder?

 loslosch ergänzte dazu am 24.05.16:
ich fürchte, er hätte schlechte karten, dirk.

 niemand (24.05.16)
Die Psyche ist auch jene Basis auf der Placebos wirken.
Man muss nur fest an etwas glauben, dann hilft es.
Zwar nicht immer, aber doch immer öfter, könnte man sagen.
Daraus jedoch zu schließen, dass nur die Einbildung hilft/oder nicht, ist gefährlich, denn es gibt lebensrettende Medikamente
die unabhängig vom daran Glauben helfen. Eines scheint jedoch klar zu sein: Psyche & Körper sind einander mehr verbunden, als
wir es zu glauben vermögen. LG Irene

 loslosch meinte dazu am 24.05.16:
den hinweis auf lebensrettende medikamente unterstreiche ich. lo

 TrekanBelluvitsh (24.05.16)
Schon in babylonischen Medizinhandbüchern findet man den Hinweis, das der Arzt viel mit dem Patienten reden soll. Der Grund ist einfach: Es fehlten viele wirksame Mittel. Also wurde verstärkt versucht, die Psychosomatik - so würden wir es heute nennen - zu beeinflussen. Daher steht Seneca in einer antiken Tradition. Zur Medizin gibt es keine Warnhinweise, sondern Aufmunterungen bzw. Sinnsprüche.

 loslosch meinte dazu am 24.05.16:
daher ist der heilpraktiker bei vielen patienten beliebter als der doktor.
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