Es geschah in der Blutmondnacht

Text

von  atala

(MUSIK: INTROMUSIK)
SOUND: Schritte auf Stein sind zu hören. Wind heult auf. Näher kommende Schritte sind zu hören.)
(Frau läuft Strasse entlang, jemand kommt ihr entgegen.)
1. Michael Müller
Guten Abend, schöne Frau. Ich sehe Sie sind ganz alleine unterwegs. Ich habe Sie schon von der Ferne gesehen, die Blumen, die Sie bei sich tragen, haben mir schon von weitem entgegengeleuchtet. Rot wie die Lippen der Frauen auf der gegenüberliegenden Seite. Die kaugummikauend die Beine zeigen und nie zu frieren scheinen. Rot wie das austretende Blut aus einer Wunde. Haben Sie den Strauss geschenkt bekommen? Von ihrem Freund?

2. Luna Lanar
Frau: Die Blumen, die habe ich mir gepflückt, heute Nachmittag war das, als ich einem Feld entlang fuhr. Zwischen den gelben Weizenfeldern reckten lang und elegant Stiele ihre Köpfe hervor. Und die Blüten waren röter als rot. Rot wie das Gestirn bei einer Mondfinsternis. Wenn sich der Schatten der Erde über den Mond legt und er nicht mehr von der Sonne beschienen wird. Wenn nur noch das Sonnenlicht der Erdatmosphäre rot in den Mond bricht.

3. Michael Müller
Was machen Sie noch auf der Strasse, wenn ich fragen darf? Wissen Sie denn nicht, dass bald ein Sturm aufkommen soll? Ein Jahrhundertsturm soll die Stadt überrollen. So heftig soll er sein, in diesen Breitengraden noch nie gesehen. Sie spazieren ja über die Strasse, Sie sollten schnell nach Hause gehen. Sogar die Damen mit den kurzen Röcken der anderen Seite des Flusses haben sich verzogen. Die sind sonst schwer abzuwimmeln. Vorher bin ich da entlang gegangen. Menschenleer sage ich Ihnen.

4. Luna Lanar
Frau: Sie brauchen mich nicht zu warnen, der Sturm macht mir keine Angst. Ich mag es durch die Stadt zu laufen mit dem Wind, der mich antreibt und entgegenweht. Ich werde es auch mögen unter Regen zu gehen, von Blitzen beleuchtet und vom Donner geschlagen.
Ich glaube vielmehr (kurze Pause), dass heute etwas Aussergewöhnliches passieren wird. Ja, wenn ich ans Ende dieser Strasse gelange passiert etwas Grosses.

5. Michael Müller
Etwas Grosses?

6. Luna Lanar
Etwas, was mir noch nie geschehen ist. Ich habe es ihm Gefühl. Es wird etwas geschehen. Wissen Sie, ich hab seit längerem einen Traum, der immer wiederkehrt. Darin träume ich, dass ich mich auflösen werde. Von mir wird nichts mehr übrig sein auf Erden. Ich werde in den Lüften sein, ich werde schwerelos sein. Ich gehe dahin, wo das Licht warm und silbern ist und ich werde alleine, doch nicht einsam sein. Es wird in einer stürmischen Nacht geschehen, in der der hellste Blitz aufleuchten wird.
Als ich hörte, dass ein Unwetter aufzieht, konnte ich nicht anders, ich musste das Haus verlassen. Ich dachte, wenn ich mir jetzt nicht die Schuhe und den Mantel anziehe und dieser Strasse hier entlang gehe, bis das Gewitter kommt, muss ich sterben.
Und die Mohnblumen musste ich auch mitnehmen. Denn wenn heute etwas geschieht, wenn ich in ein anderes Land gelänge zum Beispiel, wo es keinen Mohn gibt, würde ich ihn schrecklich vermissen.

7. Michael Müller
(stirnrunzelnd) Sie sagen ja komische Dinge.

8. Luna Lanar
Doch was machen denn Sie noch hier draussen, wenn ich fragen darf?

9. Michael Müller
Ich spaziere durch die Strassen. Ich laufe den ganzen Tag, damit im Kopf etwas passiert und es nie still ist. In meiner Wohnung höre ich das Echo meiner Schritte. Es steht bloss ein Bett darin, eine Zahnbürste und ein Handtuch. Die Kleider sind in einem Koffer und die Küche ist ungebraucht.

10. Luna Lanar
Wovor wollen Sie sich denn ablenken?

11. Michael Müller
Von den Erinnerungen. Wenn man unachtsam ist und sich zum Beispiel hinlegt obwohl man noch nicht müde ist, gelangen sie als Guerilla-Einheit in den Kopf. Dann erinnert man wallendes Haar, das mit jedem Schritt wippt, ein Blick zurück, einen spitzen Schrei, Schüsse und Blut, das aus der Wunde fliesst.
Deshalb gehe ich jeden Tag kopflos durch die Stadt, damit ich immer Neues sehe und nie an Geschehenes denken muss. Mit anderen kann ich mich auch nicht ablenken. Mein Beruf hat mich einsam gemacht. Die einzige Gesellschaft die ich habe, sind die Frauen auf der gegenüberliegenden Seite. Doch auch wenn ich sie für jedes Wort bezahle, bemerke ich in ihren Blicken die Abscheu. (kurze Pause)(grüblend) Mein Beruf hat mich einsam gemacht.

12. Luna Lanar
Das muss ja ein merkwürdiger Beruf sein den sie haben.

13. Michael Müller
(grübelnd)Ja, das ist er, das ist er. (kurze Pause)Wissen Sie, so ist das Leben, wenn man Leute zum Verschwinden bringt, dann verschwindet man auch selbst. Ich erzähle Ihnen etwas, bei dem Sie glauben werden, dass ich lüge. {...} eigentlich dürfte ich es Ihnen nicht sagen. Aber Sie machen auf mich einen Eindruck, als könnte ich es Ihnen erzählen. Man wird Ihnen sowieso nicht glauben, wenn sie es jemandem sagen würden. Vor allem wenn sie das andere Zeug mit diesem Traum da erzählen.(kurze Pause)Ich trage nämlich verschiede Namen. Manchmal heisse ich Moritz Messerwerfer, dann Paul Pistolenheld. Ich schaue einfach ins Telefonbuch und wähle mir einen aus, der mir gefällt. Und für jeden Namen, denn ich mir gebe, lasse ich einen anderen verschwinden. Jemand ruft mich an und sagt mir den Namen einer Person und ich den Betrag. Sobald das Geld in meinen Händen und abgezählt ist, Schein für Schein, suche ich die genannte Person auf und erschiesse sie.

14. Luna Lanar
(Interessiert) Ach ja?

15. Michael Müller
Ja. Ich hatte schon viele Namen und mit jedem Namen wechsle ich ein wenig den Gang, die Stimme und die Art zu sprechen. Als würde aus mir jedes Mal einen neuen Menschen entstehen.(kurze Pause) Finden Sie das nicht schlimm?

16. Luna Lanar
Ich weiss nicht, ob ich Ihnen glauben soll oder nicht. Vielleicht erzählen Sie mir auch nur Geschichten.

17. Michael Müller
Ich wünschte es wäre so.

18. Luna Lanar
Wenn Sie wollen, können Sie mir ihre Geschichten erzählen um sich abzulenken, aber nur unter einer Bedingung: Sie nennen mir Ihren richtigen Namen.

19. Michael Müller
(sinierend, träumend) Ihnen meine Geschichten erzählen. Mich mit Ihnen treffen. Und Sie werden mich mit meinen wahren Namen ansprechen, wie gewöhnliche Leute das auch tun. Wir werden zusammen Kaffe trinken und dann werden wir über ganz belanglose Dinge sprechen, wie andere Leute auch. Sie werden mir von ihrem Tag erzählen und ich ein wenig aus meinem. Das Blut werde ich auslassen, versprochen. Wir werden ganz gewöhnliche Freunde sein, wie andere Leute es auch sind. Das klingt wunderbar. (längere Pause) (theatralisch) Mein Name ist Michael Müller.

20. Luna Lanar
(kichert)

21. Michael Müller
Was gibt es denn da zu lachen?

22. Luna Lanar
Der Name ist nur so gewöhnlich. Sie geben sich Namen von Meisterdieben und Ganoven und selbst haben sie einen hundsgewöhnlichen.

23. Michael Müller
Nana, ich möchte ja mal Ihren hören.

24. Luna Lanar
Ich heisse Luna Lanar.

25. Michael Müller
(langezogen) Luna Lanar (kurze Pause, nochmals langgezogen) Luna Lanar. Das klingt schön. Es klingt wie ein Name, den ich nochmals hören möchte. Ich sage Ihnen etwas Luna Lanar. Das wird ganz wunderbar. Aber jetzt müssen Sie und ich nach Hause gehen, damit wir nicht von einem Ast getroffen werden, wenn das Unwetter kommt.
Ich gebe Ihnen meine Nummer. Ich schreibe Moritz auf, weil ich meinen echten Namen niemals aufschreiben darf, er darf nicht in die feste Welt kommen, nur in die flüchtige. Deshalb kann er nur genannt werden, aber nicht geschrieben. Doch Sie werden schon wissen, wer ich bin, nicht wahr?
SOUND: Papiergeraschel, Kugelschreiber, der entsichert wird
(nimmt Papier und Stift hervor und schreibt Namen und Nummer auf)

Nun gehen Sie schon nach Hause und morgen früh, da rufen Sie mich an.

26. Erzähler
Die Frau mit den roten Blumen nickte Michael Müller zu und steckte sich das Zettelchen mit seiner Nummer in den weiten braunen Mantel. Doch sie ging nicht nach Hause, sondern lief weiter die Strasse entlang. Ganz vorsichtig stellte sie ein Bein vor das andere als balanciere sie über ein Seil. In der linken Armbeuge hielt sie den Strauss mit den Mohnblumen eingeklemmt und der andere Arm bewegte sich mit jeder ihrer Schritte mit.
Sie war nicht weit gegangen, da hörte sie ein Melodie
SOUND: gepfiffene Melodie zu hören.
Von den Bäumen, die die Allee säumte hebte sich ein Mann hervor, der durch die Strasse ging. Seine Schritte waren schnell und graziös, er hüpfte auf den Bordstein und trug einen langen Schirm, den er ums Handgelenk schwank. Luna erkannte ihn sofort. Sie kannte seinen Gang, seine Bewegungen, die Melodie, die er pfiff. Es war Herr Schmidinger. Er hatte lange Zeit oberhalb ihrer Wohnung gewohnt und sie war sehr verliebt in ihn gewesen. Jeden Tag ging Luna zweimal in den Hausflur um ihm zu begegnen.
Morgens um 7.00 Uhr herum hörte sie in ihrer Küche die Schritte auf der Treppe, so geschmeidig und schnell wie sie nur Herr Schmidiger laufen kann. Sie hörte die schmetternde Melodie, das Pfeiffen, das jeden Ton traf. Luna hatte nur einen Augenlick Zeit um einen prüfenden Blick in den Spiegel zu werfen. Die Haare waren gekämmt, der Lidstrich sass. Dann trat sie in den Flur und holte sehr geschäftig die Post. Kurz bevor Herr Schmidiger an ihr vorbeischritt, sagte sie mit einem Lächeln: „Guten Morgen, Herr Schmidiger“, und sie hätte gerne noch mehr gesagt. Sie hätte ihn gerne in ein Gespräch verwickelt, auch wenn es sich bloss ums Wetter gedreht hätte. Doch Herr Schmidiger ging sehr schnell an ihr vorbei. Ihm folgte ein Windzug, dessen Duft die Hände Lunas zittern liess. Herr Schmidiger sagte mit klarer bestimmter Stimme: „Guten Morgen“ und lief an ihr vorbei ohne sie direkt anzusehen.
Abends war es schon schwieriger ihn abzupassen. Er kam nicht immer um dieselbe Uhrzeit zurück. Sie verbrachte viel Zeit vor dem Fenster und darauf zu achten, ob Herr Schmidiger um die Ecke bog. Doch auch zur späten Stunde, sagte er nichts weiter als: „Guten Abend“. Sein Blick ging immer leicht an ihr vorbei. Eines Tages hörte sie keine schnellen Schritte mehr auf der Treppe, kein Pfeifen mehr. Herr Schmidiger war umgezogen.

Heute wird es anders sein, dachte sich Luna. Heute wird er mich ansehen. Sie lief ihm entgegen mit ihrem freundlichsten Lächeln. Es sollte das Glück dieses Zufalls zeigen, der sie beide in dieser stürmischen Nacht in dieselbe Strasse gebracht hatte. Ein Lächeln, das betören soll, das hinreissen soll, dass alle Freude zeigen und seine bisherige Ignoranz verzeihen soll. Doch Herr Schmidiger vermochte ihren Blick nicht recht zu deuten. Er runzelte die Stirn, wendete den Blick ab und bog mit schnellen Schritten in die Seite ab, wo er eine Haustür aufschloss und ins Innere trat.
Luna blieb stehen und blickte ihm nach. Traurig lief sie die Strasse weiter, mit langsamen Schritten, einen Fuss nach dem anderen. „Vielleicht habe ich mich schon ein Stück weit aufgelöst und er konnte mich nicht sehen“, dachte sie sich. Doch dann hörte Sie ein Rufen. „Psssst!“, eine alte Frau sass auf einer Parkbank und winkte ihr zu.

27. ältere Frau
Pssst, junge Frau. Pssst, könnten Sie kurz kommen? Ich sehe, Sie gehen hier ganz alleine. Leisten Sie mir doch Gesellschaft. Vorher stolzierte ein Herr mit Schirm an mir vorbei, doch ansonsten sind die Strassen wie leergefegt.

28. Luna Lanar
Guten Abend. Ja, den Herrn habe ich auch gesehen, er hat auch mich nicht bemerkt. Er ist an mir vorbeigegangen als wäre ich Staub, der auf seinen Hemden liegt.

29. ältere Frau
Alle fürchten sich vor dem Sturm. Doch ich habe keine Angst. Ich bleibe hier auf meiner Bank wie sonst auch immer.

30. Luna Lanar
Ich fürchte das Unwetter ebenso wenig. Nur um meine Blumen sorge ich mich etwas. Noch halten die Blätter dem Wind stand, doch wie lange noch?

31. ältere Frau
Das sind wunderschöne Blumen. Rot wie im Sommer die Beeren im Garten meiner Mutter, rot wie die Backen meines Bruders im Winter während der Schneeballschlacht. Wir warfen uns die eisigen nur zu, wenn wir böse aufeinander waren oder befürchteten den Kampf zu verlieren, sonst ballten wir nur den weichen Schnee zu Kugeln. Einmal traf meinen Bruder eine Eisige auf die Stirn. Er bekam eine rote Beule davon. Die Erinnerung färbt alles röter als rot. So rot wie die Flanke des Cadillacs, der mich streifte und mich alles vergessen lässt. Komm setzen Sie sich doch zu mir. {Rascheln}

32. Luna Lanar
Gerne, aber nur ein Weilchen, dann muss ich weiter. Was haben Sie denn vergessen?

33. ältere Frau
Vor einiger Zeit lief ich über die Strasse, über den Zebrastreifen müssen Sie wissen. Und als ich das eine Bein auf den nächsten gelben Balken stellen wollte, da streifte mich ein roter Cadillac, weiter weiss ich nichts mehr. Ich erwachte in einem weissen Raum mit Kabel an mir, als wäre ich ein Gerät, das an Ladestationen angeschlossen ist. Als ich wieder nach Hause gehen konnte, fiel mir auf, dass ein grosser Teil meiner Kindheit gelöscht worden war. Können Sie sich das vorstellen? Es war einfach weg.

34. Luna Lanar
Das ist ja schrecklich.

35. ältere Frau
Das dachte ich zuerst auch. Als ich Fotos von mir zu Gesicht bekam, als ich noch ein Kind war, meinte ich ein fremdes Kind zu sehen. Ich glaubte ein Leben zu führen, das nie gelebt worden war. Doch dann bemerkte ich, dass die Teile, die mir im Gedächtnis geblieben sind, stärker und dringlicher wurden. Die Farben und Gerüche der Erinnerungen sind intensiver, die Stimmen lauter, die Gesichter scharf und die Menschen, als würde sie vor mir stehen. An den Teil, der geblieben ist, kann ich mich halten. Doch ich merkte auch, dass es das einzige ist, was mir bleibt. Denn alles Neue was ich jeden Tag erlebe, vergesse ich, sobald der neue Tag anbricht.
Ich finde jeden Tag ein Notizbuch in dem ich an einer Geschichte schreibe. Ich führe sie jeden Tag weiter.

36. Luna Lanar
Worum geht es in der Geschichte?

37. ältere Frau
Ich möchte ich dir nicht zu viel verraten. Ich sage dir nur so viel: Der Titel lautet: Es geschah in der Blutmondnacht. Und es geht um ein Mädchen, dass nachts wacht und darauf wartet, dass sich der Mond rot färbt. Rot wie die Flanke des Cadillacs, der mir die meisten Erinnerungen raubte. In dieser Nacht wird sie glücklich werden. Mit einem Blitz, der heller sein wird als die Sonne, wird sie von der Erde verschwinden. Sie wird in warmes silbernes Licht gehüllt sein. Sie wird lodernde Blumen dabei haben, so rot wie dein Mohnstrauss, den du bei dir trägst. Sie wird glücklich und selig in ihrem Reich angekommen sein.

38. Luna Lunar
Das finde ich eine wunderbare Geschichte. Ich hoffe, Sie schreiben sie zu Ende.

SOUND: Wind heult, Fensterläden schlagen an die Wände.

Der Wind nimmt zu, bald kommt das Gewitter. Ich muss jetzt weiter ziehen.

39. ältere Frau
Ja, gehe nur. Dir wird der Sturm schon nichts anhaben.

SOUND: Regen prasselt, Wind bläst.

40. Luna Lanar
Auf bald, gute Frau.

41. ältere Frau
Auf bald.

SOUND: Regen wird heftiger, Donner ist zu hören, der Wind heult

42. ältere Frau: (Monolog, murmelnd) Der Sturm zieht auf, doch ich bleibe auf meiner Bank. Der Regen kann mir nichts anhaben, es macht mir nichts aus, nass zu werden. Wie alle Menschen in die Häuser fliehen, in ihre Behausungen und sich dort sicher aufgehoben fühlen {lacht auf}, wie sie fliehen vor dem Donner und Blitz. Ich bleibe hier auf meiner Bank.

SOUND Sturm: Heftiger Regen prasselt nieder, starker Wind, Läden knallen an die Wand, Blitz und ein heftiger Donnerschlag, als wäre der Blitz irgendwo eingeschlagen. Dann Stille.Vögel beginnen zu pfeifen, morgendliches Treiben ist leise zu hören

43. Polizist Roland
{murmelnd): Es ist ein Rätsel. Wirklich ein Mysterium.

SOUND: herankommende Schritte sind zu hören.

(spöttelnd) Ah, da bequemt sich ja auch der Herr Kollege an den Ort des Geschehens.

44. Polizist Alfred
Guten Morgen, Roland. Nun hab dich mal nicht so. Du hättest sehen sollen, was für ein Aufstand das war bis ich passieren konnte. Es lagen ganze Baumkronen auf der Strasse! Alles war abgesperrt! Ich habe Ihnen meine Marke gezeigt, aber ein Durchkommen war beim besten Willen nicht möglich. Die Feuerwehr musste zuerst alle Baumstämme kleinschneiden, bevor ich mich durchkämpfen konnte. Was für ein Sturm das doch war! Also Alfred, erzähl, was ist geschehen?

45. Polizist Roland
Eine Frau wurde vermisst gemeldet, von einer Nachbarin. Sie hat sich in Luft aufgelöst! Wir haben bloss ihren braunen Mantel gefunden. Er lag zusammengeknüllt am Ende dieser Strasse.

46. Polizist Alfred
Gibt es Zeugen, die die Frau zuletzt gesehen haben? Hast du schon Leute befragt?

47. Polizist Roland
Mmh, schon erledigt. Alles was wir an Indizien haben, ist eine Telefonnummer, die in der Jackentasche gefunden wurde. Ein gewisser Moritz. Dann habe ich noch die Frau, die immer auf der Bank schläft, gefragt und ein Nachbar, der gestern noch spät unterwegs war.

48. Polizist Alfred
Und? Was ist herausgekommen?

49. Polizist Roland
Gar nichts. Der Mann, dem die Telefonnummer gehörte, gab an, dass es sich um einen Fehler handelte, er hiesse gar nicht Moritz. Ich habe es überprüft, es stimmt, er heisst Michael Müller. Die Frau auf der Parkbank konnte sich an keine Gestalt erinnern, die durch die Strasse gelaufen war und der Nachbar sagte, er kenne die Frau nicht, die auf dem Foto war, das ich ihm gezeigt habe.

50. Polizist Alfred
Niemand hat etwas gesehen?

51. Polizist Roland
Niemand. Ein Mysterium sage ich dir!

Sound: Musik

52. Erzähler
Es war eine stürmische Nacht, in der Luna verschwand. Die Wolken hatten den Himmel verdunkelt, denn sonst hätten die Bewohner dieser Stadt den Mond gesehen. Sie hätten das Gestirn gesehen, das röter als rot vom sternenlosen Himmel schien. Hundertmal röter als die Lippen aller Frauen, röter als die Beule des Bruders und röter als der Cadillac, der Erinnerungen nimmt. Ein rot, noch nie gesehen in diesen Breitengraden. Sie hätten sich gewundert, die Bewohner dieser Stadt, denn wenn sie den Mond näher betrachtet hätten, hätten sie einen schummrigen Flecken gesehen, der sich über das Gestirn bewegt. Und mit einem Teleskop hätten sie eine Gestalt gesehen, mit Blumen in der einen Hand und die andere frei ausgestreckt, schwingend mit jeder ihrer Schritte.

Sound: Outro


Anmerkung von atala:

Dieser Text ist das Skript eines Hörspiels

Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren

Kommentare zu diesem Text

Abulie (45)
(11.08.16)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 atala meinte dazu am 12.08.16:
Das freut mich total! Ich möchte es mit verschiedenen Sprechern, Musik und Hintergrundgeräusche aufnehmen. Ich stelle es dann online, wenn ich es habe.
Falls sich jemand mit der Produktion von Hörspielen auskennt, bitte melden, Tipps sind sehr willkommen! Ich werde einfach alles mal ausprobieren.

Liebe Grüsse, atala
David_Sternmann (34)
(12.08.16)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram