Hochzeitsrede

Ansprache zum Thema Hochzeit

von  loslosch

Sehr geehrte Gäste, Freunde, Bekannte und Anverwandte,

liebes Brautpaar!


Ihr beide, liebe Jeannine, lieber Sandro, habt nach reiflicher Überlegung, versteht sich, denn der Kauf eines Hauses und die Kiellegung eines Thronerben gingen voraus, heute den Ehebund besiegelt. Dazu mein Glückwunsch und allzeit gutes Gelingen.

Zu einem guten Gelingen trägt bekanntlich ein finanziell solider Grundstock bei: zuallererst ein gesicherter Arbeitsplatz. Wer das Examen für das Lehramt an weiterbildenden Schulen besteht, der hat eine Art Spießrutenlauf vor sich. Unser Hochzeitpaar kann ein Lied davon singen, ein Lied von einer langen Liste erfolgloser Bewerbungsgespräche. Das wollen wir an diesem schönen Tag nicht durchdeklinieren. Blicken wir daher auf den Tag des Erfolges, den 10. Juni 2015.

Am Vormittag dieses 10. Juni absolvierte Jeannine ein Vorstellungsgespräch an einem Düsseldorfer Gymnasium. Ja, und ausgerechnet am selben Tag Sandro eines im benachbarten Neuss. Ein interessanter zeitlicher Wettlauf begann. Die offizielle Aufforderung, den Arbeitsvertrag noch am selben Tag zu unterschreiben, erhielt zunächst Sandro, so gegen 16:30h. Dann auch Jeannine, aber eine Stunde später. Sie war bei ihrer Oma in Düsseldorf geblieben, die ich hier unter den Gästen ganz herzlich begrüßen darf. Jeannine musste also nur eine geringe Anfahrzeit einkalkulieren. Wer würde als erster unterzeichnen? Sandro klemmte sich kurz entschlossen hinters Steuer, strapazierte das Gaspedal und konnte um Punkt 18 Uhr in Neuss unterschreiben. Jeannine unterschrieb in Düsseldorf, und zwar ganze 5 Minuten später. So bewahrheitet sich der alte Spruch: Wer eine längere Anreise hat, kann Verspätungen besser aufholen.
 
Kommen wir nun zum Tagesthema.

Eine Hochzeit ist ein Ereignis, eine Ehe eine Leistung.

Das sagt ein unbekannter Gebrauchsphilosoph.

Ich habe einmal die Hochzeitssprüche und -sentenzen im deutschsprachigen Netz geprüft und eine Anthologie über die Jahrhunderte und Jahrtausende, von Sokrates bis zur Gegenwart, zusammengestellt.

Beginnen will ich, ganz unüblich, mit der Gegenwart.

Die Ehe ist ein Zweikampf, der mit Ringen beginnt. (Klaus Klages, geb. 1938.)

Ein kleiner Sprung zurück ins vorige Jahrhundert. Albert Einstein (1879 - 1955), besser bekannt als Physiker und Nobelpreisträger, war ein wortmächtiger Aphoristiker. Zur Ehe schreibt er:

Versuche zu kriegen, was du liebst, ansonsten musst du lieben, was du kriegst. 

Hundert Jahre früher meinte der Philosoph und Kulturpessimist Arthur Schopenhauer (1788 - 1860):

Heiraten heißt, mit verbundenen Augen in einen Sack greifen und hoffen, dass man einen Aal aus einem Haufen Schlangen herausfinde.

Sein Zeitgenosse, der französische Philosoph und Romancier Honoré de Balzac (1799 - 1860), ergänzte kenntnisreich:

In der Ehe muss man einen unaufhörlichen Kampf gegen ein Ungeheuer führen, das alles verschlingt: die Gewohnheit.                                                           

Der in seiner Diktion eher staubtrockene Philosoph der Aufklärung, Immanuel Kant (1724 - 1804), dozierte streng:

Das Weib wird durch die Ehe frei; der Mann verliert dadurch seine Freiheit.

Nun ein Sprung ins 16. Jh. Der wegen seiner derben Wortwahl allgemein gefürchtete Reformator Martin Luther (1488 - 1546), weiland selbst verehelicht mit einer Nonne, formulierte ganz behutsam:

Wer in den Ehestand geht, der geht in ein Kloster voller Anfechtungen.

Will man ergründen, wie es zur Begrifflichkeit Ehe gekommen ist, kann die Sprachwissenschaft nicht so recht weiterhelfen: Geht der Wortursprung auf ewig zurück oder auf Gang, Weg, Sitte? Die Lage scheint verworren.

Hier kann uns möglicherweise der Staatsmann, Philosoph und Jurist Cicero (106 v. Chr. bis 43 v. Chr.) weiterhelfen. Wir springen ins 1. Jh. vor unserer Zeitrechnung.

Errare Humanum Est

schrieb er und alle seine Epigonen folgten seinen Worten. Aus deutscher Sicht ergibt sich hier das Akrostichon

EHE.

Die Übersetzung von „errare humanum est“ lautet:

Irren ist menschlich.

Der berühmte Bonner Komponist Robert Schumann (1810 - 1846) hat die Buchstaben e-h-e auf Musiknoten übertragen. e-h-e, das sei eine Quinte, stellte er sachkundig fest.

Der Opernsänger Rudolf Schock (1915 - 1976) beginnt Mitte der 1950er Jahre sein Tenorsolo (Duett der Königskinder aus der Oper „Schwarzer Peter“)  so:

Ach, ich hab in meinem Herzen da drinnen einen wundersamen Schmerz …

Erst eine Sexte, steigend wie fallend, dann eine Quinte, gleichfalls steigend wie fallend. Ich mach’s mal vor, damit alle erfahren, wie sich eine Quinte anhört:

Ach, ich hab in meinem Herzen da drinnen ei-nen wun-der-sa-men Schmerz.

Geben wir das Schlusswort Sokrates (469 v. Chr. - 399 v. Chr.), dem Philosophen der griechischen Antike. Nach der Niederschrift seines Schülers Platon (~428 - ~348) soll er gesagt haben:

Heirate auf jeden Fall. Wenn du eine gute Frau bekommst, wirst du glücklich. Wenn du eine schlechte Frau bekommst, wirst du Philosoph.

Ich wünsche euch beiden eine wunderbare gemeinsame Zeit.

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (20.08.16)
Ich kann da nur noch "Drum prüfe ewig, wer sich bindet" hinzufügen ... oder so ähnlich ...

 loslosch meinte dazu am 20.08.16:
besser noch als die standardvariante ... ob sich nicht was bessres findet!
Graeculus (69) antwortete darauf am 20.08.16:
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 loslosch schrieb daraufhin am 20.08.16:
zu bindung fällt mir ein: mein erster scheidungsanwalt hieß binder. beim ersten treffen kalauerte ich: eigentlich müssten Sie löser heißen.

er wollte mir zeigen, wieviel er drauf hatte. eine erbschaft müsse mit dem VPI auf den gegenwartswert eskaliert werden.

ich versank kurz im sessel: meinen Sie den verbraucherpreisindex? - binder: ja.

der herr versank nicht im sessel.

tippo: nicht BPI, sondern VPI
(Antwort korrigiert am 20.08.2016)

 Bergmann äußerte darauf am 22.08.16:
tippo kommt von tippare, tippo, tippavi, tippatum - ?
Sehr schön! Oder besser: Gutiter!
ttU

 loslosch ergänzte dazu am 22.08.16:
klaro. schon die römer haben viel getippt, mit dem finger an die stirn.
Graeculus (69)
(20.08.16)
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 loslosch meinte dazu am 20.08.16:
geht ja nicht! erst legt der standesbeamte, meist weiblich, los. gestern strapazierte sie 80 leute mit einer rede von 25 minuten.

ps: meine rede hatte einen höhepunkt: ich lobte die anwesende oma meiner schwiegertochter in den höchsten tönen ... (nicht im skript.)
Graeculus (69) meinte dazu am 20.08.16:
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 loslosch meinte dazu am 20.08.16:
oh!

 Bergmann (22.08.16)
Erfreulich kurz und intensiv, gebildet und unterhaltsam, nüchtern und herzlich, sprachlich versiert und klar ... Ausgezeichnet!
t. t. U.

 loslosch meinte dazu am 22.08.16:
merci, uli.

zum unerwarteten highlight wurden meine herzlichen worte an frau ensoleit. (nicht im skript.)
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